Treffen der euopäischen Kanban-Community

Am 17. und 18. Oktober 2011 fand in München die erste Lean Kanban Central Europe (LKCE) statt. Rund 200 Besucher erwartete ein abwechslungsreiches Programm aus Kanban-Vorträgen und -Erfahrungsberichten.

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Von
  • Klaus Leopold

Am 17. und 18. Oktober 2011 fand in München die erste Lean Kanban Central Europe (LKCE) statt. Rund 200 Besucher erwartete ein abwechslungsreiches Programm aus Kanban-Vorträgen und -Erfahrungsberichten.

Einen Punkt, den man gleich vorneweg bei der vom Lean Software and Systems Consortium und von it-agile organisierten Konferenz hervorheben muss, ist das positive und offene Klima. Die Kanban-Community zeichnet sich dadurch aus, dass sie keinen Dogmen nachhängt und offen für jede Form von Input ist. Genau das wurde bei der LKCE bewiesen: Die Gespräche der Besucher und Referenten waren ein offener Erfahrungsaustausch über konkrete Themen, die im jeweiligen Kontext gut funktioniert haben oder auch nicht. Es ging demnach nicht um das "Köcheln im eigenen Sud", verbunden mit permanenter Selbstbeweihräucherung, dass man mit Kanban den heiligen Gral der Softwareentwicklung entdeckt habe.

Das spiegelte auch die Wahl der Keynote-Speaker wider, die bis auf den "Vater" virtueller Kanban-Systeme, David J. Anderson, nicht der Kanban-Bewegung zuzurechnen waren und ihr teilweise sogar kritisch gegenüber eingestellt sind. Anderson begründete ihre Einladung damit, dass man von ihnen lernen wolle, was wiederum gut auch als Grundtenor der gesamten Veranstaltung herhalten kann.

So konnten die Organisatoren Kent Beck, einen der Begründer von Extreme Programming (XP), für einen Vortrag gewinnen. Dessen Thema war Weg von langen Auslieferungszyklen hin zu Continuous Deployment sowie die Abstimmung auf Produkt und Organisation. Des Weiteren brachten der "Systemdenker" John Seddon und Stephen Bungay das Auditorium zum Nachdenken über Themen, die zwar scheinbar nur wenig mit Kanban zu tun haben, im Kern aber Perspektiven für die Denkweise von Lean Software Development bieten. Gerade Seddon hat eine durchaus provokante Einstellung zum Thema Lean und Kanban. Er hält Kanban für einen hilfreichen Schritt, fordert aber, anhand aufmerksamer Beobachtungen der Organisation mutig weitreichendere, nicht intuitive Handlungsschritte zu setzen, um IT-Projekte zum Erfolg zu führen. Aus Sicht von Seddon ist das Gelingen fast vollständig vom Management einer Organisation abhängig, nicht von Veränderungen der Arbeitsweise allein. Sich seiner Kritik zu stellen, ist eine der positiven Eigenschaften der Community und beweist deren Offenheit.

Bungays Keynote, die den Abschluss der zwei Tage bildete, ist es Wert, die Veröffentlichung der mitgeschnittenen Konferenz-Sessions in den nächsten Tagen im Auge zu behalten. Mit herrlich trockenem britischen Humor zeigte er, wie sehr die Menschheit beim Thema Menschenführung immer wieder versucht hat, eine "richtige" Lösung zu finden und die gewonnene Erkenntnis dann nicht akzeptiert respektive anwendet, sondern mit der Suche von vorn beginnt. Ein verblüffendes Beispiel einer Bewältigung des Führungsproblems findet man 1864 beim preußischen Militär. Helmuth Karl Bernhard von Moltke hielt nur den Anfang eines Feldzuges für vorausplanbar. Er setzte auf das volle Ausnutzen der vorhandenen technischen Möglichkeiten und gewährte seinen Unterheerführen weitreichende Handlungsfreiheit im Sinne der Erfüllung des Kampfauftrags. Anderer Anwendungsbereich, aber genau dasselbe Problem.

Gut besucht waren darüber hinaus vor allem die Erfahrungsberichte zu Kanban von Unternehmen wie SAP, BBC, Ericsson und, Xing. Die Konferenz lockerten zwischendurch Sessions im ungewöhnlichen, aber beliebten Pecha-Kucha-Format: kurze Talks, in denen 20 Slides für je 20 Sekunden präsentiert werden. Sie enthalten naturgemäß eine eher konzentrierte, informative Aussage und sind in den meisten Fällen mit einem gewissen Augenzwinkern verpackt.

Unterm Strich kann man die LKCE als durchweg gelungenes Event bezeichnen, was nicht unbedingt selbstverständlich ist, wenn eine Konferenz das erste Mal durchgeführt wird. Eine Fortsetzung ist garantiert: Wie es derzeit aussieht, wird die Lean Kanban Central Europe 2012 im Herbst des nächsten Jahres in Wien stattfinden.

Klaus Leopold
ist selbstständiger Trainer und Consultant für die agile Entwicklungsmethode Kanban. Er leitet seit 2003 Software-Teams und IT-Projekte im wirtschaftlichen und universitären Umfeld.
(ane)