X-Faktor: Fujifilm stellt spiegellose Systemkamera vor.

Die X-Pro1 kommt mit moiréfreiem APS-C-Sensor, lichtstarken Wechselojektiven und Fujifilms bewährtem opto-elektronischen Hybridsucher im Format einer Leica M9-P, kostet aber nicht mal ein Viertel.

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Von
  • Dr. Klaus Peeck
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Fujifilms neues X-Flaggschiff X-Pro1

(Bild:  Fujifilm)

Im Herbst letzten Jahres noch eher detailarm angekündigt, bringt Fujifilm zur CES 2012 jetzt die Fakten auf den Punkt: Das Pilot-Modell der neuen Kamerareihe heißt X-Pro1, kommt mit einem X-Trans-Sensor, einem EXR Prozessor Pro und einem X-Bajonett –, und es nimmt Design-Anleihen bei den Kompaktkamera-Schwestern X100 und X10. Das eindrucksvolle Hybrid-Sucher-System der X100 ist in modifizierter Form auch wieder mit an Bord. Als Zielgruppe hat Fujifilm offenbar die fotografierende Oberschicht im Visier, denn ein Kit aus X-Pro1-Body und einer der drei zum Marktstart im März verfügbaren Festbrennweiten soll rund 2300 US-Dollar kosten. Der Preis in Deutschland steht noch nicht fest.

Das 6×6-Farbraster soll die chaotische Verteilung des Filmkorns in Fotofilm-Material nachahmen.

(Bild: Fujifilm)

Der große, rückwärtig belichtete 16-MP-CMOS-Sensor (23,6 mm × 15,6 mm) besitzt nicht die üblichen, gleichmäßig als Bayer-Pattern angeordneten Farbfilter, die zur Unterdrückung von Moirés und Fehlfarben auf einen Extra-Tiefpassfilter angewiesen sind, sondern ein unregelmäßigeres 6×6-Farbraster, das die chaotische Verteilung des Filmkorns in Fotofilm-Material nachahmt. Das soll den Sensor resistent gegen Moirébildung und einen Tiefpassfilter vor dem Sensor überflüssig machen und gleich noch das Auflösungspotenzial steigern, weil Tiefpassfilter die Auflösung mindern. Laut Hersteller erreicht die X-Pro1 auf diese Weise "eine Auflösung auf dem Niveau eines Vollformatsensors" – fragt sich nur, welches Vollformatsensors, also mit wieviel Megapixeln, denn die Nominalauflösung eines Sensors entspricht ja nicht einfach dessen Pixelzahl, sondern definiert sich aus der Pixelmenge im Verhältnis zur Sensorfläche.

Ohne den Tiefpassfilter, mit dem leider auch eine Staubschutzbarriere wegfällt, kann das Objektiv näher an den Bildaufnehmer rücken. So sinkt das sogenannte Auflagemaß; bei der X-Pro1 beträgt es nur noch 17,7 mm. Und damit steigen die Chancen auf eine bis in die Ecken gleichmäßige Ausleuchtung mit möglichst parallel auftreffenden Lichtstrahlen. Auch können so die Objektive kompakter gebaut werden – wegen des größeren Sensorformats freilich nicht ganz so kompakt wie etwa im Micro-Four-Thirds-Segment.

Durch die unregelmäßige Farbfilterverteilung des X-Trans-Sensors erhöht sich jedoch der Rechenaufwand für die interne Bildverarbeitung, weshalb Fujifilm auf eine neue, leistungsfähigere Prozessorgeneration setzt. Auch eine enge Kooperation mit den Anbietern von RAW-Konvertierungssoftware kündigt der Hersteller an, um demnächst Implementierungen der nötigen Routinen in gängige Bildverarbeitungssoftware anbieten zu können.

Zum geplanten Marktstart im März 2012 sollen zu der X-Pro1 drei unstabilisierte Festbrennweiten erhältlich sein: das Weitwinkel-Objektiv XF 18 mm f2.0 R, die Standard-Brennweite XF 35 mm f1.4 R sowie das moderate Tele-Makro XF 60 mm f2.4 R Macro. Bei einem Crop-Faktor von 1,5 entspricht dies 27, 53 oder 91 Millimeter KB-Brennweite. Nahezu kreisrunde Objektivblenden sollen für ein harmonisches Bokeh sorgen. Die Blenden- und Fokussteuerung sowie der für einige künftige Objektive angekündigte Antishake werden objektivseitig elektromotorisch realisiert; eine mechanische/kardanische Objektivsteuerung über das X-Bajonett ist nicht vorgesehen.

Das Weitwinkel-Objektiv XF 18 mm f2.0 R

(Bild: Fujifilm)

Noch für den Jahresverlauf 2012 stellt Fujfilm eine zusätzliche Telebrennweite und bis 2013 insgesamt neun Objektive einschließlich Zoom-Varianten in Aussicht. Außerdem gilt es als ausgemacht, dass es auch Adapter für Fremdobjektive geben wird – zunächst offenbar für Leica-M-Optiken. Im Gegensatz zur X100 arbeitet die X-Pro1 nun mit einem Schlitzverschluss, der Belichtungszeiten ab 1/4000 s und eine Blitzsynchronzeit von 1/180 s erlaubt. Die Serienbildrate ist zwischen 3 fps und 6 fps umschaltbar.

Der von der X100 übernommene opto-elektronische Hybridsucher erlaubt das Einblenden von Bilddaten in den optischen Strahlengang oder zeigt wahlweise ein parallaxenfreies, rein elektronisches Bild mit 1,4 Millionen Bildpunkten. Neu ist eine einschwenkbare Lupe, die das Sucherbild beim Einsatz mittel- und langbrennweitiger Objektive 0,6-fach vergrößert, während die Standardvergrößerung 0,37 beträgt. Künftige Zoomobjektive profitieren von den variabel einblendbaren Parallaxen-Marken, und bei fehlender Datenübertragung durch Fremdobjektive können die Brennweiten-Informationen manuell eingegeben werden. Das weiterhin fest verbaute Kameradisplay misst nun 3 Zoll in der Diagonalen und zeigt 1,2 Millionen RGBW-Bildpunkte, besitzt also zusätzliche weiß leuchtende Elemente für eine hellere Anzeige.

Dem gehobenen Anspruch folgend, setzt Fujfilm bei der X-Pro1 auf ein besonders robustes und edles Metallgehäuse mit Magnesium-Komponenten und auf Drehräder für Belichtungszeit und -korrektur auf der Oberseite, die im Layout an die X10 erinnern. Optional ist ein größerer Handgriff zur Befestigung am dezentriert platzierten Stativgewinde erhältlich; damit wird allerdings das kombinierte Akku-/SD-Card-Fach am Boden der Kamera gleich mit zugeschraubt. Die Blendensteuerung erfolgt klassisch (obschon "by wire") über Blendenringe an den Objektiven. Auf der Kamerarückseite fallen neben den üblichen Bedientasten jetzt einzeln abgesetzte 4-Wege-Taster ohne Drehring-Funktion auf. An die Stelle der bei der X100 mit dem Daumen zu betätigenden Tast-Wippe ist ein klassisches Daumen-Einstellrad mit Tastfunktion getreten, und statt einer dedizierten RAW-Taste kommt die X-Pro1 nun mit einem "Q"-Button, der ein Quick-Menü mit Bildschirm-Icons für schnelle Werteeinstellungen aufruft. Zusammen mit dem verbesserten Hauptmenü ist das sicher ein Ergonomie-Plus.

Leider gibt es noch immer kein eigenes Einstellrad für die ISO-Wahl – immerhin lässt sich hierfür aber die Fn-Taste auf der Gehäuse-Oberseite programmieren. Auch für die Videoclipfunktion ist kein eigenes Bedienelement vorhanden – sie muss über das Menü aktiviert werden und bietet Standardkost mit FullHD-Auflösung bei 24 fps, immerhin mit Stereoton und der Möglichkeit zur Blendenvorwahl. Ansonsten bietet die Kamera noch die Fujifilm-typischen Fotofilm-Simulationsmodi, also Farbabstimmungen zum Beispiel in der Art von Farbnegativ- oder Diafilmen oder Farbfilter-Simulationen bei Schwarzweißaufnahmen. Auch ein Mehrfachbelichtungsmodus mit transparenter Bildvorschau auf dem Display ist mit dabei.

Im Gegensatz zu den beiden kleineren Schwestern kommt die X-Pro1 ohne eingebautes Blitzmodul daher, dafür leisten der TTL-Schuh sowie eine X-Sync-Buchse Anschlusshilfe für Systemblitzgeräte. Ab Verkaufsstart will der Hersteller noch ein neues kleines Blitzgerät namens EF-X20 anbieten, das ohne Freiheitsgrade auskommen muss und im angepassten Retrolook designt ist, einschließlich Drehrad für die Blitzleistungseinstellung.

Die für den US-Markt genannte Preisempfehlung von 1700 US-$ für den X-Pro1-Body plus 600 US-$ bis 700 US-$ pro Festbrennweite dokumentiert die anvisierte Zielgruppe zahlungskräftiger und anspruchsvoller Amateure. Wegen des vergleichbaren Gehäuseformats und der Objektiv-Adapter offenbar gerne auch aus dem Leica-M9-P-Fanlager, wo die aufgerufenen X-Pro1-Preise wohl eher Schnäppchengefühle aufkommen lassen dürften.

Ob die X-Pro1 ein kostspieliger Außenseiter wird oder sich zu einem ebenbürtigen oder gar überlegenen Player im Systemkameramarkt entwickelt, wird aber natürlich vor allem von ihrer tatsächlichen technischen und fotografischen Leistungsfähigkeit abhängen. Unergonomische oder träge Bedienbarkeit wie zum Teil bei der X100 würden hier ebenso schnell zum Sargnagel des Verkaufserfolges wie ein Verfehlen des Kriteriums Nummer 1, nämlich von Abbildungsleistungen auf "X"tra-Niveau. Warten wir die Verfügbarkeit von Testmustern ab, dann können wir mehr sagen. (keh)