Softwarepatent-Gegner beklagen Mogelei bei EU-Konsultation

Laut dem FFII hat die EU-Kommission bei der Auswertung der Umfrage zur künftigen EU-Patentpolitik getrickst und patentierungsfreudige Mittelständler nach Ablauf der Einreichungsfrist gezielt zur Teilnahme animiert.

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Der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII) hat der EU-Kommission vorgeworfen, bei der umstrittenen öffentlichen Konsultation zur Zukunft der europäischen Patentstrategie mit gezinkten Karten gespielt zu haben. Die Brüsseler Behörde habe versucht, aus ihrer Sicht mehr "nützliche" Antworten zur Ausdehnung des Patentsystems und zur einfacheren Durchsetzung gewerblicher Schutzrechte zu erhalten, legt die Vereinigung von Softwarepatent-Gegnern dar. Dazu sei nach dem offiziellen Einsendeschluss von Fragebögen ein gesondertes Umfragepanel für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) eingerichtet worden, die bereits Erfahrungen mit Patenten gesammelt haben. Als die Antworten ähnlich kritisch gegenüber dem Patentwesen und Softwarepatenten ausfielen, tat die Kommission die Eingaben schließlich als unbedeutend ab. Den KMU fehle schlicht das allgemeine Wissen über das Patentsystem, heißt es in der vorläufigen Auswertung der Befragung.

In dem Ergebnisbericht (PDF-Datei) verweist die Kommission nur darauf, dass mit Firmen aus dem europäischen Mittelstand nachträglich eine "identische Konsultation" mithilfe eines extra entwickelten Werkzeugs und unter Expertenbetreuung durchgeführt worden sei. 664 Unternehmen hätten sich daran beteiligt. Die Koordinatoren der speziellen Nachumfrage sind laut den Anleitungen der Kommission, die der FFII veröffentlicht hat, angehalten gewesen, speziell nach KMU mit Kenntnis des Patentsystems Ausschau zu halten.

Dazu kamen umfangreiche Dokumentationsmaterialien zum Ausfüllen der Fragebögen mit einer allgemeinen Einführung in die Fachfragen und Detailerläuterungen wie zum geplanten umstrittenen European Patent Litigation Agreement (EPLA). Um den KMU ausreichend Zeit zur Beteiligung an der Sonderkonsultation zu lassen, verschob die Kommission den Termin für die öffentlichen Anhörung zu der Umfrage zudem um einen Monat auf den morgigen Mittwoch.

"Beim FFII haben wir mehrere hundert Mannstunden investiert, um eine kollektive Antwort zu verfassen, die von mehr als 1000 KMU unterstützt wurde", beklagt Benjamin Henrion vom FFII die Vorgehensweise der Brüsseler Behörde. "Jetzt lernen wir, dass die Kommission die Regeln nach dem Ende der Konsultation geändert hat." Besonders sauer stößt dem Verein auf, dass die Antworten aus dem FFII-Umfeld pauschal in der Auswertung als der übliche Protest aus "der Open-Source-Gemeinschaft" abgetan werden und zuvor die vielen von dem Verband ausgemachten Schwachstellen in der Umfrage erst nachträglich gegenüber dem speziellen KMU-Panel ausgebessert worden seien.

FFII-Präsident Pieter Hintjens zeigt sich in seiner Eigenschaft als Gründer einer eigenen kleinen Softwarefirma empört darüber, "dass ich viel Zeit dafür aufwenden musste, das Dokument zu verstehen, während einige bereits Patente haltende Organisationen heimlich finanzielle Hilfe von der Kommission zum Verfassen ihrer Antworten erhalten haben". Die Kommission habe den Weg der Neutralität damit klar verlassen, was einen schweren Schatten über das gesamte Konsultationsverfahren werfe.

Erstaunt verweist der FFII zudem auf eine den bevorzugt behandelten Firmen mit an die Hand gegebene Einschätzung der Kommission zur Rolle des Europäischen Patentamtes (EPA). In dem Dokument (PDF-Datei) wird kritisiert, dass die nicht direkt in die EU eingebundene Münchner Behörde "eine eigene Unternehmenskultur" entwickelt habe und Einmischungen aus Brüssel in die Patentgesetzgebung als "Angriff auf die heilige Schrift" interpretiere. Das EPA maße sich eine politische Rolle an, die ihm nicht zustehe. Der FFII wundert sich nur, dass sich die Binnenmarktkommission im Ergebnisbericht zur Konsultation trotz dieser Differenzen für das EPLA erwärmt. Das Streitregelungsabkommen würde dem Verein zufolge die weit gehende Patentierungspraxis des EPA gerade beim Rechtsschutz für Monopolansprüche auf Computerprogramme zementieren und die Stellung der Patentbehörde festigen.

Vehement gegen das EPLA aussprechen will sich bei der morgigen Anhörung auch Florian Müller, Gründer der Kampagne NoSoftwarePatents.com. Ihm zufolge ist das im Raum stehende Abkommen "ein weiterer Versuch, Software- und Geschäftsmethodenpatenten eine stärkere rechtliche Position in Europa zu verleihen". Unter Softwarepatent-Aspekten hätte das EPLA seiner Ansicht nach weit schlimmere Folgen als die vom EU-Parlament zurückgewiesene Richtlinie über die Patentierbarkeit "computerimplementierter Erfindungen". Zum einen würden Softwarepatente damit in Europa eher durchsetzbar. Zum anderen würden Patentinhaber auch dazu ermutigt werden, Klagen anzustrengen. Müllers fürchtet, dass "eine Verdopplung oder Verdreifachung der gesamten Prozesskosten" bei Patentklagen in Europa droht. Dies benachteilige vor allem die von der Kommission so umworbenen kleineren Betriebe.

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Stefan Krempl) / (jk)