Sabbatical: So funktioniert die berufliche Auszeit

Von einem Sabbatical können Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren. Vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen werden vorab genau geklärt.

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Von
  • Marzena Sicking

Von einem Sabbatical, einer beruflichen Auszeit zwischen 3 und 12 Monaten, träumen viele Arbeitnehmer. Unter welchen Rahmenbedingungen so etwas überhaupt möglich ist und worauf Arbeitgeber und Arbeitnehmer achten müssen, damit es keine bösen Überraschungen gibt, erklärt Rechtsanwalt Alexander Bredereck.

Sobald es in Umfragen um die Wünsche der Arbeitnehmer geht, taucht immer wieder das Thema Sabbatical auf. Wo genau liegt der Unterschied zu einem längeren Urlaub?

Bredereck: Urlaub ist im Arbeitsrecht begrifflich klar definiert und im Bundesurlaubsgesetz gesetzlich geregelt. Es handelt sich um eine bezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung zum Zwecke der Erholung. Der Urlaub wird vergütet. Als "Sabbatical" bezeichnet man in der Regel eine längere Auszeit zur Förderung der zukünftige Leistungsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung von Arbeitnehmern. Die Auszeit erfolgt entweder unentgeltlich oder dadurch, dass der Arbeitnehmer beispielsweise Überstunden anhäuft, die dann im Rahmen des Sabbaticals abgebaut werden. Dann ist auch diese Zeit selbstverständlich zu vergüten.

Gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf ein Sabbatical?

Bredereck: Anders als (viele) Beamte haben Arbeitnehmer keinen gesetzlich verbrieften Anspruch auf einen Sabbatical. In der Rechtsprechung war es einige Zeit lang umstritten, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein Sabbatical gegen den Arbeitgeber aufgrund § 8 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) haben kann. Während das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf in einer älteren Entscheidung vom 1.3.2002 (Aktenzeichen: 18 (4) Sa 1269/01) einen derartigen Anspruch noch bejaht hat, urteilte es am 17.05.2006 (Aktenzeichen: 12 Sa 175/06), dass der Arbeitnehmer einen solchen Anspruch nicht aus § 8 Abs. 4 TzBfG herleiten könne. Nach § 8 Abs. 4 TzBfG hat der Arbeitnehmer einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Verringerung seiner Arbeitszeit, wenn dem keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Das LAG Düsseldorf meint in der jüngeren Entscheidung, dass dies nur die Verringerung der Wochen- oder der Monatsarbeitszeit erlaube, nicht aber die blockweise Reduzierung der Arbeitszeit auf null, wie beim Sabbatical üblich.

Alexander Bredereck arbeitet seit 1999 als Rechtsanwalt und seit 2005 als Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Bredereck Willkomm Rechtsanwälte in Berlin. Er ist Vorstand der Verbraucher- zentrale Brandenburg e.V. sowie Mitglied im Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e.V. und Mitglied im Arbeitskreis Arbeitsrecht im Berliner Anwaltsverein e.V. Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Fachanwalt für Arbeitsrecht ist die Vertretung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Kündigungsschutzprozessen. Kontakt und weitere Informationen: Fachanwalt@Arbeitsrechtler-in.de

Es kommt also immer auch darauf an, dass keine betrieblichen Belange entgegenstehen?

Bredereck: Richtig. Selbst wenn man grundsätzlich einen Anspruch nach § 8 Abs. 4 Teilzeit und Befristungsgesetz bejaht - wenn der Arbeitgeber entgegenstehende betriebliche Belange geltend macht, besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers.

So einfach ist es also nicht mit der Auszeit?

Bredereck: In der Praxis funktioniert das regelmäßig nur dann, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einig sind. Viele Arbeitgeber fördern allerdings einen Sabbatical, weil sie sich davon Vorteile für die Entwicklung der Arbeitnehmer versprechen.

Was ist wenn der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern ein Sabbatical gewährt?

Bredereck: Hier können sich Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Ungleichbehandlung ergeben. Der Arbeitgeber darf nicht willkürlich einem Arbeitnehmer den Sabbatical gewähren, und ihn einem anderen verweigern.

Hat der Arbeitnehmer nach monatelanger Abwesenheit denn Anspruch auf seinen alten Arbeitsplatz oder muss er damit rechnen, sich an einer anderen Position wiederzufinden?

Bredereck: Grundsätzlich ändert der Sabbatical nichts am Inhalt des Arbeitsverhältnisses, wenn nicht in der Vereinbarung über den Sabbatical selbst derartige Änderungen niedergelegt werden. Nichtsdestotrotz kommt es gelegentlich zu faktischen Änderungen während einer langen Abwesenheit des Arbeitnehmers. Hier kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts auch andere Arbeiten zuweisen (was er grundsätzlich sowieso immer kann). Ist die Zuweisung einer neuen Aufgabe nicht vom Weisungsrecht gedeckt, kommt grundsätzlich nur eine Änderungskündigung in Betracht. An deren Wirksamkeit werden strenge Maßstäbe angelegt. Man kann die Wirksamkeit mit einer Kündigungsschutzklage gerichtlich überprüfen lassen.

Kann ein Arbeitgeber, der mit einem Mitarbeiter eine Sabbatical-Vereinbarung getroffen hat, die Umsetzung kurzfristig verweigern, weil z.B. das Unternehmen in einer finanziellen oder personellen Schieflage ist?

Bredereck: Sind in der Sabbatical-Vereinbarung selbst hierzu keine Regelungen getroffen, ist der Arbeitgeber grundsätzlich an die Vereinbarung gebunden. Wahrscheinlich wäre es für den Arbeitergeber in solch einem Fall leichter das gesamte Arbeitsverhältnis zu kündigen, als sich von der Sabbatical-Vereinbarung einseitig wieder zu lösen.

Oder wenn der umgekehrte Fall eintritt und der Arbeitnehmer aus welchen Gründen auch immer die Auszeit nicht mehr nehmen will: hat er Anspruch auf einen finanziellen Ausgleich der angesammelten Stunden?

Bredereck: Grundsätzlich ist auch der Arbeitnehmer an die Vereinbarung gebunden. Einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf eine Aufhebung der Sabbatical-Vereinbarung besteht in der Regel ein Anspruch auf Vergütung etwa im Vorfeld geleisteter Mehrarbeit.

Was passiert, wenn der Arbeitnehmer schon einiges auf seinem Zeitkonto hat und das Unternehmen den Inhaber wechselt oder Insolvenz anmelden muss? Was passiert mit den Ansprüchen?

Bredereck: Wenn der Inhaber wechselt, ist das zunächst kein Problem. Der neue Inhaber ist grundsätzlich an die vom alten Inhaber getroffenen Vereinbarungen gebunden. Problematischer ist eine mögliche Insolvenz.Hier ist es sehr wichtig, dass ein etwa vom Arbeitnehmer durch Mehrarbeit aufgebautes Wertguthaben vom Arbeitgeber insolvenzsicher angelegt wird. Sonst kann viel Geld verloren gehen, da das Guthaben als allgemeine Insolvenzforderung an der Verteilung teilnimmt und hierbei die Quoten regelmäßig sehr niedrig oder nicht vorhanden sind.

Würden Sie Arbeitnehmern raten, sich auf das Thema Sabbatical einzulassen?

Bredereck: Für die allgemeine Persönlichkeitsentwicklung kann ein sinnvoll genutztes Sabbatical sehr wertvoll sein. Arbeitsrechtlich betrachtet bestehen durch die Entfernung vom Betrieb durchaus gewisse Risiken. Trotzdem: wenn im Unternehmen Sabbaticals üblich sind, würde ich durchaus dazu raten.

Und Arbeitgebern?

Bredereck: Hier bin ich nicht so eindeutig. Unter Umständen erwirbt der Arbeitnehmer während des Sabbaticals zum Beispiel Urlaubsansprüche, die bei einer etwaigen nachfolgenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden müssten. Andererseits: gerade bei sehr anstrengenden Jobs kann sich ein Sabbatical sehr positiv auf die allgemeine Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers auswirken. Kleineren Arbeitgebern würde ich schon wegen der mit dem Sabbatical verbundenen rechtlichen und den Vertretungsproblem eher abraten. (masi)