Risikokapitalflucht aus den grünen Branchen

Innovativen Firmen aus dem finanzintensiven Bereich der erneuerbaren Energien droht der Geldhahn zugedreht zu werden. Investoren setzen auf risikoärmere Projekte.

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Von
  • Kevin Bullis

Innovativen Firmen aus dem finanzintensiven Bereich der erneuerbaren Energien droht der Geldhahn zugedreht zu werden. Investoren setzen auf risikoärmere Projekte.

Die neuerlich aufgeflammte Finanzkrise hat die grünen Branchen erfasst: Fast überall auf der Welt kürzen Regierungen Programme zur Unterstützung erneuerbarer Energien. Und die Risikokapitalfirmen, die sich in den letzten Jahren massiv in diesem Bereich tummelten, gehen mit: Sie ändern ihre Investmentstrategie.

Statt großer und risikoreicher Projekte sind nun Ideen gefragt, die schneller profitabel werden, wenn auch mit geringerer Gesamtwirkung. Das Problem: Durch die knapperen Mittel droht besonders innovativen Projekten das Aus, weil sie nicht mehr so leicht kommerzialisiert werden können.

Risikokapitalfirmen setzen traditionell auf Neugründungen, die relativ wenig Kapital brauchen, schnell wachsen und dann an die Börse gehen oder verkauft werden können. Viele Internet-Firmen fallen – trotz aktuell steigender Bewertungen – in diese Kategorie.

In den letzten Jahren begannen viele Finanzfirmen aber auch, stärker in Langzeitprojekte mit hohem Kapitalbedarf zu investieren. Das klappte vor allem deshalb, weil man mit Subventionen seitens des Staates rechnen konnte, der die Branche fördern wollte. So flossen Hunderte Millionen Dollar beispielsweise in Solartechnik-Neugründungen, die erst teure Fabriken aufbauen mussten, um ihre Technik marktreif zu bekommen. Profite kamen, wenn überhaupt, später.

Nun geht es für die Investoren zurück zu den Wurzeln: Dutzende Risikokapitalfirmen beendeten in den letzten Monaten ihre Frühphasenfinanzierung von "Clean Energy"-Start-ups. Wie aus Zahlen des Fachdienstes Dow Jones Venture Source hervorgeht, wandern die Investoren in günstigere Bereiche ab. Da werden dann beispielsweise Energieeffizienz-Firmen gefördert, die Software entwickelt haben, die den Energieverbrauch überwacht und Einsparpotenziale vorschlägt.

Das Geld, das weiterhin in die Solarindustrie fließt, wird nun in Firmen mit kleinerem Finanzbedarf gesteckt. Firmen, die sich auf die Hausinstallation spezialisiert haben, sind ein Beispiel: Im Juni erhielt etwa Solar City gutes Geld aus Googles Risikokapitaltopf. Frische Mittel gibt es auch noch für Unternehmen wie 1366 Technologies und Alta Devices, die Technik entwickeln, die mit fossilen Brennstoffen konkurrieren kann. "Die Firmen, die jetzt erst starten, haben es aber eindeutig schwerer", sagt Sheeraz Haji, Chef des Analysehauses Cleantech Group.

Der Wandel wird durch eine Anzahl Faktoren beflügelt. Da wäre zum einen die Tatsache, dass es schlicht weniger interessante Neugründungen gibt. Die Firmen, die Technik nutzen, die über Jahrzehnte in Labors entwickelt wurden, haben bereits genügend Geld. Großinvestitionen in konventionelle Herstellungsmethoden für Solarzellen sorgen außerdem dafür, dass deren Preise sinken. Das macht es schwer für Neueinsteiger.

Und nun kommt das Beschneiden von Subventionen: Einige Analysten glauben bereits, dass der Sektor der sauberen Energien sein Wachstum nicht halten kann. Deutschland, Italien und Spanien reduzieren Fördergelder, in Amerika läuft das Geld aus dem Konjunkturpaket von 2009 langsam aus. Im nächsten Monat ist die Deadline für ein Programm, das Kreditgarantien im Rahmen von mehreren Milliarden US-Dollar vorsah. Der Topf ist vor allem für solche Firmen wichtig, die Großprojekte nicht mit privaten Investoren stemmen konnten, weil sie riskant sind. Einschnitte bei den Forschungsbudgets tun ihr übriges.

Global gesehen gehen fast sieben Achtel aller Gelder im Bereich der erneuerbaren Energien – darunter auch die Finanzierung von Windparks – an bereits etablierte Technologien. David Victor, Experte für Solar- und Windenergieförderung an der University of California in San Diego ahnt Schlimmes: "Die Innovation im Energiesektor könnte in eine schwere Krise geraten." (bsc)