"Open-Data"-Projekte beflügeln "Smart-City"-Experimente

Auf dem Smart City World Congress plädierten Experten dafür, Daten der Verwaltung frei verfügbar zu machen. Das seit wichtig, wenn Städte vernetzt und neue Dienste entwickelt werden sollen.

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Frei verfügbare Daten der Verwaltung könnten ein Grundbaustein für die Vernetzung von Städten und die Entwicklung neuer Dienste sein. Das sagten Experten auf dem Smart City World Congress in Barcelona. "Open-Data-Projekte sind ein entscheidender Schritt", konstatierte Bruno Berthon, Nachhaltigkeitsdirektor beim Beratungs- und Dienstleistungskonzern Accenture, am Dienstag zum Beginn der dreitägigen Konferenz. Mit ihnen könnten auf Informations- und Kommunikationstechnik basierende Ansätze zusammengeführt und die Intelligenz der Masse ("Crowd Sourcing") eingesetzt werden, um die besten Lösungen auszuwählen.

Das Fahrradleihsystem velib in Paris habe erst richtig abgehoben, nachdem die personenbezogenen Informationen von Dauerkarten für den öffentlichen Nahverkehr als Identifizierungsmerkmale freigegeben worden seien, sagte Berthon. In den USA werde das dortige Open-Data-Portal verwendet, um den Energieverbrauch in einzelnen Staaten abzugleichen.

Volker Buscher von der Beratungsfirma Arup ergänzte, die Debatte über offene staatliche Daten habe die Arbeit an "Smart Cities" beflügelt. Open Data ermögliche es, viele Akteure einzubinden. Die intelligente Stadt lasse sich "nicht über einen einzelnen Outsourcing-Vertrag an einen IT-Konzern" verwirklichen. Die "Smart Cities" müssten laut Buscher dem Steuerungsmodell des Internets folgen und dabei die Interessen aller Beteiligten berücksichtigen.

Bislang haben erst wenige Städte wie Barcelona oder San Francisco eine Strategie für den Komplex "Smart City" entwickelt und Verantwortliche dafür benannt, sagte Buscher. Es gebe zwar viele Einzelprojekte wie Echtzeitinformationen zu Fahrten von Bussen, zur Steuerung von Verkehrsflüssen oder um freie Parkplätze zu kennzeichnen. Infrastruktursysteme wie Wasserwerke, Energiezufuhr oder Verkehr würden noch zu stark als proprietäre "Inseln" angesehen und betrieben, meinte Donald Clark vom IT-Haus Invensys. Daten würden kaum horizontal ausgetauscht, es sei nicht möglich, zentral zu steuern.

"Heute sind die meisten Protokolle in einem urbanen Zentrum nicht interoperabel", sagte Jordi Botifoll von Cisco Systems. Es müsse also ein "Städte-Operationssystem" auf Basis des Internetprotokolls geben, das kommunalen Dienstleistungen neue Möglichkeiten für Produktivität, Wachstum und Innovationen eröffne. So könnten Daten verschiedener Verwaltungsstellen integriert, besser kooperiert und doppelte Arbeitsabläufe vermieden werden.

Die über Jahrhunderte hinweg gewachsenen europäischen Städte konkurrierten dabei verstärkt mit Metropolen in den Entwicklungsländern. Bis 2025 entstünden rund 100 neue Millionenstädte, die ganz anders gesteuert werden müssten. Botifoll begrüßte daher das von der EU unterstützte iCity-Projekt, in dem Städte wie London, Genf oder Bologna unter der Ägide Barcelonas an offenen Applikationen fürs Städtemanagement arbeiteten.

Mittelfristig werde jede Stadt "ein Knoten im Netzwerk", meinte Carlo Ratti, Leiter des "Senseable City"-Labors am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Mit dem damit verknüpften "Internet der Dinge" erfülle sich der Wunschtraum Michelangelos, "dass Umgebungen mit uns zu sprechen beginnen". Für das MIT stehe derzeit die Datenanalytik im Vordergrund. So habe man in Experimenten Echtzeitinformationen über Telefonate, den Verbleib ausgemusterter Computer mithilfe aktiver Funkchips oder die Verbreitung von Alltagsgegenständen gesammelt und werte sie nun aus, um menschliche Netzwerke besser zu verstehen. Dabei sei auch herausgekommen, dass mit Tags und Kamerafunktionen versehene Rechner, die aus dem Labor gestohlen wurden, in einer Werkstatt für Autoalarmanlagen in der Nachbarschaft des MIT wieder aufgetaucht seien.

Ratti kündigte für nächstes Jahr ein mit der Stadtverwaltung in Kopenhagen vorangetriebenes "Copenhagen Wheel" an. Dieses stelle die etwa beim Bremsen entwickelte Energie über einen Elektromotor im hinteren Reifen dem Fahrer wieder zur Beschleunigung zur Verfügung und sei mit einem Smartphone verknüpft. Die zugehörige App könne nicht nur Daten zu Verkehrsbehinderungen liefern, sondern verfüge auch über ein "Meilenbonus-System".

Den indischen Ansatz zur IT-Stadt stellte Ashwin Mahesh vom Mapunity Lab in Bangalore vor. Da die kommunalen Regierungen in seinem Land in einen "Wettbewerb in Ineffizienz" verstrickt seien, habe sein Institut einfach Standortdaten von Mobilfunkanbietern und GPS-Systemen der örtlichen Verkehrssysteme sowie Informationen aus Kameras der Polizei zur Verkehrsüberwachung in ein Transportinformationssystem zusammengebracht. Herausgekommen sei Indiens erstes Verkehrsmanagementzentrum, über das öffentliche Busse verfolgt, Fahrpläne abgefragt, aber auch Verkehrsdelikte automatisch bestraft werden könnten. Unter dem Stichwort "Technagara" arbeitet Mapunity laut Mahesh nun an spezifischen Portalen und Steuerplattformen für verschiedene Verwaltungseinheiten. Darüber würden etwa Formulare, Öffnungszeiten, Budgets und Beschwerdemöglichkeiten zugänglich gemacht. Die Einrichtung entwickle derartiges für 60 indische Städte und will dies auch für ausländische Kommunen künftig anbieten. (anw)