EU und USA: Google darf Motorola schlucken

Google kann aufatmen: Die milliardenschwere Motorola-Übernahme hat die strengen Brüsseler Wettbewerbshüter passiert, die aber den Einsatz der vielen Motorola-Patente genau beobachten will. Auch die USA haben die Übernahme inzwischen abgesegnet.

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Von
  • dpa

Die EU-Kommission hat nach ausführlicher Prüfung die Übernahme des Handy-Herstellers Motorola durch Google gebilligt. Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia erklärte am Montag, das Zusammengehen der beiden Unternehmen wecke keine kartellrechtlichen Bedenken. Zugleich werde die Kommission aber weiterhin den Umgang mit Patenten in der Branche aufmerksam beobachten. Auch das amerikanische Justizministerium hat bekannt gegeben, dass es seine Antitrust-Untersuchungen bezüglich der Übernahme abgeschlossen hat und keine Einwände gegen die Übernahme sieht.

Das US-Justizministerium billigte wohl nicht zufällig im selben Atemzug auch den Kauf großer Patentpakete durch Google-Rivalen. So übernehmen Apple, Microsoft und der Blackberry-Anbieter RIM Patente des insolventen Netzwerk-Ausrüsters Nortel. Und Apple wurde der Kauf von Patenten des Software-Spezialisten Novell erlaubt.

Google will Motorola für 12,5 Milliarden Dollar übernehmen, um das Patent-Arsenal hinter seinem Smartphone-Betriebssystem Android zu stärken. Es hat den größten Marktanteil bei den Computer-Handys, steht aber im Visier vieler Patentklagen. Der Mobilfunk-Pionier Motorola hält tausende Patente – darunter auch viele, die als unverzichtbar für die Umsetzung von Funkstandards wie UMTS gelten. Auch solche Patente setzte Motorola zuletzt im Patentkrieg mit Apple ein. Der Konkurrent musste vor wenigen Wochen sogar für einen Tag einige Modelle seiner iPhones und iPads aus dem Online-Verkauf in Deutschland nehmen, weil Motorola ein Patenturteil des Landgerichts Mannheim vollstrecken ließ. Erst das Oberlandesgericht Karlsruhe als Berufungsinstanz setzte den Verkaufsstopp vorläufig aus. Google wartet jetzt laut The Verge noch auf grünes Licht aus China, Israel und Taiwan, um den Deal abschließen zu können.

Motorolas Firmenzentrale in Libertyville

(Bild: Motorola)

Die Kommission ging bei ihrer Prüfung zum einen der Frage nach, ob Google mit der Übernahme von Motorola den Zugang anderer Smartphone-Hersteller zu Android einschränken würde. Da die Google-Dienste aber generell von einer Ausbreitung der Android-Plattform profitieren, hielten die Brüsseler Kartellwächter dies für wenig wahrscheinlich. Zumal Motorola vom Marktanteil her deutlich kleiner sei als Samsung oder HTC. Zweitens glaubt die EU-Kommission nicht, dass Google mit den Motorola-Patenten eine Vorzugsbehandlung seiner Dienste erreichen könnte.

Google bekräftigte nach der Entscheidung in einem Blog-Posting, die Motorola-Übernahme werde Android einen Schub geben und für mehr Wettbewerb sorgen. Zugleich stellte die Kommission ausdrücklich fest, dass die Freigabe der Übernahme keine zukünftigen Wettbewerbsprobleme wegen des Einsatzes der sogenannten standardessenziellen Patente ausschließe.

Für Patente, die von den zuständigen internationalen Gremien als unverzichtbar für die Umsetzung eines Standards eingestuft werden, gelten jetzt schon besondere Regeln. Die Konditionen, zu denen solche Patente lizenziert werden müssen, sind unter der Abkürzung FRAND bekannt – Fair, Reasonable and Non-Discriminatory. Also: Der vom Patenthalter geforderte Preis muss fair, angemessen und nicht diskriminierend sein. In der Praxis gibt es allerdings immer wieder Streit darüber, was in einzelnen Fällen als fair und angemessen gelten soll.

Die Kommission leitete bereits eine Untersuchung von Samsung ein, weil der koreanische Konzern in seinem Rechtsstreit mit Apple auch Patente einsetzt, die zum Kernstock von Standards gehören. Google versicherte zuletzt ausdrücklich, dass der Konzern den Zugang zu Motorola-Patenten nicht einschränken werde. Den von Apple vorgeschlagenen Verzicht auf Verkaufsverbote auf Grundlage von grundlegenden Standard-Patenten unterstützte Google im Gegensatz zu Microsoft oder dem Netzwerk-Ausrüster Cisco aber nicht.

Bei Nortel übernimmt die Koalition aus Apple, Microsoft und RIM rund 6000 Patente, von denen viele ebenfalls zum Grundstock von Standards gehören. Auch Google war an dem Paket interessiert, zog bei der Auktion mit einem Schlusspreis von 4,5 Milliarden Dollar aber irgendwann nicht mehr mit. Seinerzeit wurde gemunkelt, Apple und Co. hätten die Patente vor allem gekauft, damit Google sie nicht bekommt. Der Internet-Konzern fädelte wenig später die Motorola-Übernahme ein. (mho)