Wikipedia als Vorbild der Bibliotheken

Viel Lob anlässlich des Wikipedia-Academy. Wikipedia-Gründer Jimmy Wales nutzte die Tagung für Positionsbestimmung und Ausblick auf die künftige Entwicklung der Online-Enzyklopädie.

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Von
  • Torsten Kleinz

Großes Lob erhielt die Online-Enzyklopädie Wikipedia anlässlich der Tagung Wikipedia-Academy in Göttingen, die gestern zu Ende ging. Professor Elmar Mittler, Direktor der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek, ordnete Wikipedia in die Tradition der Enzyklopädien des 18. Jahrhunderts ein. "Moderne Bibliothekare sehen Wikipedia als Vorbild an", sagte das Vorstandsmitglied des Deutschen Bibliotheksverbandes.

In einem Vortrag in der Göttinger Paulinerkirche ging Wikipedia-Gründer Jimmy Wales auf die jüngste Diskussion um den Charakter der Online-Enzyklopädie ein. Die Wikipedianer seien kein Gruppe, die wie Ameisen an der Enzyklopädie arbeiteten ohne voneinander zu wissen: "Unsere Community ist eine engagierte Gemeinschaft von hunderten Menschen, die sich gegenseitig kennen und die bemüht sind, die Qualität und Integrität ihrer Arbeit zu garantieren", erklärte Wales. Das Gros der Arbeit in der Wikipedia werde nur von einer relativ kleinen Gruppe von Wikipedianern erledigt, gerade die Autoren von hochqualitativen Artikel hielten die Wikipedia am Leben. Der offene Zugang zur Wikipedia sei dennoch wichtig, um neue Autoren zu gewinnen. Wikipedias Erfolg beruhe nicht auf Technik, erklärte Wales - die benötigte Software wie Datenbanken, Webserver und Browser habe schon 1995 existiert. Die freie Enzyklopädie sei vielmehr als soziale Innovation zu verstehen. Die freie Enzyklopädie sei nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einer neuen partizipativen Kultur.

Wales, der auch dem Vorstand von Creative Commons angehört, kritisierte den gegenwärtige Umgang mit dem Urheberrecht. So beschwerten sich Museen, wenn Abbildungen von 400 Jahre alten Gemälden in der Wikipedia auftauchten. "Das ist einfach lächerlich", sagte Wales. Im Gespräch mit heise online verdeutlichte er die Pläne zur Verbesserung der Qualität der Wikipedia-Inhalte. Der nächste Schritt sei es, stabile Artikelversionen einzuführen, die auf Richtigkeit überprüft seien. "Noch wissen wir nicht genau, wie das funktionieren wird". Da sich die deutschsprachige Wikipedia schon heute auf hohem Qualitätsniveau befinde, würde die Einführung stabiler Artikelversionen wahrscheinlich zuerst hier ausprobiert.

Eine andere Herausforderung für die Wikipedia sei die Klärung der Lizenzfrage. Die in der Wikipedia genutzte GNU Free Documentation License ist zum Beispiel nicht mit den freien Creative-Commons-Lizenzen kompatibel. Auch die Nutzung von Wikipedia-Artikeln in Print-Medien ist meist nicht praktikabel, da der komplette Lizenztext mit abgedruckt werden müsste. "Es wird eine überarbeitete Version der GFDL geben" versprach Jimmy Wales in Göttingen. In den wesentlichen Punkten habe man sich schon mit der Free Software Foundation geeinigt. Da die FSF aber derzeit mit der GPLv3 alle Hände voll zu tun habe, rechnet Wales nicht vor Ende dieses Jahres mit ersten konkreten Ergebnissen. Torsten Kleinz (sha)