Advance Conference: Kopieren und Scheitern erlaubt

Branchenkenner plädierten auf der Konferenz Advance in Köln für eine entspanntere Haltung zum Scheitern. Für manche ist das Kopieren von Geschäftsmodellen aus den USA eine akzeptable Geschäftspraxis.

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Von
  • Torsten Kleinz

Großartige Zeiten für deutsche und europäische Startups stehen an – so zumindest lautet das Fazit der Advance Conference in Köln, in der 400 Startups auf 100 Investoren trafen. Um den Rückstand zum Vorbild Silicon Valley aufzuholen, sollen die Europäer aber einige Eigenarten ablegen und eine entspanntere Haltung zum Scheitern einnehmen. Geschäftsmodellen aus den USA zu kopieren ist für manche eine akzeptable Geschäftspraxis.

Zum Kampf gegen das allzu plumpe Abkupfern amerikanischer Unternehmen hatte im August die Berliner Firma "6 Wunderkinder" aufgerufen. Die Berliner Tech-Szene sei in einen Teufelskreislauf geraten: "Die Unternehmer begannen US-Produkte neu zu erschaffen, europäische Investoren finanzierten diese Copycat-Firmen und machten einen Gewinn – und das brachte weitere Unternehmer dazu, genau dasselbe zu tun", heißt es in dem Aufruf. In Köln legte Isaac Wolkerstorfer von "6 Wunderkinder" nach: "Berlin hat inzwischen den Ruf, eine Bande von Fälschern zu sein."

Unterstützt wurde er vom Xing-Gründer und Investor Lars Hinrichs, für den Klonen nur ein anderes Wort für Stehlen ist. Sein eigenes Unternehmen sei keineswegs vom US-Konkurrenten LinkedIn kopiert worden. Xing habe wegen mangelnder Investitionsbereitschaft in Europa viel profitabeler sein müssen, LinkedIn habe sich immer mehr an das Geschäftsmodell von Xing angenähert. Innovative Startup-Unternehmen erhielten zu wenig Aufmerksamkeit in den Medien. Stattdessen ernteten Branchengrößen wie Facebook die Schlagzeilen. Das Cloud Computing habe es einfacher gemacht, innovative Unternehmen zu gründen, da sie schnell und ohne große Investitionen weltweit präsent sein können. In diesem Umfeld Konzepte zu kopieren, sei nicht nachvollziehbar.

"Wir haben gar kein Copycat-Problem", sagte hingegen Patrick Meisberger, Geschäftsführer der Telekom-Tochter T-Venture. Sein Unternehmen habe kein Problem damit, wenn eine Geschäftsidee nicht neu sein. Häufig komme es darauf an, ein in Übersee erfolgreiches Geschäftsmodell an den Markt anzupassen. Die Erfolgschancen seien um so besser, wenn es schon erprobt sei. Allerdings sei das Investmentkapital für europäische Startups noch sehr beschränkt.

Einige wenige erfolgreiche Geschäftsmodelle müssen genügen, um das gesamte Volumen eines Investments zu finanzieren und zudem eine überdurchschnittliche Rendite zu erwirtschaften. "Mindestens 50 Prozent der Investments scheitern, 20 bis 30 Prozent katastrophal", erklärte Paul Jozefak der Hamburger Investment-Firma Neuhaus Partners. Da ein Investment nicht als Erfolg gelte, wenn es nur das investierte Geld wieder einspiele, steige die Misserfolgsquote auf über 80 Prozent.

Während sich viele Venture-Capital-Unternehmen darauf konzentrieren, ihren Startups Programmierer, Büroraum und professionelle Unterstützung bereitzustellen, versuchen einige Medienunternehmen, den Antrieb der Startups zur eigenen Transformation zu nutzen. Pierre Francois Marteau, Vizepräsident der skandinavischen Mediengruppe Schibsted Classified Media, erläuterte: "Unser Online-Publikum ist mittlerweile doppelt so groß wie die Print-Leserschaft." Medienhäuser nutzen ihre Marktmacht, um den zugekauften Startups ein Publikum zu verschaffen – oft genug erfolgreich. Scheitern gehöre aber auch hier zum Geschäft: "2004 haben wir versucht, einen skandinavischen Konkurrenten zu Google aufzubauen und 30 Millionen Euro investiert", erklärte Marteau. "Einen solchen Fehler wollen wir nicht wiederholen." (anw)