Der Wahl-O-Mat ist wieder online

Wie schon zur Wahl 2002 hat die Bundeszentrale für politische Bildung ihre beliebte Wahlentscheidungshilfe in Betrieb genommen. Daneben gibt es im Internet noch viele weitere Angebote, um "fit zur Wahl" gehen zu können.

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Nachdem das Bundesverfassungsgericht gestern die Neuwahlampel auf Grün gestellt hat, ist nun die Wahlentscheidungsmaschine Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) wieder online. Vor drei Jahren sei rund 3,6 Millionen mal auf die Site zugegriffen worden, sagt BPD-Präsident Thomas Krüger. Dem Anwender werden 30 politische Thesen vorgelegt, die er mit "Ja", "Nein" oder "Neutral" beantworten muss. Dann wird er von der Software der Partei zugeordnet, der er inhaltlich am nächsten steht.

"Die Thesen stützten sich rein auf die Wahlprogramme der Parteien", erläutert Krüger. Stammwählerschaft, Milieugebundenheit oder die emotionale Verbundenheit mit einer bestimmten Partei werden im Resultat nicht berücksichtigt. Daher soll der Wahl-O-Mat auch nur eine Orientierungshilfe sein. Denn auf Grundlage dieser 30 Thesen könne man keine fundierte Wahlempfehlung geben, sagt der Politologe Stefan Marschall von der Universität Düsseldorf, der an den Thesen mitgearbeitet hat.

Laut einer Online-Befragung zur Wahl 2002 haben jedoch 50 Prozent der Nutzer den Wahl-O-Mat als Anstoß genommen, sich weitergehend politisch zu informieren. Rund 9 Prozent seien durch den virtuellen Entscheidungshelfer sogar überzeugt worden, überhaupt zur Wahl zu gehen, sagt Marschall. "Die meisten finden sich aber ungefähr bei der Partei wieder, der sie sowieso nahe stehen", so der Politologe. Der Wahl-O-Mat war schon mehrmals bei Landtagswahlen und auch zur Europawahl 2004 im Einsatz.

"Generell wird das Internet in der politischen Kommunikation immer wichtiger. Es ist mittlerweile ein unverzichtbarer Bestandteil der politischen Öffentlichkeit geworden", sagt Krüger und verweist auf das Portal politik-digital.de. Die Homepage sei eines der ältesten Politikforen, die Internet-Angebote im politischen Bereich bewerten. Ansonsten bietet die Seite viele Informationen zum Thema Wahl, Nichtwähler und Wahlkampfvorbereitung. Zum Teil werden auch Live-Chats mit Politikern angeboten.

Mitunter wird das Internet aber auch zur Bühne für fragwürdige Betätigungen, jedenfalls aus Sicht des ZDF. Der Sender bezeichnete die Aktion der Partei, 25 Sekunden der ihr zustehenden Wahlwerbespot-Zeit bei Ebay für Werbezwecke (wahlweise 90 Sekunden Product Placement) zu versteigern, als peinlich. "Die Parteien erhalten Sendezeit im Fernsehen, um inhaltlich Wahlwerbung zu machen und nicht, um ihre Sendezeit für Zwecke der Wirtschaftswerbung zu verkaufen und sich so jenseits der üblichen Parteieinfinanzierung Geldmittel zu verschaffen", so der Justitiar des ZDF, Carl-Eugen Eberle. "Wir wollen das Geld", hat Partei-Vorsitzender Martin Sonneborn laut Netzeitung auch unumwunden zugegeben. Man wolle es für einen "schmierigen, populistischen und niveauarmen Wahlkampf" verwenden. Das ZDF will den so entstehenden Wahlwerbespot auf seine Vereinbarkeit mit den staatsvertraglichen Vorgaben prüfen und dann über die Ausstrahlung, die für den 14. September gegen 17.55 Uhr vorgesehen ist, entscheiden.

Wesentlich gediegener als beim parteipolitischen Flügel der Titanic-Redaktion geht es auf der Wahlberater-Website des Bundestags zu, obwohl sie sich anscheinend an junge Menschen richtet. Dort können in eine Maske Fragen eingegeben werden. Auf die Frage "Welche Partei soll ich wählen?" weiß der dort wartende und mitunter Däumchen drehende "virtuelle Adler" aber keine konkrete Antwort, sondern verweist auf die Homepage des Bundeswahlleiters. Das Wappentier sieht sich als "neutraler Wahlberater" und äußert sich nicht zu politischen Fragen, sondern eher zum Prozedere der Bundestagswahl.

Bei Kindern längst bewährt hat sich im Gegensatz dazu die Sendung mit der Maus des WDR. Sie hält auch eine Sachgeschichte zur Bundestagswahl parat. Wie so oft bei der Maus wird auch in diesem Fall verständlich dargestellt, wie es funktioniert. Das ist auch für Erwachsene unterhaltsam. Übrigens erzählen die Maus-Macher auch eine wunderbare Sachgeschichte zum Thema Internet. Kinder, die ihr neues Wahl-Wissen direkt in die Tat umsetzen wollen, sollten bei u18.org vorbeischauen. Hier gibt es alle Informationen zu der vorgezogenen nicht offiziellen Wahl für Kinder und Jugendliche, die am 9. September stattfindet.

Schon etwas länger, als der Wahl-O-Mat existiert, betreibt die Wochenzeitung Die Zeit in ihrem Special zur Wahl ihre Stimmungsbörse "Wahl-Street". Dort können seit 1998 fiktive Parteiaktien gehandelt werden. Da sich in der Vergangenheit gezeigt hat, dass der Schlusskurs einer Wahlbörse, wie sie auch von der Financial Times Deutschland angeboten wird den endgültigen Ergebnissen ähnlich nahe sein kann wie die durch Demoskopen ermittelten Vorhersagen, diskutieren Wissenschaftler derartige Methoden durchaus ernsthaft als mögliche Prognosemodelle. 1998 wurden die Wahl-Street-Kurse nur durch das Allensbach-Institut übertroffen. Vor drei Jahren allerdings sahen die Wahlbörsianer unter anderem die FDP zu stark und CDU/CSU zu schwach.

Auch an einigen Politikern ist der noch frische Trend zu Weblogs nicht vorbeigegangen. Die FDP-Politikerin Silvana Koch-Merin führt ein Online-Tagebuch und auch die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau schüttet ihr politisches Herz aus. Bei der SPD macht es Jörg Tauss, die Grüne Katrin Göring-Eckardt ist dabei und bei der CDU beispielsweise Martina Krogmann.

Der Hamburger Politikwissenschaftler Hans J. Kleinsteuber ist skeptisch, was den Einsatz von Blogs im Wahlkampf angeht: "Ich finde es richtig, neue Wege der Kommunikation auszuprobieren. Bisher ist das Ergebnis aber enttäuschend." Der IT-Manager Nico Lumma, der das Portal blogg.de betreibt, ist hingegen überzeugt, dass Blogs eine wichtige Rolle im Wahlkampf spielen könnten. "Politiker erreichen mit Blogs Bürger, die niemals freiwillig ihre Webseiten besuchen würden", meint Lumma. Zusammen mit anderen Bloggern gründete Lumma bereits im Juni das "Wahlblog".

Aus der Vielzahl der Websites mit Statistiken und Analysen kommender und vergangener Wahlen sei das Angebot des Bundeswahlleiters herausgegriffen. Dessen Online-Atlas bietet für alle 299 Wahlkreise unter anderem Strukturdaten zu Bevölkerung und Erwerbstätigkeit sowie zu Verkehr und Bildung. Darüber hinaus zeigt der Atlas die Ergebnisse der Bundestagswahl 2002 an. Sobald am Abend des 18. September das vorläufige amtliche Ergebnis der Neuwahl feststeht, fließt es in den Atlas mit ein.

Wer keine Muße hat, die Wahlprogramme der Parteien ausführlich zu studieren und nach IT-Themen abzusuchen, kann ab heute spezielle Analysen auf c't aktuell lesen. Die heutige erste Folge der "Wahlprogramme unter der Lupe" befasst sich mit den Vorhaben von Bündnis 90/Die Grünen. Am 9. September findet auf heise online ein Chat zu den Bundestagswahlen statt. Geplant ist, dass Politiker aller großen Parteien teilnehmen.

Siehe zur Bundestagswahl 2005 auch: