EU-Parlament verurteilt internationale Finanzdatenüberwachung durch die USA

Die EU-Abgeordneten kritisieren die Bespitzelung des internationalen Finanzdatennetzes SWIFT durch US-Behörden, während Privacy International Beschwerde bei Datenschutzbeauftragten in 33 Ländern eingereicht hat.

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Das EU-Parlament hat am heutigen Donnerstag eine Resolution verabschiedet, in der es die Überwachung des internationalen Finanzdatennetzes SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) durch die US-Regierung scharf verurteilt. Die von der Betreibergesellschaft zur Verfügung gestellten Daten haben es laut der Entschließung möglich gemacht, "Informationen über die ökonomischen Aktivitäten von Individuen und Ländern zu erhalten". Dies könne "umfangreichen Formen der Wirtschafts- und Industriespionage Vorschub leisten", warnen die Abgeordneten. Sie machen sich zugleich für eine Evaluierung aller Brüsseler Anti-Terrormaßnahmen stark. Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) wollte sich der Gemeinsamen Resolution von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen nicht anschließen.

In dem Beschluss werden die EU-Kommission, der EU-Rat und die Europäische Zentralbank (EZB) aufgefordert, ihr Wissen und ihre eventuelle Rolle in dem Fall aufzuklären. Die Parlamentarier bitten zudem den Europäischen Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx zu prüfen, inwiefern die EZB die schweren Verletzungen der Privatsphäre auch der europäischen Öffentlichkeit unter den Teppich kehrte. Die Affäre verweist den Abgeordnen zufolge generell auf ein "Klima des abnehmenden Respekts vor der Privatsphäre und vor dem Datenschutz". Geheimoperationen fremder Nationen auf EU-Gebiet, die in Grundrechte der EU-Bürger eingreifen, lehnen sie insgesamt ab. Zugleich drängen sie auf die Verabschiedung von Regulierungsmaßnahmen für den Transfer persönlicher Daten weltweit. Bislang würden davon weder nationale Regierungen noch die betroffenen Bürger in Kenntnis gesetzt.

US-Medien hatten Ende Juni berichtet, dass das US-aFinanzministerium und der Geheimdienst CIA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 Zugriffsmöglichkeiten auf SWIFT-Daten erhalten haben. Über das Netz tauschen rund 8000 Banken, Brokerhäuser, Börsen und andere Finanzinstitute weltweit Nachrichten zu Finanztransaktionen aus. Pro Tag werden über SWIFT verschlüsselt mehrere Millionen Informationen über Kundenüberweisungen, Bank-zu-Bank-Zahlungen, Wertpapier- und Devisenhandelsgeschäfte oder Reisescheck-Einlösungen mit einem Gesamtvolumen von rund fünf Billionen Euro ausgetauscht.

"Bis heute ist noch nicht geklärt, wer, wann, was und wieviel über diesen heimlichen Einblick in die internationalen Bankverkehrsdaten von europäischen Bürgern wusste", empört sich der innenpolitische Sprecher der Liberalen im EU-Parlament, Alexander Alvaro, über die Beschnüffelungsaffäre. Es sei mehr als bedenklich, wenn es tatsächlich so einfach sein sollte, Bankgeheimnis und Datenschutz zu umgehen. Natürlich dürfe ein Verdacht auf Finanzierung von terroristischen Aktivitäten nicht ignoriert werden. Die heikle SWIFT-Angelegenheit wirft laut dem FDP-Politiker aber "gerade mit Blick auf das Verhalten der Europäischen Zentralbank erneut die Frage auf, inwiefern der Kampf gegen den Terrorismus aus dem Ruder läuft". Dem EU-Parlament komme hier angesichts der "Vogel-Strauß-Politik" der anderen Brüsseler Institutionen eine unverzichtbare Kontrollfunktion zu.

Bereits vor der Beschwerde der Abgeordneten startete Privacy International eine Kampagne, um die "unrechtmäßigen" Aktivitäten zum Ausspähen der Daten im SWIFT-Netz zu stoppen. Die zivilgesellschaftliche Organisation beklagt in einem Schreiben (PDF-Datei) an Datenschutzbeauftragte in 33 Ländern, dass die Überwachung des wichtigen Informationsnetzes durch die USA ohne gesetzliche Grundlage erfolge. Die Datenschutzvereinigung hofft, dass die jeweils angeschriebenen Hüter der Privatsphäre in den EU-Mitgliedsstaaten sowie in Ländern wie Australien, Kanada oder der Schweiz tätig werden und sich "sofort" gegen den "massenhaften Transfer von Daten aus dem SWIFT-Hauptquartier in Belgien in die USA" aussprechen. Bisher haben nur belgische Behörden eine Untersuchung des Falls angekündigt.

Laut Privacy International verstoßen die Überwachungsmaßnahme gegen Datenschutzbestimmungen in Ländern, in denen sich Finanzhäuser SWIFT angeschlossen haben, und sind rechtlich in keiner Weise legitimiert. Die Organisation moniert, dass bisher weder die US-Regierung noch die SWIFT-Betreibergesellschaft Details über das Ausmaß der zur Verfügung gestellten Daten mitgeteilt haben. Bekannt sei nur aufgrund einer Bestätigung aus dem Büro des belgischen Premierministers, dass die SWIFT-Genossenschaft "breite verwaltungsrechtliche und mit Strafandrohungen bewehrte Aufforderungen zur Überstellung von Millionen von Dateneinträgen" von der US-Regierung erhielt.

In der Beschwerde zeigt sich die Datenschutzvereinigung besorgt, dass diese Daten von den US-Behörden für eine ganze Reihe von Maßnahmen genutzt werden können, die nichts mit dem eigentlichen Ziel der Terrorismusbekämpfung zu tun haben. Allein das Ausmaß der Operation deute daraufhin, dass es sich eher um einen "Fischzug" durch die sensiblen Finanzdaten handle als um eine rechtlich autorisierte Untersuchung.

Die Überwachung der SWIFT-Datenbanken wirft laut Privacy International auch Fragen im Hinblick auf die Einhaltung des US-Rechts ein. Die Regierung in Washington hat nach Ansicht der Datenschützer das Programm so hingedreht, dass die Datenschutzgesetze für Finanzinstitute im eigenen Land umgangen werden können. So würden etwa nicht Banken oder Kredithäuser direkt in den USA um Informationen ersucht, sondern die als Mittelmann fungierende Institution außerhalb des Landes. Dies verstoße aber gegen die Absicht des Gesetzgebers zum Schutz der Finanzdaten der US-Bürger. Zudem habe in den USA oder auch in Belgien keine gerichtliche Überprüfung der SWIFT-Überwachung stattgefunden.

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(Stefan Krempl) / (jk)