Wettervorhersage für Kaufentscheidungen

Japanische Physiker haben ein neues Prognosemodell entwickelt, mit dem sich vorhersagen lässt, wie viele Menschen ein beworbenes Produkt kaufen könnten.

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  • Kentucky FC

Japanische Physiker haben ein neues Prognosemodell entwickelt, mit dem sich vorhersagen lässt, wie viele Menschen ein beworbenes Produkt kaufen könnten.

Soziale Netzwerke werden zunehmend interessant für Marktforscher: Sie bieten die Möglichkeit, nach Verhaltensmustern von Nutzergruppen zu suchen, mit denen sich Ereignisse in der realen Welt vorhersagen lassen. Die Prämisse: Die Stimmung auf Twitter, Facebook und Co. beeinflusst Börsentrends ebenso wie Umsätze an der Kinokasse.

Doch eine detaillierte Theorie, wie Kauf- und Entscheidungsverhalten durch Kräfte wie Mundpropaganda und andere soziale Empfehlungsrituale im Internet oder auch nur fein abgestimmte Werbekampagnen beeinflusst werden, fehlte bislang. Forscher an der japanischen Tottori University haben nun eine Studie veröffentlicht, die ein solches Modell vorschlägt.

Der Physiker Akira Ishii und seine Kollegen verwendeten dabei Ideen aus der statistischen Mechanik, um das Verhalten von Menschen zu modellieren. Dabei entstanden detaillierte Formeln, die es erlauben sollen, die Anzahl der Personen vorherzusagen, die nach Signalen in Werbung und Internet einen Film ansehen oder eine Kunstausstellung besuchen.

Dabei werden einzelne Menschen wie Atome dargestellt, die miteinander über drei verschiedene Kräfte interagieren. Die erste Kraft ist Werbung, die Ishii und sein Team als eine Art externe Grundkraft wahrnehmen, die wie ein Magnetfeld arbeitet. Kraft Nummer zwei ist der Mundpropaganda-Effekt, den die Forscher wie eine Interaktion zwischen zwei Körpern modellierten. Schließlich definieren sie Gerüchte als Interaktion zwischen drei Körpern. Definiert durch all diese Kräfte lassen die Forscher die Atome dann "laufen" – und schauen, was passiert.

Ein Grundproblem dabei war die Frage, wie man ein solches Modell kalibrieren soll. Darin unterscheidet sich der Ansatz der japanischen Forscher von dem vieler anderer: Sie verwenden echte Daten einer Kunstausstellung in Sakaiminato, einem relativ abgelegenen Ort in Japan. Erfasst wurde eine tägliche Übersicht der getätigten Werbeausgaben durch das örtliche Touristenbüro, die Zahl täglicher Besucher der Ausstellung und eine Statistik, wie viele Blog-Postings und Social-Media-Interaktionen zum Thema erfolgten und wie hoch deren Frequenz war.

Mit diesen Zahlen konnte dann wiederum das Modell gefüttert werden. So ließ sich die Zahl der Besucher in naher Zukunft vorhersagen – und zwar allein aus den Werbeausgaben und der Zahl der Menschen, die in der Vergangenheit die Ausstellung besucht hatten. Auch eine Zunahme an Internet-Interaktionen zum Thema ließ sich voraussagen, also z.B. ein Spike bei den Blog-Postings. Das Ergebnis ist eine Art Wettervorhersage für Ausstellungsbesucher.

Schon seit mehr als einem Jahrhundert versuchen Forscher, solche Modelle zu entwickeln. Ernsthafte Vorhersagekraft hatten nur wenige. Entsprechend interessant sind nun die Ergebnisse von Ishii & Co. – allerdings ist noch ungeklärt, ob sich die Methode auch auf andere Bereiche anwenden lässt. Spannend ist jedenfalls, dass das Modell schon mit einer recht geringen Datenbasis zu funktionieren scheint.

Das Forscherteam der Tottori University glaubt, dass sein Verfahren mit jedem Produkt funktionieren könnte, bei dem Werbung bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle spielt. Das hat im Versuch bereits mit Kinofilmen funktioniert. Unklar ist bislang noch, ob sich das Modell auf andere Kulturkreise übertragen lässt. Die japanische Gesellschaft gilt als vergleichsweise homogen. (bsc)