EuGH: Exklusivlizenzen für Sport im Pay-TV sind wettbewerbswidrig

Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs dürfen Fußballfans nicht daran gehindert werden, Spiele über ausländische Pay-TV-Programme anzuschauen. Ein Nutzungsverbot für ausländische Smartcards verstoße gegen EU-Wettbewerbsrecht.

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Von
  • Nico Jurran

Auf dieses Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs hatten nicht nur deutsche Fußballfans gehofft: Der EuGH hat in einem heute veröffentlichten Urteil festgestellt, dass territoriale Exklusivitätsvereinbarungen bei der Übertragung von Fußballspielen gegen EU-Recht verstoßen. Die künstlichen Preisunterschiede zwischen den abgeschotteten nationalen Märkten seien mit dem grundsätzlichen Ziel eines einheitlichen Binnenmarkts nicht vereinbar. Entsprechend verstoße ein System exklusiver Lizenzen auch gegen das Wettbewerbsrecht der Union, da die Exklusivität jeglichen Wettbewerb zwischen verschiedenen Rundfunkanstalten im Bereich dieser Dienste ausschalte und so die nationalen Märkte abschotte.

Das ist bislang aber gängige Praxis: So veranstaltet beispielsweise in England die Football Association Premier League (FAPL) die oberste Profi-Fussball-Liga Premier League und räumt TV-Sendern für ihr Gebiet jeweils exklusive Ausstrahlungsrechte ein. So können Fernsehzuschauer nur die Spiele sehen, die von den Sendern in ihrem Land ausgestrahlt werden. Damit diese nationale Abschottung funktioniert, lässt sich die FAPL von den Sendern zusichern, dass die TV-Signale nur verschlüsselt ausgestrahlt und die zur Dekodierung notwendigen Smartcards nicht außerhalb des Landes vertrieben werden, für das die Lizenz erteilt wurde.

Auslöser für das aktuelle EuGH-Verfahren waren zwei Rechtsstreitigkeiten, in denen das exklusive Lizenzsystem von britischen Gastwirten ausgehebelt worden war. Die Pub-Betreiber hatten Decoder und Smartcards eines griechischen Pay-TV-Senders erworben, der die Premier-League-Spiele günstiger anbietet als der offizielle britische Premiere-League-Sender Sky. In der ersten Rechtssache (C-403/08) hatte der britische Fußballverband gegen die betreffenden Gastwirte und die Händler geklagt, die die notwendige Ausrüstung geliefert hatten. In der zweiten Rechtssache (C-429/08) ging es um ein Verfahren gegen die Inhaberin eines Pubs, die in ihrer Gaststätte Spiele der Premier League unter Verwendung einer griechischen Decoderkarte gezeigt hatte. In diesen beiden Rechtssachen hatte der Londoner High Court dem EuGH mehrere Fragen über die Auslegung des Unionsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Der EuGH stellte mit seinem heutigen Urteil nun fest, dass nationale Rechtsvorschriften, die die Einfuhr, den Verkauf und die Verwendung ausländischer Decoderkarten untersagen, gegen den freien Dienstleistungsverkehr verstoßen. Sie seien auch weder damit gerechtfertigt, dass dadurch die Rechte des geistigen Eigentums geschützt werden sollen, noch durch das Ziel, mehr Zuschauer in die Fußballstadien zu locken.

Interessant ist an der Begründung auch, dass der EuGH bereits verneint, dass das Fussballspiel eine eigene geistige Schöpfungen eines Urhebers und damit nicht als "Werk" im Sinne des Urheberrechts der Union sei. Lediglich die Auftaktvideosequenz, die Hymne der Premier League, die zuvor aufgezeichneten Filme über die Höhepunkte aktueller Begegnungen und einige Grafiken könnten als "Werke" angesehen werden und seien damit urheberrechtlich geschützt. Die Fußballspiele selbst seien hingegen keine Werke, die einen solchen Schutz genießen würden.

Es ist laut EuGH jedoch durchaus mit dem Unionsrecht vereinbar, dass nationales Recht Sportereignissen einen vergleichbaren Schutz gewährt. Ein Verbot der Verwendung ausländischer Decoderkarten ginge über das hinaus, was erforderlich ist, um eine angemessene Vergütung der Rechteinhaber zu gewährleisten. Vielmehr könne bei der Berechnung einer solchen durchaus die tatsächliche und potenzielle Einschaltquote sowohl im Sendemitgliedstaat als auch in jedem anderen Mitgliedsstaat, in dem die Sendungen empfangen werden, berücksichtigt werden. Eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union sei somit nicht notwendig.

Für die Zuschauer ist dieses Urteil sicher ein wichtiger Sieg, die britischen Gastwirte sind aber eventuell dennoch nicht aus dem Schneider. So hat das EuGH auch entschieden, dass die in einer Gastwirtschaft stattfindende Übertragung von Sendungen, die diese geschützten Werke enthalten (wie eben die oben angesprochene Auftaktvideosequenz oder die Hymne der Premier League), eine "öffentliche Wiedergabe" im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie darstellt, für die die Zustimmung des Urhebers der Werke erforderlich sei. "Wenn nämlich eine Gastwirtschaft diese Werke an die anwesenden Gäste verbreitet, werden die Werke an ein zusätzliches Publikum übertragen, das von den Urhebern nicht berücksichtigt worden ist, als sie die Sendung ihrer Werke durch den Rundfunk zugestimmt haben", heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

Update:
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) als Organisatior und die Vermarkter des Profifußballs in Deutschland hat mittlerweile eine offizielle Pressemitteilung zur EuGH-Entscheidung herausgegeben. Darin heißt es unter anderem, dass damit "auf europäischer Ebene die von den Rechte-Nachfragern akzeptierte Praxis mit individuellen Rechte-Zuschnitten für unterschiedliche Gebiete trotz zahlreicher Warnungen in Frage gestellt wird." Da sich das Urteil abzeichnete, habe die DFL (gemeinsam mit ihrer Vertriebstochter DFL Sports Enterprises) "Vorkehrungen getroffen, um Auswirkungen sowohl auf die nationalen als auch die internationalen Medienrechte soweit wie möglich einzuschränken." Wie diese Vorkehrungen konkret aussehen, wurde bislang nicht mitgeteilt. (nij)