Alte Apps aufgefrischt

Visual WebGui erlaubt die Verwendung älterer Software über das Internet, ohne dass ihr Programmcode stark verändert werden müsste.

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Von
  • Matthew Kalman

Visual WebGui erlaubt die Verwendung älterer Software über das Internet, ohne dass ihr Programmcode stark verändert werden müsste.

Immer mehr Software lässt sich direkt über das Internet aufrufen: Cloud-Computing-Dienste erlauben Nutzern den Zugriff auf ihre Geschäftsdaten an jedem Ort der Welt, während IT-Abteilungen sich nicht mehr um die Pflege ihrer eigenen Hardware kümmern müssen, weil das der Dienstleister in seinem Rechenzentrum übernimmt.

Ein neuartiges Werkzeug, das Entwicklern erlaubt, bestehende Programme in vollwertige Browser-Apps umzuwandeln, soll Firmen nun dabei helfen, auch bislang als veraltet geltende Business-Anwendungen ins Web zu holen.

Visual WebGui stammt von der israelischen Firma Gizmox und wurde ursprünglich entwickelt, um ältere Software mittels Virtualisierung im Internet bereitzustellen. Dabei laufen auf den Firmenservern im Rechenzentrum zahlreiche Instanzen der veralteten Programme in einer jeweils eigenen Betriebssystem-Oberfläche, auf die dann per Browser zugegriffen wird. Das ist aufseiten des Rechenzentrums allerdings sehr leistungshungrig. Außerdem benötigen Nutzer normalerweise Zusatzprogramme, damit die Darstellung auf dem heimischen Rechner wie gewünscht funktioniert.

Stattdessen setzt Gizmox nun auf moderne Web-Standards wie HTML5, um Software von Banken oder Versicherungen ins Internet-Zeitalter zu holen. Mittlerweile wird das System von Großkonzernen wie SAP, IBM, Visa, Thomson Reuters, Shell, Texas Instruments und Goodyear eingesetzt – bis zu 35.000 portierte Apps sind laut Firmenangaben in Produktion. Im Juni investierte der Remote-Desktop-Spezialist Citrix 2,5 Millionen Dollar in Gizmox.

Technisch operiert Visual WebGui mit Microsofts .Net-Entwicklungsplattform, über die dann der Urcode in eine Web-kompatible Anwendung verwandelt wird. Das bedeutet allerdings auch, dass die Legacy-Software mit Microsoft-Technik erstellt worden sein muss – was wiederum dem Software-Riesen gefällt, der den Gizmox-Service mittlerweile selbst als Werbeargument verwendet.


Navot Peled, Chef des Dienstleisters, erläutert, dass man stets versuche, die Möglichkeiten, die die Nutzer von der Desktop-Software her kennen, ins Web zu holen. "Das gilt für die Funktionsvielfalt ebenso wie für Leistungsfähigkeit und Sicherheit." Dazu habe man sich intensiv mit den Möglichkeiten aktueller Standards wie HTML5 beschäftigt. Das Verfahren selbst nennt Gizmox "Transposition". "Wir können den Code nehmen, der für eine Desktop-Architektur geschrieben wurde, bearbeiten ihn mit eigenen Werkzeugen und erhalten eine Software, die dann auf einem Server im Rechenzentrum ausgeführt werden kann." So entstünden wahlweise einfache Web-Apps, Software für Mobilplattformen oder ein Cloud-Computing-Angebot.

Gizmox betreibt dabei ein ungewöhnliches Geschäftsmodell: Die Firma verlangt 20 US-Cent pro Codezeile, die die proprietären Umwandlungswerkzeuge durchlaufen. Das bislang größte konvertierte Programm hatte immerhin 7,5 Millionen Zeilen.

Die Technologie benötigt laut Gizmox-Angaben nur zehn Prozent der Bandbreite und 50 Prozent der Prozessorleistung anderer Lösungen wie etwa der traditionellen Virtualisierung. Deshalb stünden Visual-WebGui-Apps auch problemlos für Tablets und Smartphones mit ihrer langsameren Chipausstattung bereit. Grundsätzlich könne man fast jede Firmenanwendung nehmen, die mit Microsoft-Werkzeugen geschrieben wurde, und daraus dann eine Web-App machen, heißt es von Gizmox.

Der israelische Risikokapitalinvestor Jonathan Medved glaubt, dass das sowohl für Microsoft als auch für den Remote-Desktop-Spezialisten Citrix von Bedeutung ist. "Alles, was die Leute in der wachsenden Web-App-Welt hält, ist für diese Firmen von strategischer Bedeutung." Ergo: Was früher einmal eine PC-Anwendung war, lebt viele Jahre auf Internet-Servern weiter. (bsc)