Bundestag streitet über Aufnahme von Fingerabdrücken in Reisepässe

Bei der 1. Lesung des Regierungsentwurfs zur Aufnahme weiterer biometrischer Merkmale in den ePass beklagten Oppositionspolitiker etwa, dass diese künftig auch zur Klärung von Bußgeldverfahren herangezogen werden sollen.

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Der Bundestag hat in der Nacht zum heutigen Freitag in 1. Lesung über den Regierungsentwurf zur Änderung des Passgesetzes beraten, den das Bundeskabinett Ende Dezember vergangenen Jahres beschloss und mit dem die Speicherung von zwei Fingerabdrücken zusätzlich zum Lichtbild möglich werden soll. "Die Technik kann einen wichtigen Beitrag für die innere Sicherheit leisten", begründete Peter Altmair (CDU), parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenministerium, den Vorstoß. Zugleich werde eine entsprechende EU-Verordnung umgesetzt. Oppositionspolitiker lehnten die Initiative aber als weiteren Schritt in den Überwachungsstaat ab. Sie führten unisono allgemeine Datenschutz- und Sicherheitsbedenken hauptsächlich rund um den RFID-Funkchip ins Feld, auf dem künftig neben dem Gesichtsbild auch die Fingerabdrücke gespeichert werden sollen. Auch bei der SPD sorgte zudem die Tatsache für Empörung, dass die Lesung in die frühen Morgenstunden gelegt worden war, die Reden somit zu Protokoll gegeben werden mussten und eine echte Debatte vermieden wurde.

"Mit der Einführung der digitalen Gesichtsbilder hat Deutschland einen gigantischen Feldversuch für die Biometrietechnik gestartet, und das ohne jeden Probelauf", erklärte Gisela Piltz, Innenexpertin der FDP-Fraktion. "Es schadet aber der Demokratie, wenn eine gesellschaftliche Auseinandersetzung über die Herrschaft der Menschen über ihre biometrischen Daten nicht stattfindet." Es gehe schließlich um die "elementarsten", den "höchstpersönlichsten Lebensbereich" betreffenden menschlichen Informationen, die etwa auch Auskunft über Erbkrankheiten, Abstammung oder Verwandtschaft geben könnten. Deutschland dürfe daher nicht blind "Vorreiter einer neuen biometrischen Überwachungswelle" werden. Zugleich kritisierte die Liberale, dass das Innenministerium die wahren Kosten der elektronischen Ausweisdokumente etwa über das Verschweigen von Personalmehraufwand verschleiere und der Bundesdruckerei allein ein gutes Geschäft zuschustere.

Gemeinsam mit ihrem Kollegen von den Linken, Jan Korte, betonte Piltz, dass die geplante Änderung mit anderen Gesetzesvorhaben wie der Einführung biometrischer Merkmale auch in den Personalausweis oder der fortschreitenden Vernetzung von Polizeidaten im Schengen-Raum und darüber hinaus zu sehen sei. In diesem Rahmen würden die Motive für die Biometrie-Offensive deutlicher. So verwiesen die beiden Oppositionspolitiker insbesondere auf eine Klausel im Regierungsentwurf des Gesetzes über die Aufrüstung des Personalausweises, wonach "im Falle der Übermittlung von Lichtbildern an die Polizei- und Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten der Abruf des Lichtbildes im automatisierten Verfahren erfolgen kann". Dies eröffne letztlich in Kombination mit der ebenfalls intensiv betriebenen Ausweitung der Videoüberwachung ganz neue Möglichkeiten für die Strafverfolgung, fürchtete Piltz. Korte monierte die eindeutige Missachtung der Zweckbindung der biometrischen Daten, wenn diese plötzlich auch zur Klärung von Bußgeldverfahren herangezogen werden könnten.

Innenminister Wolfgang Schäuble, der die elektronischen Ausweisdokumente jüngst als Mittel zur Stärkung des Datenschutzes in der Online-Welt anpries, pflegt laut Korte "auch mit dem neuen Passgesetz seine Datensammelobsession." Die biometrischen Daten fast aller Bundesbürger würden "auf Vorrat gespeichert und in einer Referenzdatei zusammengeführt". Dabei handle es sich letztlich um nichts anderes "als die Einführung einer universellen Personenkennziffer durch die Hintertüre."

In die gleiche Kerbe schlug Wolfgang Wieland, innenpolitischer Sprecher der Grünen, der an die geplante Zentralisierung der Melderegister erinnerte und vor einer Orwellschen Gesetzgebung warnte. "Wenn man die Angaben über den Wohnort und die dort eingegebenen Lichtbilder mit der Datei verbindet, dann haben Sie die Datei, die Ihnen die totale Überwachung der Bürger ermöglicht." Der Fingerabdruck sei zudem keineswegs fälschungssicher und entsprechende Biometriesysteme könnten mit einfachsten Mitteln ausgetrickst werden, wie es etwa der Chaos Computer Club (CCC) wiederholt vorgeführt habe. Ferner sei die Aufnahme der Fingerabdrücke europarechtlich nicht erforderlich, da dies in den Brüsseler Vorgaben als reine "Soll-Verordnung" ausgeführt worden sei.

In der Richtung unentschlossen zeigte sich Frank Hofmann von der SPD, in deren linken Flügel es starke Bedenken gegen biometrische Ausweisdokumente gibt. "Weder sicherheitspolitisch sinnvolle Maßnahmen noch terroristische Bedrohungsszenarien" dürfen seiner Ansicht nach "den wesentlichen Blick auf den Schutz der bürgerlichen Freiheiten und Grundrechte verstellen." Dabei müsse das fragile Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit immer wieder austariert werden. Zu diesem öffentlichen Prozess gehöre auch, "dass wir uns als nationaler Gesetzgeber sicherheitspolitische Notwendigkeiten nicht von europäischen Ratsverordnungen diktieren lassen".

Zugleich räumte der Sozialdemokrat ein, dass die im Raum stehenden Änderungen bei der Verfolgung von Straßenverkehrordnungswidrigkeiten eine der "kleineren Schwächen" der Gesetzesvorhaben darstelle. "Wenn man solche Maßnahmen in Sicherheitsgesetzen verankert, dann macht man es den Gegnern leicht in ihrer Argumentation, es ginge vermehrt um die Kriminalisierung und Bestrafung unbescholtener Bürger", schalt Hofmann die Bundesregierung indirekt. Man müsse sich ferner "bewusst machen, dass die erstmalige Erhebung von Fingerabdrücken zur Identifizierung in Personaldokumenten in der Bevölkerung mit der erkennungsdienstlichen Behandlung von Kriminellen verknüpft werden könnte". Trotz Datenschutz dürfe sich die Koalition aber vor "technischen Innovationen" nicht verschließen. Durch biometrische Merkmale im Pass werde es möglich, "die Identität von Personen, vor allem bei Grenzkontrollen, durch Vergleich mit den Merkmalen der kontrollierten Person festzustellen." Man werde daher bei der weiteren Beratung des Gesetzesentwurfs an der SPD-Maxime "Sicherheitspolitik mit Augenmaß" festhalten.

Zur Einführung des ePasses und den Auseinandersetzungen um Ausweise mit digitalisierten biometrischen Merkmalen siehe den Online-Artikel in c't – Hintergrund (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online sowie in c't, Technology Review und Telepolis):

(Stefan Krempl) / (jk)