Ungleiches Rennen

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Von
  • Herbert Braun

Ungleiches Rennen

Drei Jahre nach der Erstveröffentlichung von Chrome scheint Google auf dem Weg, die Nummer eins auf dem Browsermarkt zu werden. Manchen Statistiken zufolge hat Chrome Firefox bereits überholt, und der Abstieg des Internet Explorer schreitet ungebremst fort. Geschickt vermarktet Google den Browser als schlank (also mit wenigen Bedienelementen) und schnell - ein Claim, den er in der Realität nicht immer einlöst.

Wirklich schnell ist Chrome jedoch bei seinem Entwicklungstempo. Alle paar Wochen zaubern die Entwickler eine neue Idee aus dem Hut. Gestern sollte eine neue Sprache JavaScript ersetzen, heute führt der Browser nativen C-Code aus, morgen unterstützt er Spiele-Hardware. So großartig dieser Innovationsgeist ist: Womit Google hier spielt, ist das zentrale Informationsmedium unserer Zeit. Das aberwitzige Tempo dieses Feldversuchs fragmentiert das offene Web - und dabei geht es nicht nur um veraltete Browser.

Denn diese rasende Entwicklung ist Googles Strategie zur Verdrängung der Konkurrenz, es ist seine Variante des alten "Embrace, Extend, Extinguish" von Microsoft. Stellen Sie sich kurz vor, dass Google gewinnt und Chrome in drei Jahren einen Marktanteil von 90 Prozent hat, so wie der Internet Explorer zu seinen besten Zeiten. Dann noch mit Firefox oder Internet Explorer durchs Netz zu surfen, wäre sicherlich kein Vergnügen.

Einen Vorgeschmack davon bekommt man, wenn man neue Google-Dienste mit Opera ausprobieren will - diesen sperrt Google nämlich systematisch und absichtlich aus. Und wer den Internet Explorer wählt, wird ständig von der Aufforderung belästigt, den Browser zu wechseln. Google missbraucht seine Macht als Inhalteanbieter, um seine Software auf den Markt zu drücken, nicht anders als Microsoft es seinerzeit mit seiner Vormachtstellung bei den Betriebssystemen getan hat.

Die Trennlinie zwischen den Browsern verläuft längst nicht mehr zwischen Closed und Open Source, sondern zwischen den allmächtigen IT-Konzernen Microsoft, Apple und Google einerseits und den vergleichsweise kleinen Akteuren Mozilla und Opera. Letztere finanzieren sich vor allem über weitergeleitete Suchanfragen; Mozilla bezieht ungefähr 80 Prozent seiner Einnahmen von seinem Konkurrenten. Die Firefox-Macher haben das gerade zu spüren bekommen, als die Verlängerung ihres Partnervertrags mit Google anstand.

Was sich bei den Browsern zeigt, ist symptomatisch: Google hat sich verändert. Fundament des Unternehmens ist nicht mehr die Suchmaschine, sondern Google Plus. Das entspricht dem Wandel von einer offenen Bibliothek zu einem Club. Von dem neuen Kurs künden auch die Einstellung der Labs-Projekte, die Motorola-Übernahme und selbst Kleinigkeiten wie das Neudesign des Readers oder die Abschaffung des Plus-Operators in der Suchmaschine.

Es sieht so aus, als glaube Google nicht mehr an den Ingenieurstraum, dass sich die richtigen Ideen von alleine durchsetzen werden - sondern eher, als wäre es ein ganz normales Unternehmen mit Ellbogenmentalität und ziemlich viel Macht geworden.

Nur zur Erinnerung: Nachdem Microsoft zur Jahrtausendwende den Browserkrieg gewonnen hatte, blockierte es mit seiner Dominanz auf Jahre hinaus die weitere Entwicklung. Dem freien, offenen Web geht es nicht gut, wenn eine Partei zu mächtig wird. (heb)