Chaos Communication Camp: Die Sonne im Herzen

Tag Zwei im verregneten Finowfurt: Resilienz mussten die Hacker gegen eine Flood Attack von oben beweisen, mit dem richtigen Maß Resilience kann Hardware auch den Zusammenbruch der Netze vergessen machen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

In der Parlance der Hacker ist die Sonne der Evil Daystar. Am zweiten Campingtag hielt sich der böse Stern zurück, dafür gab es reichlich Regen: eine Flood Attack in Tröpfchenform. Auch die sonnige Zukunft einer Hackerexistenz in der Galaxie erfuhr einige Eintrübungen, in der Nacht davor, zur besten Hacker-Nachdenkzeit. Wie soll man überleben auf der Erde, mit knappem Strom, einer Geld- und Wirtschaftskrise und dem folglich absehbaren Zusammenbruch von TK-Unternehmen?

Jeder Teilnehmer bekam ein r0ket...

(Bild: heise online/Borchers)

Jeder Dauercamper auf dem Chaos Communication Camp 2011 hat ein r0ket bekommen, eine Platinen-Rakete in Form der Fairy Dust, mit 32 KB Flash-Speicher, einem ARM-Prozessor (NXP ARM Cortex-M3), einem Funkmodul und einer Batterie zum Selbstdranbasteln. Geladen wird der kommunikative Halsschmuck via Micro-USB, sodass ein Supermarkt in Finowfurt mit einem großen Haufen entsprechender Adapter für stolze 7,99 Euro (und mit Autan-Großpackungen) ein ordentliches Geschäft machte.

...das zu verstärkter Nachfrage im lokalen Supermarkt führte.

(Bild: heise online/Borchers)

Hacker seien einfach nicht häufig genug dort, wo der Evil Daystar scheint, erklärte das Team rOket in einem amüsanten Vortrag über die Schwierigkeiten, mal auf die Schnelle aus billigem Material (etwa den monochromen LCD aus der uralten Nokia 1200 Baureihe) ein paar Tausend Stück interaktiver Visitenkarten zu produzieren. Der Preis für kleine Solarmodule, wie sie das auf dem Camp beliebte Ampelmännchen-Lämpchen trägt, war einfach zu hoch.

Auf seine Weise lieferte das r0ket-Team ein Paradestück für das, was der Niederländer Rob Gonggrijp und der Deutsche Frank Rieger (CCC) unter dem etwas sperrigen Titel Transition Telecom präsentierten. Wenn in der Krise die ohnehin pfuschreich aufgesetzten Kommunikationsnetze versagen – ein Vortrag zu GPRS enthüllte, dass etliche GPRS-Netze praktisch ungeschützt sind – dann ist kluges Downsizing das Gebot der Stunde.

"Können wir wirklich den IT-Firmen trauen, die uns den letzten Müll andrehen und nicht auf Langlebigkeit und Nachhaltigkeit setzen?" Resilience, das richtige Maß an Unverwüstlichkeit müsse als Maßstab an alle IT-Systeme angelegt werden. Selbst der Zusammenbruch des Internets ist dann kein Problem: mit robuster Hardware könnten sich, ausgehend von den unverwüstlichen Coffee-Shops mit drahtlos vermaschter eigener Infrastruktur, nach und nach Fernverbindungen, nach und nach neue Netzstrukturen entwickeln. Auch neue Geldformen könnten sich etablieren und ihrerseits neue Gemeinschaften unterstützen.

Resilience Chaos Communication Camp 2011 (3 Bilder)

complexity is the enemy

Rob Gonggrijp und CCC-Vertreter Frank Rieger präsentierten... (Bild: heise online/Borchers)

All das könne nur funktionieren, wenn jeder Hacker seine Geräte aus dem Effeff kennt, die Konfigurationen und Einstellungen ausgedruckt hat und sich auf echte Freunde (in der Nachbarschaft, nicht auf Facebook) verlassen kann. Wenn Energienetze lokal den nötigen Saft produzieren und speichern. Vor allem aber gelte es, Daten sicher und langlebig zu speichern, nicht den Verheißungen der Clouds zu vertrauen: "Ein Alexandria ist genug – Resilience ist die neue Form des Widerstandes." Nachdenkliche Gesichter, viel Beifall und vielleicht ein Grund für Hacker, die Sonne mit anderen Augen zu sehen – auch wenn die offiziellen Camp T-Shirts nur Fairy Dust auf den Flug in fremde Galaxien zeigen. (vbr)