Technologie mit Augenmaß: Der biometrische Pass in der Schweiz

Auch die Schweiz will einen biometrischen Reisepass nach den Richtlinien der ICAO produzieren -- auf eine Zwangseinführung verzichten die Eidgenossen allerdings.

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Von
  • Detlef Borchers

Wie viele europäische Länder, so hat auch die Schweiz die Aufgabe in Angriff genommen, einen biometrischen Reisepass nach den Richtlinien der ICAO zu produzieren. Er soll zwischen August und Dezember 2006 erstmals bestellt werden können. Erste Tests der Komponenten für das Enrollment und die Datenprüfung laufen derzeit auf Hochtouren, nachdem vor vier Wochen die Ausschreibung für erforderliche Geräte veröffentlicht wurde. Vor diesem Hintergrund sorgte eine Meldung des TV-Magazins Kassensturz für Aufregung, das von schlecht funktionierenden Reisepässen berichtete. Dass bei jedem vierten Passinhaber die Identifizierungscomputer gestreikt haben sollen, sorgte unterdessen für Verwunderung, schließlich sind in der Schweiz bislang noch keine Systeme installiert. Tatsächlich hatte man kurzerhand die Ergebnisse der deutschen BioPII-Studie (bereinigte Fassung 2.0, PDF-Datei) auf die Schweiz übertragen.

Die einfache Übertragung der ohnehin problematischen BSI-Studie führt jedoch in die Irre. In Bezug auf die Technik (RFID-Chip, Fingerabdruck und Gesichtsbild) unterscheidet sich der biometrische Reisepass der Schweiz nicht von den "intelligenten" Papieren, die in Kürze in Deutschland oder den Niederlanden ausgestellt werden. Dafür sind die organisatorischen Unterschiede umso größer: In der Schweiz ist der biometrische Reisepass freiwillig und eigentlich nur für Reisende gedacht, die häufig in die USA fliegen. Wer den 250 Schweizer Franken teuren Pass nicht haben will, kann wie bisher den normalen Reisepass "Modell 03" (125 Franken) bestellen. Dementsprechend rechnet man bei dem für den Pass verantwortlichen Bundesamt für Polizei (Fedpol) auch damit, dass höchstens 100.000 biometrische Ausweise produziert werden müssen, wenn der ePass im Herbst 2006 verfügbar sein soll.

Während die Schweiz auf eine Zwangseinführung verzichtet, stellt sie das Enrollment unter strenge Aufsicht: Wer den biometrischen Reisepass beim Meldeamt bestellt hat, bekommt nach 14 bis 20 Tagen die Aufforderung, sich in einem von insgesamt acht innerschweizerischen Erfassungszentren zu melden, wo der digitale Fingerabdruck und das Gesichtsbild unter kontrollierten Bedingungen produziert werden. Eine Situation wie in Deutschland, wo die Bürger selbst für das Passbild sorgen müssen, hält man in der Schweiz für zu fehleranfällig. Misstrauisch steht man auch der Kryptographie gegenüber: Der biometrische Reisepass bleibt nur fünf Jahre lang gültig, weil "der Fortschritt bei der Kryptographie keine längeren Zeiträume zulässt", wie Guido Balmer vom Mediendienst der Polizei gegenüber heise online erklärte. Außerdem sei noch völlig ungenügend untersucht, wie der Alterungsprozess in den zehn Jahren, die der herkömmliche Pass gültig ist, biometrische "Messfehler" produziere.

Ist der biometrische Pass ausgestellt, so landen biometrische Daten, Passnummer und Name des Passinhabers im Informationssystem Ausweisschriften, ISA (PDF-Datei). Wenn die Schweizer Polizei nach Personen fahndet, darf sie nach geltenden Vorschriften allerdings nicht auf die in der ISA-Datenbank hinterlegten Datensätze zugreifen. Vielmehr ist sie allein auf das Schweizer beziehungsweise das internationale AFIS angewiesen. Dementsprechend verwahrt sich das Bundesamt gegen die Charakterisierung des neuen Reisepasses als Überwachungspass. (Detlef Borchers) / (pmz)