Fernabsatzverträge im stationären Handel

Wer den Kunden den Kaufvertrag per Mail zuschickt, verpflichtet sich damit unter Umständen zum Widerrufsrecht. Worauf stationäre Händler achten sollten, erfahren Sie hier.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Wer seinem Kunden einen guten Service anbieten möchte, der hat auch kein Problem damit, ihm Angebot und Auftragsbestätigung per Mail zukommen zu lassen. Das kann sich aber als großer Fehler entpuppen, wie Rechtsanwalt Max-Lion-Keller erklärt.

Bei einem Fernabsatzvertrag denken die meisten von uns nur an den Online- und Versandhandel. Doch auch stationäre Händler können plötzlich vor dem Problem stehen, dass sie ein Widerrufsrecht einräumen müssen. Wie kann ein Händler, der gar keinen Online-Shop betreibt, einen Fernabsatzvertrag mit seinem Kunden abschließen?

Max-Lion Keller ist Rechtsanwalt und Partner der IT-Recht Kanzlei München. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört u.a. die Beratung von Unternehmen beim Aufbau von rechtssicheren Online-Auftritten und Online-Shops, sowie juristisches Risiko- und Vertragsmanagement. Max-Lion Keller ist außerdem Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für mehr Fairness im Internet e.V. – Fair-E-Com und Autor des "Lexikon für das IT-Recht 2009"

Keller: Das geht offenbar ganz einfach: Indem man Kunden im eigenen Ladengeschäft über eine mögliche Anschaffung berät, den Kaufvertrag dann aber später z.B. per e-Mail abschließt; in einem aktuellen Urteil des AG Frankfurt a.M. (06.06.2011, Az. 31 C 2577/10) wurde genau dieser Fall behandelt. Obwohl der Kunde das Ladengeschäft des Händlers besucht hatte und ausgiebig vor Ort beraten wurde, lag ein Fernabsatzgeschäft vor, da der komplette Vertragsschluss (Angebot des Händlers, Annahme des Kunden) später per e-Mail stattfand.

Gilt das in jedem Fall, in dem der Händler dem Kunden Angebot und Auftragsbestätigung per Mail, Fax o.ä. zukommen lässt?

Keller: Zumindest gilt das in allen Fällen, in denen das konkrete Angebot später verschickt wird. In dem aktuellen Urteil wird auf einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem persönlichen Kontakt verwiesen, Zitat:

"Grundgedanke der Fernabsatzrichtline ist, dass der Verbraucher bei einem mit Fernkommunikationsmitteln geschlossenen Vertrag in der Praxis keine Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen […].

Dennoch steht hier nicht entgegen, dass die Kläger vor Vertragsschluss das Ladengeschäft der Beklagten aufsuchten; unabhängig davon, was vor Ort zwischen den Parteien erörtert wurde. Um die §§ 312b ff. BGB auszuschließen ist entscheidend, ob sich der Verbraucher während des Anbahnungskontakts über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Umstände informiert hat und der Vertrag im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesem persönlichen Kontakt zustande gekommen ist
[…]." (AG Frankfurt a.M., 06.06.2011, Az. 31 C 2577/10)

Nach dem Wortlaut dieser Entscheidung liegt ein Fernabsatzvertrag also in der Regel dann vor, wenn kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Beratung und Vertragsschluss besteht. Nimmt man diese Aussage wörtlich, dann begründet jedes nach einer persönlichen Beratung per Telefon, E-Mail etc. erteilte Angebot einen Fernabsatzvertrag, da ja der endgültige Vertragsschluss erst später und unter Abwesenden erfolgt. Das würde selbst dann gelten, wenn der Händler das Angebot noch in Anwesenheit des Kunden verschickt.

Eine reine Auftragsbestätigung für einen bereits in den Verkaufsräumen des Händlers endgültig abgeschlossenen Vertrag ist jedoch unproblematisch; hier gilt das normale Kaufrecht weiter.

Es könnte also durchaus passieren, dass sich Kunden im Laden beraten lassen, den Kauf der Ware oder Dienstleistung zusagen, aber dann auf eine Kommunikation per Mail bestehen, um sich die Vorteile des Widerrufsrechts zu sichern. Wie kann sich der Händler vor Missbrauch schützen, ohne den Service verweigern zu müssen?

Keller: Da wird’s schwierig. Solange dem Kunden in solchen Fällen keine "missbräuchliche" elektronische Kommunikation nachgewiesen werden kann, besteht kein Schutz für die Händler. Hier gilt: My shop is my castle – die einzige Sicherheit ist ein direkter Vertragsschluss unter Anwesenden in den Verkaufsräumen des Händlers.

Auf den kann ein Händler aber kaum bestehen...

Keller: Der einzige Ausweg wäre hier eine Rechtsänderung auf europäischer Ebene. Selbst eine Änderung der nationalen Rechtsprechung würde nicht viel bringen, da das zitierte Urteil nur die konsequente Anwendung der europäischen Fernabsatzrichtlinie widerspiegelt. Die zu ändern würde aber vermutlich Jahre dauern – falls eine solche Änderung überhaupt Zustimmung in Brüssel fände, immerhin hat sich die EU ganz groß den Verbraucherschutz auf die Fahne geschrieben.

Der einzige Ausweg für die Händler bleibt vorerst, sich mit dieser Rechtslage so gut es geht zu arrangieren. Insbesondere sollten in später verschickte Angebote und Auftragsbestätigungen die vom "klassischen" Fernabsatzhandel bekannten Rechtstexte (Widerrufsbelehrung etc.) aufgenommen werden, da das Widerrufsrecht des Kunden so zumindest zeitlich beschränkt wird. (Marzena Sicking) / (map)
(masi)