Was sich Autos zu sagen haben

Durch Kommunikation von Auto zu Auto oder zwischen Auto und Infrastruktur soll der Verkehr sicherer, sauberer und flüssiger werden.

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  • Denis Dilba

Durch Kommunikation von Auto zu Auto oder zwischen Auto und Infrastruktur soll der Verkehr sicherer, sauberer und flüssiger werden.

Wer gerade mehr kommuniziere, seine Testfahrzeuge oder er selbst, sei gar nicht so einfach zu beantworten, sagt Christian Weiß, Leiter des Projektes "Sichere Intelligente Mobilität – Testfeld Deutschland" (simTD). Der weltweit größte Feldversuch zur sogenannten Car-to-Car- beziehungsweise Car-to-Infrastruc-ture-Kommunikation befindet sich derzeit nämlich in einer heißen Phase. Sage und schreibe 18 Projektpartner, darunter große deutsche Automobilhersteller, die Zulieferer Bosch und Continental, die Deutsche Telekom, mehrere Forschungseinrichtungen und Universitäten sowie drei verschiedene Bundesministerien gilt es zu informieren und zu koordinieren. Deshalb kommt der bei Daimler im Bereich Group Research und Advanced Engineering tätige Nachrichtentechniker Weiß aus dem Konferieren, Telefonieren und E-Mail-Schreiben kaum heraus.

Rund 120 Fahrzeuge, die untereinander und mit ihrer Umgebung Informationen per Mobilfunk und WLAN austauschen, sollen sich, so der Plan, ab März 2012 auf Autobahnen und Landstraßen in und um Frankfurt erstmals im alltagsnahen Betrieb beweisen. Damit übertrifft simTD Vorgängerprojekte um ein Vielfaches: Bislang tauschten – überwiegend nur auf abgesteckten Teststrecken – kaum mehr als zehn Fahrzeuge Informationen aus. Nun wird eine ganze Flotte zum Reden gebracht. Die plaudernden Autos warnen einander vor Gefahren wie Stauenden, Glatteis oder liegen gebliebenen Fahrzeugen. Das Besondere daran: Die Daten werden nicht erst zeitaufwendig zentral gesammelt und danach, etwa über den Verkehrsfunk, weiterverbreitet, sondern direkt von Fahrzeug zu Fahrzeug gefunkt. Damit werde die Fahrsicherheit "signifikant" erhöht, heißt es auf der simTD-Homepage.

Bisherige Projekte wie "Network on Wheels", "FleetNet" oder "Cooperative Cars eXtended" (CoCarX) haben mit wenigen Fahrzeugen bereits gezeigt, dass Automobile per Funktechnologie grundsätzlich miteinander kommunizieren können – ebenso wie mit intelligenten Ampeln, Straßenschildern oder sogenannten Road Side Units (RSU), die Informationen zum Verkehr zwischenspeichern und weitergeben. "Mit dem simTD-Großprojekt wagen wir nun den Schritt ins echte Leben", sagt Weiß. Dabei sollen auch Probleme aufgedeckt werden, die man bei bisherigen Versuchen mangels Masse nicht entdeckt hat.

"Wenn man eine vierspurige Autobahn hat mit Hunderten Fahrzeugen im Stau, die gleichzeitig funken, muss die Kommunikation auch unter Hochlast gesichert sein. Skalierbarkeit ist hier das A und O", so der Nachrichtentechniker. Außerdem werden die Wissenschaftler untersuchen, wie die Testfahrer – erstmals keine Ingenieure – die Informationen konkret umsetzen und welchen Nutzen dies für das Gesamtsystem bringt.

Die Technik im einzelnen Wagen ist bereits beherrsch-bar. "Man benötigt ein Kommunikationsmodul, eine Antenne, einen GPS-Sensor, ein Display als Informationsanzeige und eine Recheneinheit", sagt Christian Ress, Experte für Fahrzeugkommunikation am Ford Forschungszentrum in Aachen. Die Recheneinheit müsse dann an den internen Datenbus des Autos angebunden sein, um die Sensorinformationen über den jeweiligen Fahrzustand auszulesen. Um Stauverläufe zu analysieren und gegebenenfalls Alternativrouten vorzuschlagen, seien etwa das GPS-Signal, die mittlere Geschwindigkeit und Raddrehzahlen interessant. Für eine Starkregenwarnung werden die Temperatur und das Wischersignal herangezogen, und ein Glatteisalarm stützt sich vor allem auf ABS- und ESP-Signale. Was das gesamte Paket in der Serienproduktion koste, will Ress nicht konkretisieren – es sei aber "erschwinglich".

In dem Kommunikationsmodul, einem sogenannten hybriden System, arbeiten der eigens für Fahrzeugkommunikation entwickelte WLAN-Standard 802.11p und die Mobilfunktechnologie UMTS zusammen. "Über WLAN wird eine Art Ad-hoc-Netz aufgebaut", sagt Karl-Ernst Steinberg, Leiter der Abteilung IT-Drive bei der BMW Forschung und Technik GmbH in München. Anders als beim Mobilfunk mit einer vermittelnden Infrastruktur-Zentrale tauschen zwei Fahrzeuge über diese Verbindung sofort synchron ihre Informationen aus. Die Laufzeiten über das Auto-WLAN sind mit weniger als 50 Millisekunden deutlich kürzer als Mobilfunksignale. "Das ist etwa bei einem Unfall, der nur einige Hundert Meter voraus geschieht, sehr wichtig", so der BMW-Mann. Stabil sei die WLAN-Verbindung derzeit jedoch nur über eine Entfernung von 500 Metern, räumt Steinberg ein. Bei größeren Distanzen setzt die Multihopping-Technik ein: Die Funkmeldung springt entweder zu einer RSU, die sie dann an ein nachfolgendes Fahrzeug auf derselben Spur weitergibt, oder zu einem Auto im Gegenverkehr. Dieses kommuniziert die Nachricht dann wieder an das nächste entgegenkommende Auto.

UMTS sieht Steinberg mit Signallaufzeiten von bis zu einer halben Sekunde eher "für Serviceanwendungen, die etwas Zeit haben. Etwa die Warnung vor einem mehrere Kilometer entfernten Stauende". Sie funktionieren ähnlich wie die bekannte Floating-Car-Data-Technik, die Handys zur Ortung nutzt. Das hybride simTD-System bietet somit erstmals Informationen zur Sicherheit und zu Straßenverhältnissen in einem Gesamtpaket.

Car-to-X dient seinen Nutzern naturgegeben erst dann, wenn genügend ausgestattete Fahrzeuge – etwa 10 bis 15 Prozent – unterwegs sind. Die Markteinführung sehen Experten deshalb erst rund um das Jahr 2017. Als Kaufanreiz könnten, so Bruno Praunsmändel, Elektronikexperte bei Opel, zunächst Mobilfunkservices dienen, die ohne aufwendige Technik am Straßenrand auskommen. Als ein Beispiel nennt er Anwendungen, die Platzreservierungen in Parkhäusern ermöglichen. Da auch WLAN in dem Hybridsystem enthalten ist, würde es so allmählich verbreitet. Mit wachsender Zahl der Car-to-X-Mobile könne das System dann schließlich sein volles Potenzial entfalten.

Die Finanzierung der Infrastruktur für Car-to-X ist damit jedoch nicht gelöst. Praunsmändel sieht hier Public-Private-Partnership-Ansätze als einen guten Weg. Doch schon heute ist das Straßenwesen chronisch unterfinanziert und der öffentliche Sektor heillos überfordert. Das Bundesverkehrsministerium jedenfalls verweist auf die Frage nach möglichen Finanzspritzen nur darauf, erst die Ergebnisse von simTD abzuwarten.

Um auch dem Datenschutz gerecht zu werden, kommunizieren die Autos unter wechselnden Pseudonymen, die ihnen nicht mehr zugeordnet werden können. Die Technologie dafür stehe grundsätzlich bereit, er sehe die Wahrung des Datenschutzes als lösbar an, sagt Jan-Peter Stotz vom Fraunhofer SIT in Darmstadt, das die Sicherheit solcher Systeme untersucht. Aber Christian Weiß von Daimler ahnt, dass er es hier seinen Testfahrzeugen wieder gleichtun muss: "Da hilft nur gute Kommunikation." (bsc)