EU-Kommission will Einreisende elektronisch überwachen

Die EU-Grenzen sollen mit einem Ein-/Ausreisesystem nach US-Vorbild und einem Vorzugsprogramm für Vielreisende "intelligenter" gemacht werden. Gegner warnen vor einer "Big-Brother"-Maßnahme.

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Die EU-Kommission will die europäischen Grenzen mit einem Ein-/Ausreisesystem nach US-Vorbild und einem Vorzugsprogramm für Vielreisende "intelligenter" machen. Sie hat dazu am Dienstag eine Mitteilung veröffentlicht, die Optionen für ein "Smart Borders"-Paket darlegt und nach Konsultationen im nächsten Jahr in ein Gesetzgebungsverfahren münden soll. Die EU-Kommission sieht das Vorhaben als Teil eines Gesamtkonzepts zur Stärkung der Verwaltung des Schengen-Raums, der grundsätzlich bereits mit dem Schengener Informationssystem kontrolliert wird.

Das "Entry/Exit-System" soll Zeitpunkt und Ort der Einreise aus Drittstaaten sowie die zulässige Aufenthaltsdauer in einer elektronischen Datenbank speichern und die derzeitige Passabstempelung ersetzen. Damit soll effektiver verhindert werden, dass Personen über die erlaubte Besuchslänge hinaus in EU-Staaten abtauchen. Daher sollen Grenzkontroll- und Einwanderungsbehörden die erfassten personenbezogenen Informationen bekommen. Pate gestanden hat das US-System ESTA, mit dem elektronische Reisebewilligungen erteilt werden. Es gestattet nach einer Online-Anmeldung für EU-Bürger eine visafreie Einreise in die USA für bis zu 90 Tage.

Vielreisende wie Geschäftsleute oder deren Familienangehörige sollen im ergänzenden "Registrierungsprogramm" über automatische Kontrollschleusen in die EU gelangen, nachdem sie sich einer Vorprüfung unterzogen und ihre biometrischen Daten abgegeben haben. So sollen vor allem große Linienmaschinen beschleunigt abgefertigt werden können. Außerdem würde so der Weg bereitet für weitere Investitionen in moderne automatische Kontrollen an wichtigen Grenzübergängen.

Generell hält die EU-Kommission ein moderneres und effizienteres System für unabdingbar, um die Reiseströme an ihren Außengrenzen zu bewältigen. Schätzungen zufolge werde die Zahl der Grenzübertritte von Reisenden und der damit erforderlichen Personenkontrollen an EU-Flughäfen von 400 Millionen im Jahr 2009 bis 2030 auf 720 Millionen ansteigen.

Die Grünen im EU-Parlament sprechen angesichts der Pläne von einer "Big-Brother"-Maßnahme. Die EU versuche, für voraussichtlich mehr als eine Milliarde Euro ein US-Programm zu kopieren, "das wir hier in Europa überhaupt nicht brauchen und das in den USA nicht mal besonders gut funktioniert", meinte die grenzpolitische Sprecherin der Fraktion, Ska Keller. Schon heute müsse jeder, der ein Visum braucht, seine digitalen Fingerabdrücke und einen Gesichts-Scan hinterlegen. Dies sei bereits "zuviel der Erfassung und Bürokratie".

Kellers innenpolitischer Kollege, Jan Philipp Albrecht, warnte vor einem "Einstieg in die Kompletterfassung aller Informationen bei der Ein- und Ausreise". Was als freiwillige Privilegierung von Reisenden getarnt werde, sei nichts anderes als der Ausverkauf grundlegender Datenschutzprinzipien. Wer ohne teure Registrierung und freiwillige Informationsabgabe reise, werde künftig als Risiko eingestuft. (anw)