ICANN: Nutzer werden durch Domain-"Tasting" und -"Kiting" verwirrt

Ursprünglich sah ICANNs Nutzervertretung das kurzfristige Ausprobieren von Domains als rein technisches Problem der Registries an. Nun ist man dort inzwischen davon überzeugt, dass die Nutzer unter dem Phänomen zu leiden haben, und sucht nach Lösungen.

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Von
  • Monika Ermert

Für bis zu zwei Millionen com- und net-Adressen wird kein Euro Registriergebühr bezahlt, von über 205 Millionen registrierten com-Adressen in den vergangenen sieben Monaten wurden 197 Millionen kurzfristig wieder gelöscht. Diese Zahlen nannten eNom-Chef Paul Stahura und Tim Ruiz, Direktor des Providers GoDaddy, auf einem Workshop beim Treffen der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in Sao Paulo. Sie belegen laut den Experten die Zunahme des so genannten "Domain-Tasting" und "Domain-Kiting". Für das "Tasting" – das "Kosten" oder "Abschmecken" von Domains – nutzen Domainhändler eine Fünf-Tage-Frist, innerhalb der die Registrierung frei bleibt. Um die Domain nach der Rückgabe kostenlos zu behalten, wird sie einfach neu registriert ("Kiting"). Was ursprünglich dazu gedacht war, Domain-Vertipper oder andere Missverständnisse nicht zu Lasten der Registrare gehen zu lassen, belastet nach Ansicht mancher Experten zunehmend die Registriersysteme und verwirrt normale Nutzer.

ICANNs Nutzervertretung (At-Large Advisory Committee, ALAC) kündigte in Sao Paulo an, dass man ICANNs hauptamtliches Büro dazu auffordern werde, einen Statusbericht zu dem Problem zu erstellen. Habe die Nutzervertretung zu Beginn der Debatte das Tasting als rein technisches Problem der Registries betrachtet, die mit dem explodierenden Datenverkehr zurecht kommen müssen, sei man inzwischen überzeugt, dass die Nutzer unter dem Phänomen zu leiden hätten, sagte Brett Fausett, scheidender ALAC-Vertreter aus den USA. Fausett kalkuliert, dass rund zwei Prozent der aktuell registrierten com-Domains nur abgeschmeckt werden. "Aus Sicht eines Nutzers bedeutet das, eine Domain ist frei, wenn man sie nachschaut, ist dann aber sofort vergeben und wieder frei, wenn sie fünf Tage später wieder nach der Domain suchen", sagte Fausett.

Besonders ärgerlich aus Nutzersicht, so warnte Ruiz, sei es, wenn die Domain-"Koster" sich auf genau die Domains stürzten, die über eine Registrarseite von Kunden angefragt würden. "Wir verbringen eine Menge Zeit damit, die Kunden darüber zu beruhigen, dass GoDaddy ihre Anfragen ausspioniert und die Information an jemanden weitergibt, der dann seinen Nutzen daraus zieht, um die Domain zu registrieren und daraus Profit zu schlagen", erläuterte Ruiz.

Eine Vertreterin der Markenrechtsinhaber innerhalb der ICANN (IP Constituency) sagte, die abgeschmeckten Domains wären häufig Variationen von Marken, es sei "praktisch unmöglich, ein Verfahren gegen solche Registrierungen innerhalb von fünf Tagen in Gang zu setzen". Für Markenrechtsanwälte und Strafverfolgungsbehörden sei das, als würde man Hase und Igel spielen, bestätigte Fausett.

Registrarvertreter warnten allerdings vor übertriebenen Reaktionen und wiesen den Vorwurf zurück, dass das Tasting bevorzugt auch von Phishern genutzt würde. Rob Hall, CEO der Registrargruppe Momentous sagte, es sei eine Tatsache, dass der so genannte Sekundärmarkt im Domaingeschäft rasch zum eigentlichen Primärmarkt werde. "Es wird wesentlich mehr Geld mit dem Weiterverkauf von Domains gemacht als mit der Neuregistrierung von Domains. Das ist so wie beim Hauskauf, wo nur 10 Prozent der verkauften Häuser neue Häuser sind." Auf diesen Trend hätten sich auch die Registrare einzustellen.

Eine erste Idee, wie man dem "Tasting" beikommen will, ist die Erhebung einer Gebühr für das Schließen der Domains. Eine Gebür von 5 US-Cent hatte vor einiger Zeit der org-Betreiber Public Interest Registry (PIR) für seine Registry beantragt, die ICANN nun auch bewilligte. Damit soll zumindest ein kleiner Betrag in die Kassen der Registry fließen. Immerhin müssten diese so mit einem Datenverkehr umgehen, der 100- bis 1000-mal so groß sei wie der, für den ihre Registriersysteme ursprünglich konzipiert worden seien, warnte der Chef von ICANNs Sicherheits- und Stabilitätskomittee, Steve Crocker. Wichtiger als die Gebühr ist nach Meinung Stahuras aber, dass die abgeschmeckten Domains für "echte" Registrierkunden erhältlich bleiben. ICANNs Vorstand beschäftigt sich in seiner Abschlusssitzung am Freitag erneut mit dem "Tasting" und möglichen Gegenmaßnahmen. (Monika Ermert) / (anw)