Wer hat Angst vor der Pax Sinica?

Ein unveröffentlichter US-Report warnt, China intensiviere die militärische Nutzung des Weltraums. Interessant, dass er gerade jetzt durchsickert.

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Von
  • Niels Boeing

Die Nachrichtenagentur Reuters wartete gestern mit einer alarmierenden Schlagzeile auf: "China fährt mit neuen Satelliten militärische Nutzung des Weltraums hoch." In der Nachricht zitiert Reuters aus einem noch unveröffentlichten Report des World Security Institute aus Washington, China bereite den Übergang zu "taktischen Operationen im Weltraum" vor. Ziel sei, mit Hilfe neuer Super-Satelliten Raketen genauer denn je auf US-Kriegsschiffe lenken zu können, sollten diese zum Beispiel im Falle eines Konflikts Taiwan zu Hilfe kommen.

Wer das ehrgeizige chinesische Raumfahrtprogramm in den letzten Jahren verfolgt hat, wird sich darüber zunächst nicht wundern. 2007 hatte China gar einen alten Satelliten mit einer Rakete abgeschossen. Interessant ist allerdings, dass der Report eigentlich erst im Oktober im Journal of Strategic Studies veröffentlicht werden soll. Dass er jetzt, wenige Tage nach dem letzten Space-Shuttle-Start, an Reuters durchsickert, ist vielleicht kein Zufall.

Denn mit dem Ende des Shuttle-Zeitalters stehen die USA einigermaßen nackt da. Ein neues Routine-Transportsystem für Astronauten und Schwerlasten wird noch Jahre auf sich warten lassen, und die Obama-Regierung hat sich nicht eben als Gruppe von Raumfahrt-Enthusiasten gezeigt, als sie im Oktober 2010 das nicht minder ehrgeizige Constellation-Programm der Bush-Regierung kippte. Ein kleines "Krieg der Sterne"-Szenario könnte da gewiss den US-Kongress, der gerne jeden Cent fürs All dreimal hin und her wendet, spendierfreudiger machen.

Das Ende der amerikanischen Dominanz im Weltraum? Die Raumfähre Atlantis auf dem finalen Flug des Shuttle-Programms, kurz nach dem Start am 8. Juli 2011 in 27 Kilometern Höhe, aufgenommen vom StratoShuttle-1-Ballon der Quest for Stars-Gruppe.

(Bild: Quest for Stars )

Bisher ist China allerdings eher dadurch aufgefallen, dass es sich als unbezwingbare Defensivmacht aufbaut. Nach den historischen Erfahrungen mit dem Boxeraufstand (1900) und der Besetzung durch Japan (1937–1945) ist dies durchaus verständlich. Bis heute hat China nicht versucht, irgendwo in der Welt nach dem Vorbild der USA externe Militärstützpunkte zu errichten. Manche Politikbeobachter glauben auch, dass China nicht das Zeug zu der Supermacht habe, deren Kommen für andere schon ausgemacht ist.

Ein Wettrüsten im All wäre eigentlich das letzte, was der internationalen Raumfahrt nützen würde. Die USA wären auch nicht gut beraten, sich darauf einzulassen. Deren Hochrüstung in den Achtziger Jahren war ein Sargnagel im maroden Sowjetsystem. Im Wettlauf mit China – das 3,2 Billionen Dollar in Reserve, eine nach wie vor brummende Wirtschaft und eine wachsende, bestens ausgebildete Forschungsgemeinde hat – könnte die "letzte Supermacht" am Ende selbst den Kürzeren ziehen. Eine orbital abgesicherte "Pax Sinica" könnte folgen und die "Pax Americana" der vergangenen Jahrzehnte beerben. Es wäre die Krönung des "70-Jahresplans" von Deng Xiao Ping, den China bislang ohne Abstriche umgesetzt hat. (nbo)