Verfassungsrichter geben Nachhilfeunterricht beim Datenschutz

Datenschützer gehen seit Jahren dagegen vor, dass staatliche Stellen wahllos Nutzerdaten aus dem Telefon- und Internetverkehr abgreifen dürfen. Jetzt haben sie in Karlsruhe einen Teilerfolg erzielt.

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Von
  • Peter Zschunke
  • dpa

Beim Telefonieren und im Internet werden immer mehr Daten erfasst. Damit wachsen die Begehrlichkeiten der Ermittlungsbehörden. Auch ohne konkreten Tatverdacht beschafften sich Behörden jährlich mehrere Millionen Nutzerdaten in der Telekommunikation, kritisiert der Datenschützer Patrick Breyer, der am Freitag zusammen mit seinem Bruder Jonas einen Teilerfolg vor dem Bundesverfassungsgericht erzielte.

"Wir bekommen ein Drittel unserer Kosten erstattet", sagte Breyer nach der Entscheidung in Karlsruhe der Nachrichtenagentur dpa. "So geht das Gericht wohl davon aus, dass wir zu einem Drittel Recht hatten."

Auch nach der Karlsruher Entscheidung dürfen Behörden grundsätzlich weiterhin auf Rufnummern, Namen und Adressen von Internetnutzern und Telefonkunden zugreifen. Für verfassungswidrig erklärten die Richter hingegen eine Bestimmung, die Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten den Zugriff auf PIN-Codes und Passwörter erlaubte, etwa für E-Mail-Konten oder zur Entsperrung von beschlagnahmten Mobiltelefonen. Hier muss der Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2013 nachbessern. Bis dahin dürfen die Daten nur unter engeren Voraussetzungen abgefragt werden.

Nicht mehr zulässig ist nach der Entscheidung die Abfrage, welcher Internet-Nutzer sich hinter einer dynamischen IP-Adresse verbirgt. Die Richter schließen solche Abfragen zwar nicht grundsätzlich aus - die derzeitige Regelung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) biete hierfür aber keine ausreichende Grundlage. Hier müsste der Gesetzgeber also gleichfalls nachbessern, und eine ausdrückliche Ermächtigung in das Gesetz schreiben.

"Die Strafverfolgungsbehörden sind darauf angewiesen, die hinter einer IP-Adresse stehenden Personen zu ermitteln", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Auch die Düsseldorfer Rechtsanwältin Eva Dzepina hält die Recherchen der IP-Adressen für notwendig: "Aus der Perspektive eines etwa durch unwahre oder beleidigende Äußerungen im Internet Verletzten ist es sehr wichtig, über die IP-Adresse herausfinden zu können, wer der Rechtsverletzer ist."

Experten des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) räumen ein, dass die inhaltlichen Konsequenzen aus der Karlsruher Entscheidung überschaubar sind. Letztlich besage das Urteil, dass das Telekommunikationsgesetz in den beanstandeten Teilen schlampig formuliert sei. Jetzt komme es darauf an, bei der fälligen Nachbesserung des Gesetzes die damals missachteten Argumente der Datenschützer wieder zu Gehör zu bringen. "Ich kann mir auch vorstellen, dass die Schwelle für den Eingriff etwas angehoben wird", sagte die Stellvertretende Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Marit Hansen.

Gescheitert ist die schon 2005 eingereichte Beschwerde der beiden Brüder allerdings bei dem Versuch, die Vorschrift zu kippen, die bei der Anmeldung eines Telefonanschlusses die Angabe persönlicher Daten vorschreibt - dies richtet sich etwa gegen die Nutzung anonymer Prepaid-Telefonkarten. Diese Vorschrift sei verhältnismäßig, befanden die Richter und diene "einer effektiven Aufgabenwahrnehmung" der Behörden. Der Staat habe "anlassbezogen ein legitimes Interesse an der Aufklärung bestimmter Telekommunikationsvorgänge". Die Beschwerdeführer wollen sich in dieser Frage jetzt an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wenden.

"Den Trend zu mehr Überwachung und Kontrolle gibt es seit Jahrzehnten", kritisiert Patrick Breyer, der sich im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und in der Piratenpartei engagiert. "Das Verfassungsgericht stoppt nur die ärgsten Auswüchse. Letztlich kann das nur die Politik aufhalten." Das Urteil gebe jetzt die Gelegenheit, bei der erforderlichen Änderung des Gesetzes neu nachzudenken. (vbr)