Kommentar: Schwere, aber richtige Entscheidung

Der Bundestag hat den Weg für die Legalisierung der Präimplantationsdiagnostik frei gemacht. Das ist kein Dammbruch, der die Produktion von Designerbabys erlaubt, sondern verantwortungsvoll und vernünftig.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Die Entscheidung der Abgeordneten für die Präimplantationsdiagnostik (PID), die ohne Fraktionszwang gefällt wurde, ist zu begrüßen. Denn sie ist eben nicht – wie von vielen befürchtet – Wegbereiter für einen Dammbruch, der eine bedenkenlose Selektion von Designerbabys anhand solcher Merkmale wie Augenfarbe oder das Geschlecht erlaubt. Auch die Zeugung von sogenannten Retter-Geschwistern wird damit nicht erlaubt, die nach ihrer Geburt einem schwer erkrankten Bruder oder Schwester Zellen oder Gewebe spenden sollen.

Die Kollegin Veronika Hackenbroch von Spiegel Online hat Recht, wenn sie vom Auflösen einer absurden Situation spricht: Wenn Eltern auf natürlichem Weg ein Kind zeugen und sich dann – etwa bei einer Fruchtwasseruntersuchung – herausstellt, dass ihr Baby an einem schweres Erbleiden erkranken würde, dürfen sie sich für eine Abtreibung entscheiden. Dasselbe Recht wurde Eltern, die nur per künstlicher Befruchtung auf ein Kind hoffen konnten, bisher nicht zugestanden.

Die Legalisierung der PID ist eine sorgsam austarierte Lösung, die nur in seltenen Fällen eine genetische Untersuchung von Embryos, die durch künstliche Befruchtung im Labor entstanden sind, erlauben wird. Die Tests dürfen nur dann erfolgen, wenn drei Bedingungen erfüllt sind: Erstens müssen sich die Eltern sich einer sorgfältigen genetischen Untersuchung – an einer dafür lizenzierten Klinik – unterziehen; zweitens ist eine medizinische und psychologische Beratung Pflicht; und drittens muss eine Ethikkommission ihren Fall als gravierend genug beurteilen und dem Test zugestimmten.

Noch muss im Detail bestimmt werden, welche Untersuchungsergebnisse eine PID in Betracht kommen ließen. Der beschlossene Gesetzentwurf spricht noch vage von „schwerwiegenden Erbkrankheiten“ und Fällen, in denen „mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen ist“. Die Grenze wird schwer zu ziehen sein, aber eine Gesellschaft, die eine Untersuchung mit so schwerwiegenden Konsequenzen will, muss sich diesen Abwägungen stellen. Es ist eine schwere Entscheidung, in Kauf zu nehmen, dass im Labor erzeugte Embryonen im schlimmsten Fall „verworfen“ und nicht eingepflanzt werden. Sie sollte nicht leichtfertig getroffen werden.

Aber so hart und unmenschlich es klingt, ein in der Petrischale gezeugtes Embryo kann erst dann zum Menschen heranreifen, wenn es auch in eine Gebärmutter eingepflanzt wird. Und wir erlauben solche Entscheidungen bereits jetzt tagtäglich bei jeder künstlichen Befruchtung: Hier entscheiden Befruchtungsmediziner am Mikroskop anhand von optischen Merkmalen, welche befruchtete Eizellen am lebensfähigsten aussieht. Keineswegs führt jede künstliche Befruchtung zur einer erfolgreichen Schwangerschaft und Geburt, die Rate der Fehlgeburten ist – durch zahlreiche noch nicht verstandenen medizinischen Gründen – ist mit zwei Dritteln sehr hoch.

Man könnte es sich einfach machen, und sagen, wenn Eltern um eine genetische Belastung wissen, sollen sie eben keine Kinder in die Welt setzen. Das aber greift zu kurz, denn wir erlauben bereits Abtreibungen, wenn ein schweres Erbleiden des Kindes im Mutterleib festgestellt wird. Bei der PID geht es genau darum, dass werdende Eltern, die um ihre erbliche Belastung wissen oder eine befürchten, ihrem Kind schwerste Gesundheitsschäden, ersparen möchten. Das ist verantwortungsvoll, wenn es das Ergebnis einer sorgfältigen Gewissensprüfung ist, und wenn es wirklich darum geht, schwerwiegende, schlimme Krankheiten, die unmenschliches körperliches Leiden für die Kinder und einen extrem frühen Tod bedeuten zu vermeiden – die beide zu gravierendem seelischen Leiden bei den Eltern führen. Deshalb ist es gut, dass Eltern mit schweren erblichen Belastungen die Chance erhalten, gesunde Kinder zu bekommen. (vsz)