Kalter Krieg à la PayPal

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Von
  • Holger Bleich

Der Online-Bezahldienst PayPal verärgert zurzeit etliche deutsche Shopbetreiber, die kubanische Waren wie Rum oder Zigarren feilbieten. PayPal hat den Händlern ihre Konten gesperrt beziehungsweise „vorübergehend eingeschränkt“, wie der Dienst selbst es nennt. Der Grund: Angeblich verstößt der Verkauf dieser Waren gegen das totale Handelsembargo der USA gegen den Staat Kuba aus dem Jahre 1962. In einem Anschreiben an den Shop Rum Company etwa hieß es: „Auf Ihrer Webseite befinden sich Artikel, die aus dem Land Kuba stammen. Als US-amerikanisches Unternehmen gilt für uns die Sanktionsliste der USA.“

PayPal verlangt nun von den Betreibern, alle kubanischen Waren zu entfernen. Thomas Altmann, Inhaber des Shops Rum&Co, gab gegenüber c’t an, von PayPal nicht vorgewarnt worden zu sein: „Das Konto war einfach gesperrt.“ Schwerer wiegt allerdings, dass PayPal die Accounts eingefroren hat. Die Shopbetreiber haben erklärt bekommen, dass sie erst 180 Tage nach Sperrung an ihre Guthaben kommen – so lange gilt der Käuferschutz für eventuelle Rückabwicklungen. Altmann etwa kann nun nach eigenen Angaben auf mehr als 50 000 Euro nicht zugreifen – sein bei PayPal gelagertes Guthaben.

Die Vorgehensweise PayPals wird in juristischen Kreisen heftig diskutiert. Das Unternehmen beruft sich auf seine Nutzungsrichtlinien, speziell auf die „verbotenen Aktivitäten“. Dort wird angeschlossenen Händlern untersagt, mit ihren Verkäufen „Gesetze, Verordnungen, gesetzliche Dokumente, Bestimmungen, Vorschriften, Regeln oder Bescheide“ zu verletzen. Die Händler stehen auf dem Standpunkt, nicht US-amerikanischem Recht zu unterliegen, wenn sie kubanische Waren an deutsche Kunden verkaufen. Und man habe keinen Account bei PayPal USA, sondern bei der in Luxemburg ansässigen PayPal Europe S.à r.l. & Ci.

Verweigerte PayPal zu Beginn der Probleme noch Stellungnahmen, verteidigte das Unternehmen mittlerweile sein Vorgehen: „Die Sanktionsbestimmungen des OFAC (Office of Foreign Assets Control) bezüglich Kuba gelten für alle Unternehmen mit Sitz in den USA. Alle Unternehmensteile und Tochterunternehmen weltweit unterliegen denselben Bestimmungen wie das Mutterunternehmen. Folglich muss PayPal Händlern, die bei PayPal Luxemburg oder in einem anderen Land registriert sind, in dem PayPal tätig ist, mitteilen, dass kubanische Waren nicht mit PayPal bezahlt werden dürfen.“

PayPal bestreitet, die Händler nicht informiert zu haben: „Wenn Händler gegen die PayPal-Nutzungsrichtlinie verstoßen, nehmen wir Kontakt mit ihnen auf und fordern sie auf, unsere Geschäftsbedingungen einzuhalten.“ Man sehe beim Fall des Shops Rum&Co aber auch, „dass die Kommunikation mit dem Händler nicht optimal gelaufen ist, weshalb wir hier unsere Prozesse noch weiter verbessern wollen.“ Derweil ließ PayPal eine Frist verstreichen, die mehrere Shops zur Öffnung der Accounts gesetzt haben. Gegenüber c’t gab Thomas Altmann von Rum&Co an, dass sich mittlerweile 15 betroffene Shops zusammengetan haben. Weitere juristische Schritte – also Klagen – seien in Vorbereitung.

Die Maßnahmen des Bezahldienstes gegen Angebote deutscher Händler riefen überdies Anonymous, Lulsec und AntiSec auf den Plan. Die Hacker-Gruppierungen haben PayPal ohnehin seit Monaten im Visier, weil der Bezahldienst der Whistleblower-Site Wikileaks die Konten gesperrt hatte. Im Juli folgten Freiheitsstrafen für einige Teilnehmer am Botnetz-Angriff gegen PayPal im Rahmen der Anonymous-Aktion „PayBack“.

Per Twitter riefen die Gruppierungen unter dem Hashtag #OpPayPal zum Boykott von PayPal und zur Schließung vorhandener Accounts auf. Als Grund galten nunmehr auch die genannten Sperrungen deutscher Shopkonten. Wie viele Kunden dem Boykottaufruf folgten, ist unbekannt, laut Anonymous mehr als 35 000. Angeblich soll sogar der Börsenkurs der Konzernmutter eBay in Mitleidenschaft gezogen worden sein, allerdings fiel der Start der Aktion genau in die Börsenturbulenzen Anfang August. (hob)