Photokina: Absage an Kunstschau "Visual Gallery" empört Fotogemeinde
Degradiert auf einen Megapixel-Technikspielplatz: Die Fotogemeinde ist entsetzt darüber, wie sich die Fotomesse Photokina entwickelt. Aus wirtschaftlichen Gründen wird der Bereich für Fotokunst eingestellt.
Eine "Bankrotterklärung", ein "großer Verlust", oder einfach nur "zum Heulen": Die Fotogemeinde findet viele Worte für die Entwicklungen auf der weltweit größten Fotografie-Messe, der Kölner Photokina. Diese hat ihren gesonderten Bereich für Fotokunst aus wirtschaftlichen Gründen abgeschafft. Die "Visual Gallery" galt als künstlerischer Höhepunkt der sonst vor allem technisch ausgerichteten Messe und zog tausende Besucher an. Kenner befürchten einen schleichenden Bedeutungsverlust. Der kreative Blick gehe verloren.
"Es geht um das Zusammenspiel von Technik und künstlerischer Arbeit", sagt Ditmar Schädel, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Photograhie. Viele Verbraucher interessiere nicht allein die aktuelle 3D-Technologie und HD-Qualität für ihre Urlaubsfotos. "Wir haben heute sehr viele engagierte Hobby-Fotografen, die nicht nur Knips-Bilder machen, sondern beobachten, was in der Fotokunst passiert und das auch nachahmen wollen." Dieser Blick werde den Besuchern nun genommen.
2010 besuchten 180 000 Menschen die Photokina, knapp die Hälfte waren Fachbesucher. "Ein wichtiger Teil der Messe geht verloren, nämlich der künstlerische, kulturelle Teil", sagt Schädel. "Das waren hochkarätige Ausstellungen." Die Liste renommierter Fotografen, die in der etwas abseits gelegenen Halle 1 vertreten waren, ist lang: Anton Corbijn, Thomas Hoepker, Martin Parr und Jim Rakete sind nur einige der bekannteren Namen hinter der Linse. Auch jungen Künstlern verschaffte die Ausstellung mit Nachwuchs- und Förderpreisen mehr Aufmerksamkeit, etwa durch den mit 15 000 Euro dotierten "BFF Award" des Bundes Freischaffender Foto-Designer. Ausgeschrieben ist der Preis dieses Jahr wieder – Photokina-Besucher werden die Gewinner aber nicht zu sehen bekommen, vermutet BFF-Geschäftsführer Norbert Waning und sagt: "Ich finde es sehr bedauerlich, dass man diesen Weg gehen musste."
Kleinere Einzelausstellungen und der neu geplante "Boulevard of Competitions" sollen die alte Kunstschau ersetzen. Doch anders als die ruhiger gelegene Halle 1 liegt er am stark frequentierten Knotenpunkt zwischen zwei Hallen. "Man hat nicht mehr die Möglichkeit, sich konzentriert auf Bilder einzulassen", sagt Ditmar Schädel. Außerdem müssen Besucher für einen Blick auf den Boulevard nun den vollen Eintritt zwischen 16 und 120 Euro zahlen, während die alte Galerie kostenlos zugänglich war.
Zugleich wurde die Zahl der ausstellenden Hochschulen von 22 auf 15 reduziert. Entsprechend verärgert reagieren Hobby- und Berufsfotografen im Internet. Die Photokina werde indirekt zur reinen Technikmesse degradiert, obwohl diese doch nur Mittel zum Zweck des guten Bildes sei, schreibt Foto-Fan Christoph Boecken in seinem Blog. Die Fotografin Heike Rost fasst auf ihrer Internetseite zusammen: "Für die wirtschaftlich gebeutelte Branche wäre eine Beschäftigung mit Fotografie und ihren Inhalten enorm wichtig; stattdessen degradiert sie sich auf einen reinen Megapixel-Technikspielplatz." (ssi)