Staatstrojaner: Bundesinnenminister verteidigt den Einsatz und greift CCC an

Während der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion Hans-Peter Uhl in der Debatte um die aufgedeckte Spionagesoftware vor "Hysterie" warnt, verteidigt Innenminister Hans-Peter Friedrich den Trojaner-Einsatz und kritisiert den CCC scharf.

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Von
  • Reiko Kaps

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verteidigt in der am Sonntag erscheinenden "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" den Einsatz von Trojaner-Software für die Kommunikationsüberwachung sowie die durch die CCC-Analyse aufgedeckte Nachladefunktion: "Wir brauchen diese Nachladefunktion, um uns den normalen Updates auf dem Zielcomputer anpassen zu können."

Friedrich sagte, die Landesbehörden hätten "völlig zu Recht" darauf hingewiesen, "dass sie die Grenzen dessen, was rechtlich zulässig ist, nicht überschritten haben". Zurückhaltend äußerte er sich zur Forderung nach einem TÜV für Trojaner: "Wir haben behördeninterne Kontrollen." Friedrich übte zudem scharfe Kritik am Chaos Computer Club (CCC). Dieser habe "dem Chaos in seinem Namen alle Ehre gemacht". Es seien viele Missverständnisse entstanden.

In der Debatte um staatliche Spionage-Software hat der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), vor Hysterie gewarnt. Es werde der "völlig falsche Eindruck" erweckt, der Staat hacke sich in die Computer seiner 83 Millionen Bürgern ein, sagte der CSU-Politiker der Nachrichtenagentur dpa am Samstag.

Uhl geht davon aus, dass Bund und Länder seit 2009 zusammen etwa 35-mal pro Jahr Trojaner verwendet haben, um verschlüsselte Kommunikation abzugreifen. Damit käme man auf rund 100 Einsätze in drei Jahren. Er räumte aber ein, dass diese Zahl eine Schätzung ist.

Bekannt sei, dass Bundeskriminalamt, Bundesverfassungsschutz und Bundespolizei seit 2009 insgesamt in 25 Fällen Trojaner einsetzten, sagte Uhl. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte diese Zahl am Samstag. Es habe sich hier um Quellen-TKÜ gehandelt, also das Abgreifen von Internet-Telefonaten vor der Verschlüsselung. Nach den Worten von Uhl sind seit 2009 auch 25 Fälle aus Bayern bekannt. Aus den anderen Ländern lägen noch keine offiziellen, konkreten Zahlen vor. Uhl betonte, es gehe bei dem Trojaner-Einsatz um schwere Fälle von Kriminalität. Für den Einsatz gebe es richterliche Beschlüsse.

In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" warf Uhl Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Samstag vor, Polizei und Staatsanwälte seit Jahren im Regen stehen zu lassen: "Wir haben die Ministerin immer wieder darauf hingewiesen, dass die Ermittler beim Einsatz von Spionagesoftware in Strafverfahren in einer gesetzlichen Grauzone arbeiten."

Jedoch sei daran nichts geändert worden. Es sei "zutiefst unfair", wenn Leutheusser-Schnarrenberger jetzt mit dem Finger auf das Bundesinnenministerium zeige. Das Ministerium habe seine Hausaufgaben – für das Bundeskriminalamt – längst gemacht. Nun müsse Leutheusser-Schnarrenberger diese Vorschriften sinngemäß in die bislang lückenhafte Strafprozessordnung übernehmen, sagte Uhl.

Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) hält den Einsatz von legaler Trojaner-Software zur Verbrechensbekämpfung für notwendig. "Es gilt, die Grundrechte immer zu gewährleisten", sagte er der dpa. "Klar ist aber auch: Wir benötigen dieses Instrument der Quellen-Telekommunikationsüberwachung." In Rheinland-Pfalz wurde ein Einsatz der Späh-Software bisher in einem Fall nur vorbereitet, ohne dass Daten abgegriffen wurden.

Der Chaos Computer Club (CCC) hatte am vergangenen Samstag die Version eines Trojaners zum Abhören von verschlüsselten Telefonaten über das Internet heftig angeprangert: Nach den Erkenntnissen des Clubs kann die Software mehr als sie darf und hinterlässt auf dem Computer des Betroffenen gravierende Sicherheitslücken. Die umstrittene Software war auch in Bayern eingesetzt worden. Allerdings hatten Innenminister Joachim Herrmann und Justizministerin Beate Merk (beide CSU) Vorwürfe zurückgewiesen, dass der Einsatz nicht legal gewesen sei.

Im Jahr 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem grundlegenden Urteil ein Grundrecht auf Schutz des persönlichen Computers geschaffen und hohe Hürden für Online-Durchsuchungen – also für die Durchsuchung der Festplatte – gesetzt. Die Quellen-TKÜ wird häufiger angewandt als die äußerst sensible Online-Durchsuchung. Allerdings setzten die Ermittler in beiden Fällen Trojaner ein. Nach einer Umfrage im ZDF-Politikbarometer lehnen 52 Prozent der befragten Bundesbürger die Online-Durchsuchung ab, 43 Prozent sind für diese Maßnahme.

Siehe dazu:

(mit Material von dpa) / (rek)