Heftiger Widerstand gegen neues französisches Urheberrecht

Nach der Verabschiedung der französischen Urheberrechtsnovelle, die eine abgeschwächte DRM-Interoperabilitätsklausel enthält, wollen die Sozialisten Verfassungsbeschwerde einlegen.

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Nach der Verabschiedung der französischen Urheberrechtsnovelle, die eine abgeschwächte DRM-Interoperabilitätsklausel enthält, wollen die Sozialisten Verfassungsbeschwerde einlegen. Auch eine Piratenpartei hat sich gegründet.

Die Verabschiedung der französischen Urheberrechtsnovelle am letzten Sitzungstag der Nationalversammlung vor der Sommerpause hat heftige Reaktionen ausgelöst. Patrick Bloche, Abgeordneter der oppositionellen Sozialisten, spricht von einem "wackeligen, anachronistischen und unverständlichen Text, der nicht an die technologischen Entwicklungen angepasst ist." Die großen Verlierer der über sechs Monate hart umkämpften Reform seien die Bürger ebenso wie Forscher, Erfinder, Autoren und Künstler. Bloche bestätigte, dass seine Partei Verfassungsbeschwerde gegen das neue Urheberrechtsgesetz einlegen werde. Die prinzipiell schon in den nächsten beiden Wochen mögliche Unterzeichung der Novelle durch den französischen Präsidenten könnte sich daher verzögern. Sogar einzelne Abgeordnete der konservativen Regierungspartei UMP hatten dagegen gestimmt.

Auch von zivilgesellschaftlicher Seite hagelt es Kritik. Die in der Auseinandersetzung immer wieder aktiv gewordene Informationskampagne EUCD.info wettert über "das schlimmste Urheberrechtsgesetz in Europa". Es sei sowohl "unakzeptabel als auch nicht durchsetzbar". Das Gesetz sei auf unverhältnismäßig hohen Druck und Drohungen von Lobbygruppen der Unterhaltungsindustrie sowie der proprietären Softwarewirtschaft entstanden, beklagt Christophe Espern, Mitinitiator der Aktivistenvereinigung. Ziel der Reform sei es, Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) in den Markt zu drücken. Damit werde "der Profit einiger weniger erhöht, aber die Freiheit von Millionen von Menschen aufs Spiel gesetzt". Espern zufolge hat "die französische Regierung und die Parlamentsmehrheit die Freiheit der französischen Bürger an Vivendi, Microsoft und Apple verkauft".

Die Schlacht sei verloren, "aber der Krieg ist nicht vorbei", ergänzt Frédéric Couchet von der Free Software Foundation Frankreich, welche EUCD.info ins Leben gerufen hat. Zu einem Zeitpunkt, in dem immer mehr Unternehmen auf freie Software setzen, sei es falsch, diese Entwicklung durch ein unklares und die Verbreitung von Programmen mit offenem Quellcode gefährdendes Gesetz zu behindern.

Vom Beginn einer "Ära der Kriege um die Information" geht mit dem Abnicken der Urheberrechtsreform auch die neu gegründete französische Piratenpartei aus. Im Gegensatz zu ihrer schwedischen Schwester, die bereits über 7000 Mitglieder hat, kann die junge Vereinigung nach eigenen Angaben zwar erst auf 150 aktive Unterstützer bauen. Bis zu den Präsidentschaftswahlen im Mai 2007 hoffen die Gründer der Partei aber, mindestens 12000 Personen mittelbar zu erreichen. Die Forderungen der politischen Gruppe sind recht radikal: Sie fordert nicht nur eine Abschaffung des Urheberrechts, sondern letztlich einen kostenlosen Internetzugang. Zudem will sie das Recht auf die anonyme Nutzung von Informationstechnologien und den freien Informationsfluss gestärkt sehen. Aktuell ruft die Partei zum "digitalen Widerstand" gegen das erlassene Gesetz auf. Dieses habe deutlich gemacht, dass die Interessen der Internetnutzer sich grundlegend von denen der "versteckten Mächte unterscheiden, die dieses Land beherrschen".

Urheberrechtsvereinigungen wie die Filmproduzenten und -autorenvertretung ARP oder die Verwertungsgesellschaft SACD zeigten sich dagegen am Freitag erleichtert darüber, dass das neue Urheberrecht endlich in trockenen Tüchern ist. Die europäische Lobby-Abteilung der US-amerikanischen Branchenvereinigung CompTIA lobte, dass der Vermittlungsausschuss zwischen Parlament und Senat "die Kernelemente der ersten Entwürfe abgeschwächt hat." Das französische Urheberrecht sei so "marktorientierter" geworden.

Ursprünglich hatten sich die Abgeordneten für die Einführung einer "Kulturflatrate" zur Legalisierung des Austauschs auch geschützter Werke in P2P-Netzen stark gemacht, ihre Haltung mit der Mehrheit der konservativen Regierungspartei aber revidiert. Das Vermittlungskomitee nahm fern der vom Parlament verabschiedete Interoperabilitätsklausel für DRM die größten Spitzen. Nutzern sollte es ursprünglich möglich sein, gekaufte digitale Werke notfalls in andere Formate übertragen und nicht nur auf proprietären Playern abspielen zu können. Im Prinzip geht es um die Herausgabe von technischen Informationen, die für das nahtlose Zusammenspiel verschiedener Systeme und Abspielgeräte erforderlich sind.

Laut dem abgenickten Gesetzestext soll eine neu einzurichtende, mit Vertretern der Regierung und mehrerer Interessensgruppen besetzte Kommission über die Schnittstellen- und Formatinformationen wachen. Konsumenten oder Verbraucherschutzverbände können nicht mehr direkt bei der geplanten Kontrollinstanz vorsprechen, sondern nur Unternehmen und ihren Lobby-Gruppen. Dazu kommt eine vom Senat eingefügte Hintertür für die Rechtehalter und DRM-Produzenten: Diese müssen ihre proprietären Verschlüsselungsformate nicht herausrücken, wenn sich Urheber oder Verwerter mit den Anbietern von Musikplattformen über den DRM-Einsatz einig sind.

Für Rechtsunsicherheiten in der Praxis dürfte zudem ein besonders umstrittener Artikel im Gesetz sorgen. Demnach wird mit bis zu drei Jahren Haft und Geldstrafe von bis zu 300.000 Euro belegt, wer "wissentlich" und öffentlich Software verbreitet, die "offensichtlich darauf ausgerichtet ist", den unautorisierten Zugang zu geschützten Werken oder anderen Objekten zu gestatten. Open-Source-Anbieter fürchten, dass Basisprogramme aus der freien Softwarewelt unter dieses Verbot fallen. (Stefan Krempl) / (atr)