Linux-Kernel 2.6.14 veröffentlicht

Zu den größten Neuerungen der neuen Kernelversion zählen FUSE, die Integration verschiedener WLAN-Netzwerktreiber sowie verbesserte SATA- und Sound-Unterstützung. Unter dessen gab es um Reiser4 und SAS-Treiber hitzige Debatten auf der Kernel-Mailingliste.

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  • Thorsten Leemhuis

Zwei Monate nach 2.6.13 hat Linus Torvalds mit 2.6.14 eine neue Version des Linux-Kernels vorgestellt und zum Download über kernel.org oder die Mirror freigegeben. Eigentlich wollten die Entwickler die neue Kernel-Version bereits am oder um den 17. Oktober herum vorstellen, zwei vermeintliche Fehler verzögerten jedoch die Freigabe.

Zu den größten Neuerungen des nun Affluent Albatross genannten Kernels zählt FUSE, die Integration verschiedener WLAN-Netzwerktreiber sowie verbesserte SATA- und Sound-Unterstützung.

Mit FUSE, dem File System in Userspace, lassen sich recht einfach Dateisysteme unabhängig vom Kernel als Userspace-Programm implementieren. Dabei geht es jedoch nicht um Konkurrenz zu ext3 oder reiserfs, sondern vielmehr um Dateisysteme für spezielle Anwendungsgebiete – etwa das auf FUSE aufsetzende sshfs, das ein Dateisystem eines per ssh erreichbaren Rechners in das lokale System einbindet. Die FUSE-Homepage führt eine Liste mit weiteren auf FUSE aufsetzenden Dateisystemen, darunter auch fusesmb zum transparenten Einbinden eines Windows-Netzwerks.

Neu im Kernel 2.6.14 ist neben den Wireless Extensions 19 auch ein generisches IEEE80211-Subsystem, auf das auch neu die aufgenommene Wireless-LAN-Treiber für Prism-Chipsätze (hostap) und die WLAN-Module von Centrino-Notebooks (ipw2100 und ipw2200) aufsetzen. Bei den Treibern für Netzwerkkarten kam mit dem uli526x ein neuer Treiber für ULi-Mainboard-Chipsätze hinzu, eine Reihe weiterer, wie etwa die Treiber sis190, TG3 und usbnet, wurden stark überarbeitet.

Die SATA-Treiber unterstützen jetzt die Promise-Chips PDC40718, PDC40519, AHCI beim ICH7-M DH sowie zumindest rudimentär einige Marvell-SATA-Chipsätze und den in einigen SiS-Mainboard-Chipsätzen integrierten SiS182. SATA-ATAPI-Support, etwa für über SATA angeschlossene CD oder DVD-Laufwerke, kam ebenfalls hinzu. Dies lässt bisher jedoch nur manuell über eine Kernel-Boot-Option aktivieren.

Die Alsa-Soundtreiber wurden auf Version 1.0.10rc1 aktualisiert. Hier gab es insbesondere an den Treiber für HD-Audio einige Erweiterungen und Korrekturen. Unter anderem unterstützen sie jetzt den SiS 966, den ULI M5461 sowie eine Reihe von Notebooks und Mainboards, deren HD-Audio-Codecs zwar schon vorher unterstützt wurden, aber trotzdem keinen Sound hervorbrachten.

Der Direct Rendering Manager (DRM), der den direkten Zugriff von Grafikkartentreiber auf die Grafikkarte regelt, kann nun mit mehr VIA-Chipsätzen umgehen. DRM beherrscht jetzt dank des in 2.6.14 aufgenommenen r300-Treibers 3D-Beschleunigung auf einigen neueren ATI-Grafikchips wie dem Radeon 9700. Beim SiS-Framebuffer- und dem sisusbvga-Treiber für SiS-Grafikchips gab es ebenfalls größere Änderungen.

Beim Suspend-to-Disk werden die Daten in der neuen Kernel-Version auf Wunsch verschlüsselt, damit nach dem Aufwachen keine sensiblen Daten lesbar auf der Swap-Partition zurückbleiben – gegen Angriffe auf das in den Schlafzustand versetzte System schützt dies allerdings nicht. Das ACPI-Subsystem wurde zudem aktualisiert und ein seit längerem bekanntes Timer-Problem auf einigen ATI- und ALi/ULi-Chipsätzen wollen die Kernel-Entwickler ebenfalls beseitigt haben.

Mit relayfs, v9fs und securityfs kamen noch weitere Dateisysteme für spezielle Anwendungszwecke im Kernel hinzu. Zudem wurden die Treiber für NTFS, Infiniband, DVB, TV-Karten (bttv, cx88, saa7134) aktualisiert. Neu dabei ist auch der hdasp-Treiber für den in einigen Thinkpad-Modellen vorhandenen Schock-Sensor – IBM nutzt diesen für sein Hard Drive Active Protection System, einige Linux-Entwickler missbrauchen ihn auch für andere Zwecke.

Die PPC64-Architektur kann jetzt bis zu 16 Terabyte adressieren, Verbesserungen beim Slab Allocator beschleunigen NUMA-Systeme. Neu dabei ist jetzt auch Connection-Tracker/Nat-Helper für PPTP und eine SAS transport class – einige weitere Änderungen dokumentiert auch das Kernelnewbies-Wiki.

Das zuvor angekündigte neue Entwicklungsmodell, bei dem Torvalds größere Patches nur in den ersten zwei Wochen nach der Veröffentlichung eines stabilen Kernels aufnehmen will, wurde während der Entwicklung von 2.6.14 weitgehend eingehalten. Mit einer Entwicklungszeit von unter zwei Monaten ist Linux 2.6.14 auch schneller fertig gestellt worden als vorherige Kernel. Die Entwickler wollen das neue Modell nun auch beim Kernel 2.6.15 anwenden.

Auch die seit zirka zwei Jahren immer wieder geführte Diskussion um das Dateisystem Reiser4 flammte während der Entwicklungsphase von 2.6.14 nach einer fordernden Mail des Namengebers und Entwicklers Hans Reiser wieder auf. Im Verlauf der teils hitzigen Debatte kündigte Christoph Hellwig in einer Antwort auf eine Mail Reisers an, das von ihm durchgeführte Review von Reiser4 abzubrechen. Als Gründe führt er persönliche Angriffe seitens Reiser an und beklagt, dass es sinnlos wäre, den Code genau anzusehen und zu überprüfen, da Reiser die meisten von ihm gemachten Anmerkungen ignoriert. Hellwig gehört zu dem kleinen Kreis von langjährigen und Torvalds bekannten Linux-Kernel-Entwicklern, die größere Neuerungen für verschiedenen Bereiche des Kernels vor der Integration begutachten. In der Diskussion um das Reiser4 wird ihm jedoch seine Mitarbeit an der Linux-Portierung des zu Reiser4 konkurrierenden und bereits seit längerem im Kernel enthaltenen Dateisystems XFS vorgeworfen.

Wie es nun weitergeht mit der Integration von Reiser4 in den Kernel, muss sich zeigen – normalerweise werden größere Änderungen am Kernel nur nach einem Review durch bekannte und durch Torvalds als vertrauenswürdig eingestufte Kernel-Entwickler aufgenommen. Gleichzeitig haben einige Entwickler jedoch durchblicken lassen, dass ein Dateisystem wie Reiser4 zwar ein großer Brocken wäre, jedoch andere Bereiche des Kernels kaum betreffen würde und daher gefahrlos aufgenommen werden könne.

Alan Cox sieht dies jedoch als problematisch an, da der Code im Zweifel von anderen Kernel-Entwicklern weiter gepflegt werden müsse, wenn das Team um Hans Reiser vielleicht irgendwann am Nachfolger von Reiser4 arbeitete und Reiser4 nicht mehr warte. Eben dies war bei reiserfs (auch Reiser3 genannt) passiert: Dessen Pflege und Entwicklung wird laut Cox mittlerweile nicht mehr durch Reiser und seine Entwickler vorangetrieben. Reiser hat sogar im April 2004 versucht, die Integration von unabhängig von ihm entwickelten reiserfs-Erweiterungen in den Kernel zu verhindern, und argumentiert, die Funktionen könne das in ein oder zwei Wochen für die Aufnahme in den Kernel fertige Reiser4 übernehmen.

Hans Reiser gibt in der Diskussion ganz nebenbei auch zu, dass reiser3 ein größeres Problem beim Dateisystemcheck von reiserfs hat, wenn auf diesem ein unkomprimiertes Dateisystem-Image mit reiserfs liegt. Das kommt in der Praxis zum Beispiel bei Verwenden von Virtualisierungslösungen (VMWare, UML), beim initrd/initramfs oder bei Dateisystem-Experimenten mit Loop-Devices vor.

Langwierige und ähnlich emotional geführte Diskussionen gab es auch um das SAS Transport Layer und den dazugehörigen AIC-94xx-Treiber. Luben Tuikov von Adaptec würde diese gerne im offiziellen Kernel integriert sehen, einige bekannte Kernel-Entwickler sind jedoch mit dem Design und der Integration in das SCSI-Subsystem nicht einverstanden, darunter ebenfalls Christoph Hellwig. Am heftigsten streitet der Adaptec-Mitarbeiter sich jedoch mit den Verwaltern des SCSI-Subsystems, James Bottomley, und dem bei Red Hat beschäftigten Verwalter der SATA-Treiber, Jeff Garzik.

Nicht aufgenommen wurden in 2.6.14 auch Cluster-Dateisysteme – das Global File System (GFS) und das Oracle Cluster File System 2 (OCFS2) buhlen hier beide um die Aufnahme. Oracle hatte bereits im August nach einer entsprechenden Aussage von Andrew Morton fest auf die Aufnahme in den Kernel 2.6.14 gehofft. Anfang September jedoch war Morton unentschlossen, ob und in welcher Form eines der beiden oder beide Cluster-Filesysteme aufgenommen werden sollen.

OCFS2 findet sich derzeit bereits in dem mm-Kernel von Morton, in dem neue Entwicklungen getestet werden, bevor sie in den offiziellen Kernel integriert werden. Laut Morton scheint sich die häufig kritisierte hohe Entwicklungsgeschwindigkeit des stabilen Kernels jedoch etwas zu beruhigen -- der prominente Kernel-Hacker Greg Kroah-Hartman glaubt aber, diese Aussage sei mehr sarkastisch gemeint. Zu den für 2.6.15 erwarteten Neuerungen zählt unter anderem ein verbesserter NTFS-Treiber. Die dort eingeflossenen Neuerungen lassen sich mit dem auf FUSE aufsetzenden ntfsmount jedoch auch mit 2.6.14 nutzen. (thl)