Zypries: Ein letzter Anlauf zum EU-Gemeinschaftspatent

Die Bundesjustizministerin kritisierte den Wankelmut einiger europäischer Regierungen: "Man kann nicht tiefgreifende Reformen des Patentsytems fordern und sie dann aufgrund von nationalen Interessen wieder zerlegen."

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Von
  • Monika Ermert

Die wieder und wieder ins Stocken geratenen Bemühungen um ein Gemeinschaftspatent und eine einheitliche EU-Gerichtsbarkeit stünden jetzt vor ihrem "definitiv letzten Anlauf", meinte Justizministerin Brigitte Zypries zum Auftakt der am heutigen Montag in München gestarteten Konferenz "Die Zukunft der europäischen Patentgerichtsbarkeit". Wenn ein allseits abgestimmtes Gesamtkonzept dafür nicht gelinge, "dann sollten wir auch den Mut haben und das Thema ad acta legen. Dann muss es eben beim Status Quo bleiben." Das sei auch das Fazit, "das wir beim Rat am Wochenende ziehen mussten". Die zweitägige, hochrangig besetzte Konferenz, sei der letzte Beitrag der deutschen EU-Präsidentschaft zu dem Thema.

Zypries kritisierte auch den Wankelmut einiger europäischer Regierungen: "Man kann nicht tiefgreifende Reformen des Patentsytems fordern und sie dann aufgrund von nationalen Interessen wieder zerlegen." Wenn der jetzige letzte Versuch, den die deutsche Ratspräsidentschaft nun in die Hände der portugiesischen und slowenischen Präsidentschaft legt, scheitere, sollte man die Kräfte besser für "erfolgversprechendere Projekte" einsetzen. Dann müsse eben das Patentsystem in Europa "organisch zusammenwachsen", auch wenn es institutionell getrennt bleibe. "Informelle Treffen der Patentrichter und -praktiker" würden dann eine andere, wichtigere Bedeutung erlangen, um diese Harmonisierung voranzubringen, sagte Zypries. Das alles solle übrigens "nicht so klingen, als hätte ich die Hoffnung schon aufgegeben", beruhigte Zypries die Konferenzteilnehmer.

Zypries kündigte an, beim bevorstehenden Treffen mit der neuen französischen Regierung dafür zu werben, dass dort die ablehnende Haltung zum so genannten Londoner Protokoll überdacht werde. Das Londoner Protokoll werde der Test für die "leidige Sprachenfrage", sagte Zypries. Die Verringerung der Sprachen, in die das potenzielle Gemeinschaftspatent zu übersetzen ist, ist einer der Streitpunkte in der Patenreform. Mit dem Londoner Protokoll verzichten die Mitgliedsstaaten auf Übersetzungen, danach müsste ein vom Europäischen Patentamt erteiltes Patent nur noch in die Amtssprachen (Deutsch, Englisch, Französisch) des EPA übersetzt werden. Dadurch ließen sich erhebliche Kosten sparen. Wenn man es nicht einmal schaffe, das Londoner Protokoll von vielen Mitgliedsstaaten unterzeichnet zu bekommen, seien die umfänglichen Patentsystemharmonisierungen noch ungleich schwieriger.

Weniger Bürokratie, weniger Kosten und eine Vereinheitlichung des Systems sind die von Zypries erneut erklärten Ziele des Gemeinschaftspatents, das EU-Patentanmelder auch wettbewerbsfähiger gegenüber anderen großen Patentanmeldern machen solle. Dieses Ziel lohne alle Anstrengungen, sagte Zypries, verwies aber auch auf verschiedene Gründe dafür, warum das EU-Patent immer wieder ins Stocken geraten ist. Zur EU-Erweiterung, durch die plötzlich zahlreiche neue Mitgliedsländer mit am Tisch säßen, verlange, dass "wir alten EU-Staaten uns Zeit nehmen müssen, um uns eingehend mit den Vorstellungen, Wünschen und auch Voraussetzungen der Neuen zu befassen".

Gleichzeitig habe sich trotz relativ einheitlicher Zielperspektive das Thema Patentrecht in den vergangenen Jahren "von einer Fachmaterie zu einem hochpolitischen Feld entwickelt". Zypries verwies auf die kritische Einstellung "der Community" gegen Softwarepatente sowie auf an das Patentrecht herangetragene gesellschaftliche Forderungen nach einem angemessenen Schutz der Forschungsfreiheit oder des Wettbewerbs. Mehr und mehr, betonte Zypries, werde die öffentliche Debatte um das Patentrecht von Fragen bestimmt, ob etwa Pharmapatente die Versorgung der Entwicklungsländer mit Arzneimitteln behinderten. Immer kritischer würden auch Gen- oder Biotechpatente diskutiert. Der notwendige Interessenausgleich klinge manchmal schon ein wenig wie die Quadratur des Kreises, aber das Ziel sei alle Anstrengungen wert.

Einen weiteren Anlauf zur internationalen Patentharmonisierung haben übrigens just in der vergangenen Woche die Industrieländer bei der World Intellectual Property Organisation beschlossen. Dort soll die Arbeitsgruppe für eine Harmonisierung des Patentrechts weltweit 2008 wieder aufgenommen werden, die man letztes Jahr wegen unüberbrückbarer Schwierigkeiten ad acta gelegt hatte. Im Umfeld der Münchener Veranstaltung protestierte der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) gegen den "ungebrochenen Ruf nach Durchsetzung wackliger Patente".

Zum Patentwesen sowie zu den Auseinandersetzungen um Softwarepatente und um die EU-Richtlinie zur Patentierbarkeit "computer-implementierter Erfindungen" siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den aktuellen Meldungen):

(Monika Ermert) / (jk)