Themenmolekül: Alzheimer goes Gaga

Glasers gesammelte Linkwolke aus der Welt der Wissenschaft und Technologie. Heute unter anderem mit zehn Dimensionen, Partymikroskopen und zauberhaften Zahlen.

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Von
  • Peter Glaser

Glasers gesammelte Linkwolke aus der Welt der Wissenschaft und Technologie. Heute unter anderem mit zehn Dimensionen, Partymikroskopen und zauberhaften Zahlen.

Auf meinen Expeditionen durch das Netz finde ich immer wieder bemerkenswerte Informations-Atome, die sich im Lauf der Zeit zu Themenmolekülen verbinden. Gelegentlich möchte ich an dieser Stelle solche Link-Gravitationswolken aus der Welt der fröhlichen Wissenschaft und Technologie vorlegen – diesmal unter anderem mit zehn Dimensionen, Partymikroskopen und zauberhaften Zahlen.

Alzheimer goes Gaga: Die Leute vom Hui Zheng Lab am Baylor College of Medicine im texanschen Huston erforschen die Alzheimersche Krankheit. Darüber hinaus haben sie eine Hand für's Komische. Für eine Klausurtagung über Molekular- und Humangenetik haben sie eine deutlich wissenschaftlich angehauchte Parodie des Lady Gaga-Hits "Bad Romance" verfertigt – "Bad Project". Fast 2,8 Millionen Menschen wollten bisher auf YouTube sehen, wie ein Projekt in die Grütze gehen kann: "Wir hatten keine Ahnung, dass sich das derart verbreiten wird, aber einige der angesprochenen Gefühle sind universell und international." (Dank für den Tip an Dr. Max Ackermann!)

Die zehn Dimensionen: Dieses Projekt hat mit 28 Songs für ein Konzeptalbum begonnen, in dem es um die Natur der Realität gehen sollte. Die Songtexte sind inzwischen Endnoten in einem Buch geworden – Rob Bryantons "Imagining the Tenth Dimension". (Die Songs gibt es dessen ungeachtet, beispielsweise "Big Bang to Entropy".) In einem flotten und lehrreichen Video erklärt Bryanton, was es mit jeder dieser Dimensionen auf sich hat. Raum und Zeit in vielfacher Verschränkung: wem es trotzdem Mühe bereiten sollte, sich die möglicherweise furchtbar verschachtelte Wirklichkeit vor Augen zu führen, der kann sih mit der tröstliche Vorstellung behelfen, dass es noch jede Menge an ungenutzem Parkplatz gibt.

Ein bisschen was für's Auge: Einbanddeckel von alten, französischen Schulbüchern beispielsweise, oder gut und reichlich bestückte Flickr-Pools wie Vintage Science, Vintage Science Equipment oder Hello, Mr. Science! lassen die Kinderfreude an dem, was später einmal ambitioniertes oder handfestes wissenschaftliches Interesse werden kann, genußvoll wieder aufleben.

Der Watt-Wurm: In den frühen Jahren der öffentlichen Stromversorgung in den USA hatte die Elektrizität ein freches Maskottchen – Reddy Kilowatt. Reddy hatte eine Glühbirnennase, Steckerohren und einem Körper aus Blitzen. Anfangs hatte er fünf Arme, um auf die vielen Funktionen der Elektrizität aufmerksam zu machen. Sein Zeichner Collins verkaufte bereits in den 30er Jahren Lizenzen für das Männchen an mehr als 300 Elektrizitätsunternehmen in den Vereinigten Staaten. Als in den 50er Jahren der Atomstrom ans Netz ging, erläuterte Reddy die Technologie und sprach sich in Broschüren, Comics und Filmen für ihre Sicherheit aus.

Sience Builds The Future: Bemerkenswerte Plakatkunst von Paul Sizer, einem Grafikdesigner aus Kalamazoo, Michigan. Einen umfangreicheren Überblick über die Arbeit von Sizer kann man sich in seinem Portfolio auf Deviant Art machen.

Zauberhafte Zahlen: "Nature by Numbers" von Cristobal Vila ist eine kunstvolle, kurzfilmische Animation, inspiriert von Zahlen, Geometrien und der Natur. Drüben bei Etereae Studios gibt es Etliches mehr an Informationen über die Hintergründe (Fibonacci, Goldener Schnitt, Delaunay, Voronoi…), außerdem eine Menge kostenloses Übungsmaterial und 3D-Workshops.

Kultur meets Umwelt: Der "Enormous Microscope Evening" war eine bemerkenswerte Veranstaltung des Hammer Museums in San Francisco, die eine mikroskopische Sicht der Welt vermitteln sollte. Es gab Demonstrationen und Workshops mit Experten und Amateuren über den Aufbau und die Handhabung von Mikroskopen – Proben und Anschauungsmaterial wurde dem Innenhof des Museums entnommen. Hier eine kleine Dokumentation des Abends im Superkleinen.

Die winzigsten Eheringe der Welt – zwei ineinandergreifende DNS-Ringe: Ziel der DNS-Nanotechnologie ist die Schaffung künstlicher Strukturen aus DNS. Diese neue Disziplin, eine Kombination aus Biologie, Physik, Chemie und Materialwissenschaften, nutzt die Fähigkeit der natürlichen DNS zur Selbstorganisation. So konnten bereits Smileys und kleine Boxen im Nanometerbereich geschaffen werden. Prof. Alexander Heckel und sein Doktorand Thorsten Schmidt vom "Excellenz-Cluster für makromolekulare Komplexe" der Goethe-Universität in Frankfurt am Main konnten zwei nur 18 Nanometer große DNA-Ringe erzeugen, die wie zwei Kettenglieder ineinandergreifen. Solche Strukturen werden – abgeleitet vom lateinischen Wort catena, Kette – als Catenane bezeichnet. Schmidt, der während der Arbeit an den Nano-Ringen geheiratet hat, vertritt die Ansicht, es handle sich um die weltweit kleinsten Trauringe.

Astrophonisches: Zum Start des Albums "Retrospect – a Decade of Fracture & Neptune" haben Emilski und Nick Duggins, die sich UTILE nennen, zu einer psychedelischen Reise in das Universum der Musik von Fracture & Neptune (featuring Martin Fieber) eingeladen. Neben der lässigen Traks ist vor allem die astronomoide Anmutung des Videos hervorzuheben.

Mit dem Projekt "Symphony of Science" möchte der Musiker und Produzent John Boswell wissenschaftliche Erkenntnisse und Philosophie an die Öffentlichkeit bringen, und zwar auf neue Weise – durch Musik. Die Idee verdankt ihre Realisierung nicht zuletzt der wunderbaren Arbeit von Carl Sagan, Ann Druyan und Steve Soter und ihrer klassischen PBS-Serie Cosmos. Die Erfahrung mit Remixes führte zu ersten Experimenten mit den Materialien von Wissenschaftlern und Musik, vorläufiger Höhepunkt war Herbst 2009 "A Glorious Dawn" mit Carl Sagan. "A Wave of Reason" ist die siebente Folge der Science Music-Videoserie, in der es um gesunde Skepsis angesichts eines wachsenden Interesses pseudowissenschaftlichen Systemen wie Homöopathie oder Astrologie gegenüber geht. Mit dabei: Carl Sagan, Bertrand Russell, Sam Harris, Michael Shermer, Lawrence Krauss, Carolyn Porco, Richard Dawkins, Richard Feynman, Phil Plait und James Randi. (bsc)