EU-Gericht kassiert Fusionsgenehmigung für SonyBMG

Nach Ansicht der Richter entbehrt die Genehmigung der Kommission einer wesentlichen Grundlage und enthält rechtliche Fehler.

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Eine Kammer des Gerichtes erster Instanz am Europäischen Gerichtshof hat die Entscheidung der EU-Kommission, die Fusion der Musikunternehmen Sony Music und der Bertelsmann Music Group (BMG) zu genehmigen, für nichtig erklärt.

Wie das Gericht erster Instanz der EU am heutigen Donnerstag in Luxemburg mitteilte (PDF-Dokument), habe die Kommission bei ihrer Entscheidung nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die beiden Musikgiganten durch ihren Zusammenschluss zu SonyBMG keine marktbeherrschende Stellung einnehmen würden. Das Argument der EU-Kommission, die Transparenz des Marktes sei durch Rabatte so verringert, dass eine marktbeherrschende Stellung verhindert werde, sei nicht begründet und "entbehre einer wesentlichen Grundlage". Zudem bemängelt das Gericht, die Kommission habe eine "äußerst knappe Prüfung" durchgeführt und dazu "nur oberflächliche Ausführungen" gemacht.

Das Gericht gab damit einer Klage der Internationalen Vereinigung unabhängiger Musikproduzenten und Labels (Impala) statt. Die Indie-Lobby, die nach eigenen Angaben 2500 Mitglieder vertritt, hatte im Dezember 2004 Klage eingereicht, nachdem die EU-Kommission der geplanten Fusion entgegen ursprünglicher Bedenken im Juli 2004 zugestimmt hatte. Impala hatte der Kommission vorgeworfen, sachliche Fehler bei der Einschätzung des Musikmarktes und der daraus abgeleiteten rechtlichen Argumentation gemacht zu haben. Bei dem "SonyBMG-Fiasko", meinte der damalige Impala-Präsident Michel Lambot, habe die EU "den eigenen Prioritäten" zuwider gehandelt. Das Resultat sei "ein rechtliches, wirtschaftliches, kulturelles und politisches Desaster" mit weit reichenden Konsequenzen für die Kulturlandschaft der Europäischen Gemeinschaft.

Entsprechend erfreut sind die Reaktionen aus dem Impala-Büro in Brüssel auf das Urteil am heutigen Donnerstag. Die Entscheidung sei ein Sieg für die Musik und die kulturelle Vielfalt und der Beginn einer Markterholung. Impala-Präsident Patrick Zelnik verspricht sich eine deutliche Signalwirkung für die Branche: "Ohne Zweifel wird das Urteil weitere Fusionen verhindern und die Art verändern, mit der Musik und andere kreative Bereiche behandelt werden." Das Gericht wollte in seiner Entscheidung allerdings nicht allen Argumenten des Antragstellers folgen und rügte das Verhalten der Lobby-Truppe während des von ihr selbst beantragten beschleunigten Verfahrens.

Die Entscheidung könnte tatsächlich Auswirkungen auf die von EMI und Warner Music angestrebte Elefantenhochzeit haben. Der dritt- und der viertgrößte Musikkonzern der Welt wollen sich gegenseitig übernehmen. Dass daraus nichts mehr wird, ist für die Indie-Vertreter jetzt klar. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Unternehmen den wettbewerbsrechtlichen Segen für ein Zusammengehen erhielten. Impala will sich weiteren Konzentrationsbewegungen in der Musikindustrie vehement widersetzen.

Die EU-Kommission hat jetzt zwei Monate Zeit zu überlegen, wie sie mit dieser Schlappe umgehen soll. Innerhalb dieser Frist kann sie beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. Sie will die Entscheidung jetzt sorgfältig analysieren und nach eingehender Beratung entscheiden, wie sie weiter vorgehen will. Sollten die beteiligten Unternehmen die Fusion erneut zur Genehmigung vorlegen, werde die Kommission anhand der aktuellen Marktlage und unter Einbeziehung des Urteils neu entscheiden.

Ähnlich abwartend gibt sich Bertelsmann. "Wir werden das Urteil sorgfältig prüfen und mit der Europäischen Kommission die nächsten Schritte besprechen." In Gütersloh will man zudem von Auswirkungen auf das Joint Venture nichts wissen. Ein Sprecher bestätigte noch einmal ein von Vorstandschef Gunter Thielen geäußertes Bekenntnis zum Musikgeschäft. Der Medienkonzern begegnet damit Meldungen, Bertelsmann wolle sich sukzessive aus dem Joint Venture zurückziehen. (vbr)