Virtueller Blick unter die Haut

Ein Gerät, das anatomisch korrekte Bilder auf die Haut eines Patienten projiziert, soll Kranken ihre Verletzungen erklären - und sie dazu erziehen, ihre Physiotherapie durchzuhalten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Duncan Graham-Rowe

Ein Gerät, das anatomisch korrekte Bilder auf die Haut eines Patienten projiziert, soll Kranken ihre Verletzungen erklären – und sie dazu erziehen, ihre Physiotherapie durchzuhalten.

Forscher bei Microsoft Research haben ein tragbares Gerät entwickelt, das Physiotherapie-Patienten einen virtuellen Blick unter die Haut ermöglicht. Das System soll erzieherische Wirkung haben und dabei helfen, Krankengymnastik und andere langwierige Therapieformen besser durchzuhalten.

"Es ist oft unheimlich schwer, ein Physiotherapie-Regime fortzuführen", sagt Amy Karlson von der Computational User Experiences Group bei Microsoft Research, die die Idee umgesetzt hat. Zwischen 30 und 50 Prozent der Patienten mit chronischen Erkrankungen scheiterten auf die ein oder andere Art. Das verzögere die Heilung und verschlimmere den Zustand manchmal gar.

Karlson glaubt, dass mehr Informationen auch mehr Motivation bedeuten. "Wenn die Menschen wissen, was ihnen fehlt, hilft ihnen das beim Durchhalten." Das neue Werkzeug, das die Microsoft-Forscher AnatOnMe getauft haben, projiziert ein Bild der Knochenstruktur, der Muskeln, Sehnen oder Nerven auf die Haut. So verstehe der Patient seine konkrete Erkrankung besser und beschleunige den Heilprozess von sich aus, glaubt Karlson.

Das bereits verfügbare Prototypsystem besteht aus zwei Teilen: einem Picoprojektor, einer gewöhnlichen digitalen Kamera und einer Infrarotkamera sowie aus einem Laser-Pointer und einer Steuerungseinheit. "Die Technologie ist relativ Low Tech", sagt Karlson.

Statt komplexer automatischer Bildkorrektursysteme, die das Bild der internen Verletzung an die richtige Stelle des Körperteils projiziert, nutzt der Therapeut einfach seine eigenen Augen, um Projektion und Gliedmaßen in Einklang zu bringen – beispielsweise den Arm. Das Prototypsystem nutzt außerdem bislang keine echten Aufnahmen des Patienten, sondern generische Bilder, um bis zu sechs verschiedene Erkrankungen zu demonstrieren. Doch schon jetzt sei die Technik sehr effizient, meint Karlson. Im Test mit zwei Physiotherapiepraxen habe sich gezeigt, dass die Patientenmotivation deutlich steigt.

Ein Arzt oder Therapeut kann AnatOnMe auch für Präsentationen an der Wand nutzen. So arbeitet auch die Bedienoberfläche: Selbst das Auswahlmenü wird auf diese Art dargestellt. Optionen werden wiederum mit dem Laser-Pointer ausgewählt, der von der Infrarotkamera erkannt wird.

E. Anne Reicherter von der University of Maryland-Baltimore School of Medicine, die selbst Mitglied in der American Physical Therapy Association ist, kennt die Probleme, die durch Nichteinhaltung von Therapieplänen entstehen. Die Gründe seinen einfach: Erstens bedinge Physiotherapie oft eine Form von Sport, zweitens gehe es oft um eine Verhaltensveränderung, die die Betroffenen nicht unbedingt vornehmen wollten. "Die meisten Patienten interessieren sich aber sehr dafür, was im Körper abläuft. Ein Werkzeug, das ihnen hilft, dies ganz konkret zu verstehen, ist von großem Vorteil." (bsc)