US-Präsident greift in Streit um Internet-Kontrolle ein

Die Auseinandersetzungen um die künftige Struktur und Oberaufsicht für die Internet- und DNS-Verwaltung beschäftigte auch George W. Bush und den EU-Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der Streit um die so genannte Internet Governance, also die Oberaufsicht über die Verwaltung von DNS und IP-Adressen sowie die Strukturen und inhaltlichen Aspekte des Internet, erhält nun auch in den USA die Aufmerksamkeit höchster Regierungskreise. Was normalerweise in eher von der Öffentlichkeit unbemerkt diskutierenden Zirkeln von Technikern oder politischen Beamten bearbeitet wird, beschäftigte nun auch US-Präsident George W. Bush und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso auf ihrem Treffen in dieser Woche. Offiziell gab es vom Weißen Haus kein Statement zu diesem Thema. Der für die IT-Politik des US-Außenministeriums zuständige US-Botschafter David Gross erklärte aber gegenüber US-Medien, man wolle natürlich eine gemeinsame Grundlage finden und auch einen erfolgreichen Weltgipfel der Informationsgesellschafft (WSIS) im November schaffen. Aber die USA würden ihre Prinzipien nicht aufgeben, um das zu erreichen.

Dies erscheint als ein mehr als deutlicher Hinweis auf die Haltung, die Bush dem EU-Kommissionschef darlegte. Gross selbst hatte als Leiter der US-Delegation bei den Vorbereitungen zum 2. WSIS Vorschläge der EU für eine international angelegte Organisation der Netzverwaltung scharf kritisiert: "Wir sind sehr enttäuscht über den Vorschlag der EU, denn er will die Vereinten Nationen mitten in die Verwaltung einer Menge technischer Dinge setzen. Das ist völlig unangemessen." Die USA halten nach wie vor an ihrer Oberaufsicht über das Domain Name System im Internet, die DNS-Rootzone und die privatrechtlich organisierte Internet-Verwaltung ICANN fest. Dies verdeutlichte die US-Regierung bereits Mitte des Jahres in einer an einen Eklat grenzenden Erklärung, die Michael Gallagher, Assistant Secretary der US-amerikanischen National Information and Telecommunication Administration (NTIA), kurz vor der Vorstellung eines Reports der UNO über die künftige Internet-Verwaltung abgab.

Die UN-Arbeitsgruppe Internet Governance drang dagegen auf eine stärkere Internationalisierung der Internet-Verwaltung; zwar wird die Rolle der ICANN nicht grundsätzlich in Frage gestellt, aber eine Einbindung in internationale Politik und eine stärkere Beteiligung der Regierungen weltweit und der internationalen Organisationen gefordert. Auch schlägt die UN-Arbeitsgruppe ein Forum der Regierungen zur internationalen Netzpolitik vor. Die International Telecommunication Union (ITU) ging sogar noch einen Schritt weiter: Sie will selbst zumindest für IP-Adressen zur Vergabestelle werden.

Zuletzt hatte Ende September die britische EU-Ratspräsidentschaft einen Vorschlag zur künftigen Organisation der Internet-Verwaltung vorgelegt. Darin wurde neues, internationales Aufsichtsmodell vorgeschlagen, das zwar auf bestehenden Institutionen aufbauen, gleichzeitig aber die Aufsicht über alle Aufgaben bezüglich des DNS und der IP-Adressen umfassen soll. Unter die Aufsicht internationaler Regierungen sollen demnach "die Zuteilung von IP-Adresseblöcken, die nicht-diskriminierend und effizient ist", "Verfahren für Änderungen in den zentralen Rootzone-Einträgen", "Erstellung von Notfall- und Ausfallsicherheitsplänen", "Schaffung eines Streitschlichtungsmechanismus gemäß internationalem Recht" und "Regeln für das DNS" fallen.

Gegen diese Vorhaben von UNO, ITU und EU sperren sich die USA offensichtlich nun auch durch Aktivitäten auf höchster Regierungsebene, um die US-amerikanische Oberaufsicht über das Internet zu erhalten. Dabei erhält die US-Regierung Unterstützung von beiden Parteien im US-Kongress: Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner forderten Gross auf, dem internationalen Druck nicht nachzugeben. Für die US-Regierung ist das Durcheinander um die Rotlicht-Domain .xxx das beste Beispiel, warum man die Aufsicht nicht abgeben dürfe: Die ICANN hatte die Domain bereits genehmigt, die Vertragsverabschiedung wurde aber nach Einsprüchen der US-Aufsichtsbehörde NTIA gestoppt. Das wiederum ist gerade ein Argument für die Kritiker der US-Oberaufsicht: Entgegen der Argumentation der USA gehe es in der Auseinandersetzung nicht darum, dass sich die UN oder ein anderes internationales Gremium aus technischen Fragen der Internet-Infrastruktur heraushalten solle. Die USA selbst würden ihre Oberaufsicht zur Durchsetzung politisch und gesellschaftlich opportun erscheinender Regelungen nutzen.

Eine Einigung zwischen UNO, Europäern, einzelnen Regierungen aus dem Lager der Entwicklungsländer und den USA ist nicht absehbar -- auch nicht nach dem Treffen von Bush und Barroso. Die Frage der Internet Governance dürfte sich damit zu dem zentralen Thema entwickeln, das über Erfolg oder Misserfolg des 2. WSIS entscheidet und das nicht im Vorfeld schon geklärt werden kann. (jk)