Studie: Vorratsdatenspeicherung verbessert die Aufklärungsquote nicht

Eine Untersuchung des Max-Planck-Instituts konnte keine Hinweise darauf finden, dass eine verdachtsunabhängige Protokollierung von Verbindungsdaten bei der Verbrechensbekämpfung helfe.

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Eine vom Bundesjustizministerium beim Freiburger Max-Planck-Institut für Strafrecht in Auftrag gegebene Untersuchung kann keine Beweise für die These finden, dass eine verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren – wie sie von der CDU/CSU gefordert wird – von essenzieller Bedeutung für die Strafverfolgung sei.

Die Forscher haben für ihre Analyse unter anderem Übersichten über die Erhebung der "Verkehrsdaten" für die Jahre 2008 und 2009, Angaben der Bundesregierung sowie Interviews mit Ermittlern überwiegend von der Polizei herangezogen. Sie untersuchten zudem die Aufklärungsquoten für den Zeitraum 1987 bis 2010. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass die Aufhebung der Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung durch das Bundesverfassungsgericht im März 2010 nicht als Ursache für statistische Veränderungen der Aufklärungsquote herangezogen werden kann. Dies deckt sich mit den Ergebnisse eines Gutachtens des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags vom vergangenen Frühjahr. Eine frühere Untersuchung des Max-Planck-Instituts hatte 2008 ergeben, dass die Verfolgung von Straftaten im Untersuchungszeitraum 2003 und 2004 nur um 0,002 Prozent durch eine Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten hätte verbessert werden können.

Punktuelle Vergleiche zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz führten gemäß der neuen Studie nicht zu dem Schluss, dass die systematische Sammlung und Vorhaltung von Verkehrsdaten beziehungsweise deren Fehlen mit sichtbaren Unterschieden in der Sicherheitslage verbunden wären. Verkehrsdaten spielten in der Regel nur in Kombination mit anderen Ermittlungsmethoden eine Rolle, schreiben die Verfasser.

Auf der anderen Seite halten sie fest, dass Telekommunikationsanbieter Verbindungsinformationen eingehender Anrufe kaum noch aufbewahren. Dies erschwere eine "Zielwahlsuche" der Fahnder nach einer bekannten Nummer. Besonders gravierend wirke sich speziell bei internetbezogenen Recherchen oder Auskunftsbegehren der Umstand aus, dass Provider sich regelmäßig weigerten, hinter IP-Adressen stehende Bestandsdaten wie Name oder Anschrift von Nutzern herauszugeben. Dies könne insbesondere Ermittlungen im Bereich Kinderpornografie berühren.

Insgesamt habe der "drohende Datenverlust" den Zeitdruck auf die Ermittler spürbar erhöht. In Fällen von Phishing oder anderen Internetbetrügereien kämen die Strafverfolger wegen einer "verzögerten Anzeigenerstattung" häufig zu spät. Die Erreichbarkeit von Verkehrsdaten hänge generell maßgeblich vom Speicherverhalten und der Auskunftsbereitschaft der jeweiligen Telekommunikationsunternehmen ab. Viele Ermittler kämen sich als "Bittsteller" vor, so die Studie.

Allerdings monieren die Wissenschaftler, dass Untersuchungen auf mögliche Schutzlücken derzeit kaum möglich seien. Dies liege daran, dass kaum empirische Untersuchungen zur Nutzung von Vorratsdaten und die erzielten Aufklärungsquoten vorlägen. Die Strafverfolger würden solche Daten nicht erfassen, da dies zu teuer sei, heißt es in den heise online vorliegenden Schlussfolgerungen der Studie.

Für die EU-Kommission stelle dies ein besonderes Problem dar, weil die für eine ernsthafte Evaluierung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung benötigten Daten gar nicht vorhanden seien. Die Analyse betont, dass die Debatte um eine Wiedereinführung der verdachtsunabhängigen Speicherung von "Einzelfällen" bestimmt sei. Befürworter würden oft das Leid sexuell missbrauchter Kinder oder die Ausbeutung älterer Bevölkerungsgruppen anführen, die mit der Vorratsdatenspeicherung gemindert werden könnten. Diese "typischen" Delikte könnten aber ebensowenig eine anlasslose Speicherung rechtfertigen wie Verweise auf die von islamistischen Terroristen ausgehenden Gefahren. Auch wenn sie Ermittlungen nach Terroranschlägen eventuell erleichtern würden, stelle sich immer noch die Frage, warum vorliegende digitale Spuren nicht bereits zur Verhinderung terroristischer Aktionen eingesetzt wurden.

Für Max Stadler, Staatssekretär im Justizressort, zeigen die Resultate, "dass die Notwendigkeit der Vorratsdatenspeicherung nicht empirisch belegt, sondern nur ein Gefühl der Praktiker ist". Als Alternative trete sein Haus daher weiter für das von der FDP geforderte Quick-Freeze-Verfahren ein, bei dem Daten nur aus konkretem Anlass gespeichert werden. Die Freiburger Forscher halten aber auch fest, dass dieses Verfahren von den befragten Strafverfolgern nicht als "taugliches Äquivalent zur Vorratsdatenspeicherung gesehen" werde. (hag)