Facebook-Managerin glaubt nicht an britische Kommunikationssperre

Die europäische Facebook-Geschäftsführerin Joanna Shields ist der Ansicht, dass die britische Regierung von ihren Überlegungen zu einer Blockade des Netzwerks Abstand nimmt. Kritiker warnen derweil vor einem falschen "Kult des Sozialen".

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 85 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Die europäische Facebook-Geschäftsführerin Joanna Shields ist der Ansicht, dass die britische Regierung von ihren Überlegungen zu einer Blockade des Netzwerks Abstand nimmt. "Ich glaube nicht, dass es jemals zu einem solchen Schritt kommen wird", sagte die US-Amerikanerin am Freitag auf der "Wired"-Konferenz in London. Bei dem Ansinnen des britischen Premierminister David Cameron, die Nutzung von sozialen Medien zur Planung gewalttätiger Aktionen unterbinden zu wollen, habe es sich um eine "emotionale Antwort" auf die Revolten an der Themse im August gehandelt. Es sei daher wichtig, die Politik weiter aufzuklären über die Funktionsweise sozialer Netzwerke. Facebook zumindest basiere auf "echten Identitäten" und sei daher kein Werkzeug zur Mobilisierung anonymer Massen.

Joanna Shields, europäische Facebook-Geschäftsführerin, will mit Aufklärung über die Funktion sozialer Netze politischen Widerstand ausräumen.

(Bild: Stefan Krempl)

Aufklärung ist der Ansatz, den Shields auch als Antwort auf Sorgen von Datenschützern auf die massiven Sammlungen personenbezogener Informationen Facebooks und die Verfolgung von Nutzern auch über andere Domains hinweg für nötig und erfolgreich hält. "Jede neue Entwicklung schürt Ängste", betonte die Managerin. Das Unternehmen setze daher auf Transparenz und habe im Laufe eines Lernprozesses etwa den Zugriff auf die Datenschutz-Voreinstellungen für die Nutzer einfacher gemacht. Fakt sei, dass sich die Mitteilungsfreude der Profilinhaber jedes Jahr quantitativ verdoppele und sich der Schwellenwert der Offenheit in der Gesellschaft ändere. Neue Paradigmen würden definiert. Vor zwanzig Jahren habe die Möglichkeit der Übertragung einer Rufnummer bei einem Anruf auch viele Teilnehmer geängstigt. Mittlerweile sei es verdächtig, wenn eine solche Identifizierung nicht erfolge.

Die meisten Berichte über den Informationshunger und möglichen Datenmissbrauch durch Facebook seien falsch, wandte sich Shields zugleich gegen falsche Anschuldigungen in den Medien. "Wir hätten das vorhersehen müssen", meinte die Konzernvertreterin. Nun gehe man daran, die Nutzer mit der Einführung neuer Funktionen wie der umstrittenen "Timeline" vorab vertraut zu machen. Damit könne man die Entwicklung des Charakters und der Persönlichkeit seiner "Freunde" genau verfolgen, warb Shields für die Zeitschiene an Einträgen. Die Beziehungen zu Regierungen seien insgesamt in der Regel gut. Viele nutzten die Plattform schließlich selbst für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit.

Gil Hirsch, Geschäftsführer der auf Gesichtserkennung spezialisierten Firma Face.com, wusste von bislang keinerlei Datenschutzbeschwerden von Nutzern zu berichten. Die Technik des israelischen Unternehmens durchsucht Bilder, die über das eigene Facebook-Profil und Fotoalben von Freunden zugänglich sind. Man wisse, dass dies als "gruselig" eingestuft werden könne, räumte Hirsch ein. Es werde daher eine aktive Einwilligung in die Nutzung des Dienstes verlangt. Die neue Applikation von Face.com, die der Unternehmer in London vorstellte, dürfte die Bedenken von Datenschützern gegen das Vorgehen aber nicht beseitigen: Die zunächst auf Apples iOS zugeschnittene Software "Klik" soll die Echtzeit-Gesichtserkennung über Smartphones und Tablet-Rechner ermöglichen. Hirsch führte vor, wie man mit einem solchen Gerät ein Foto eines anderen Facebook-Nutzers in der Nähe macht und die Anwendung innerhalb von Sekunden den zugehörigen Profilnamen ausspuckte. Informationen über gemeinsame Aktivitäten mit dem so Identifizierten können natürlich anschließend wieder über das Netzwerk mit Dritten geteilt werden.

Andrew Keen warnte auf der Wired-Konferenz vor einem "digitalen Schwindel" und der "falschen Verführung sozialer Netzwerke".

(Bild: Stefan Krempl)

Andrew Keen, Autor des Buchs "Der Kult der Amateure", warnte dagegen vor einem "digitalen Schwindel" und der "falschen Verführung sozialer Netzwerke". Deren Antreiber sei vor allem der Narzissmus ihrer Nutzer. Die damit einhergehende Sichtbarkeit sei aber eine Falle, zitierte Keen den französischen Philosophen Michel Foucault. Wer wie beispielsweise Napster-Gründer Sean Parker und seiner neuen Videochat-Applikation Airtime mit dem Ziel antrete, die "Einsamkeit ausradieren" zu wollen, "untergrabe die menschliche Natur". Keen, der nächstes Jahr ein Werk über den "Kult des Sozialen" herausbringen will, erinnerte auch an vergleichbare Auseinandersetzungen um die Privatsphäre im 18. und 19. Jahrhundert. Damals habe Jeremy Bentham die These vertreten, dass es im allgemeinen Interesse der Menschen wäre, überall beobachtet zu werden. Sein Schüler John Stuart Mill habe im Gegenzug die Ideen der individuellen Freiheit und der Privatsphäre hochgehalten. Diese Grundfragen müssten immer wieder neu entschieden und die sozialen Techniken entsprechend angepasst werden. (ea)