Gegner des "Two Strikes"-Modells formieren sich

Provider und Politiker von CDU und SPD lehnen die Einführung eines Systems der "abgestuften Erwiderung" auf Urheberrechtsverstöße ab. Eine Studie des Informationsrechtlers Thomas Hoeren hält solch ein System sogar für äußerst bedenklich.

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Internetprovider und Politiker von CDU und SPD lehnen die Einführung eines Systems der "abgestuften Erwiderung" auf Urheberrechtsverstöße ab. Hierzulande gebe es bereits mit dem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch und damit ermöglichten Abmahnungen eine Art Warnhinweismodell, erklärte Michael Kretschmer, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, am Mittwoch auf einer Veranstaltung des Verbands der deutschen Internetwirtschaft Eco in Berlin. Bedauerlicherweise nutzten die Rechteinhaber diese Instrumente aber entgegen der Absicht des Gesetzgebers zu scharf. So habe sich die Definition für einfache Fälle, in denen eine Abmahnung im ersten Fall auf 100 Euro begrenzt werden solle, "in der Rechtspraxis anders entwickelt, als von uns vorgesehen".

Generell müsse "das Recht auf geistiges Eigentum durchgesetzt werden können", befand Kretschmer. Dafür hätten die Zugangsanbieter die Grundlage zu schaffen und Verbindungsdaten entsprechend vorzuhalten. Bei Providern wie bei der Deutschen Telekom, die IP-Adressen sieben Tage aufbewahrten, sei dies kein Problem. Andere Anbieter dagegen löschten Verbindungsdaten bei Flatrates sehr schnell. Trotzdem dürfe aber nicht jeder rechtswidrige Abruf eines Songs oder Videos eine Abmahnung nach sich ziehen.

Burkhard Lischka, Michael Kretschmer, Oliver Süme, Hans-Joachim Otto und Mark Vasic (v.l.n.r.)

(Bild: Stefan Krempl)

Ähnlich wie der CDU-Politiker äußerte sich Burkhard Lischka, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Der Auskunftsanspruch hat sich seiner Ansicht nach bewährt; er funktioniere wie ein "vorgerichtlicher Warnschuss". Der Sozialdemokrat wandte sich so gegen das Plädoyer eines vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Gutachtens, das die Einführung eines zweistufigen Warnmodells gemäß dem "Two Strikes"-Ansatz für geboten hält. Dafür müssten die Zugangsanbieter eine "Liste mit Wiederholungstätern führen" und selbst die Täterschaft feststellen, kritisierte Lischka. Eine solche "Privatisierung der Rechtsverfolgung" sei bedenklich. Offen sei zudem, wann Ertappte wieder aus der Datenbank gelöscht würden und wie die Informationen bei einem Providerwechsel weitergegeben werden sollten.

Mark Vasic von der Telekom forderte ebenfalls Rechtssicherheit darüber, dass ein Vorwurf auch tatsächlich berechtigt sei. Man könne nicht "per Zufall" Warnhinweise verschicken. Weit wichtiger als ein solches Modell sei der Ausbau des Marktes für legale digitale Inhalte. Der Konzernvertreter appellierte ferner an die Politik, beim Auskunftsanspruch nachzujustieren und die Unterscheidung zwischen privaten sowie gewerblichen Nutzern im Urheberrecht zu schärfen. Nur so könne die entstandene Abmahnindustrie zurückgedrängt werden. Vasic erinnerte zugleich an die schon jetzt gegebene Möglichkeit für Rechteinhaber, statt einer kostspieligen Abmahnung einen einfachen Warnhinweis an Copyright-Sünder zu schicken.

Rückhalt gibt den Providern eine neue rechtliche Einschätzung des "Two Strikes"-Modells. Der Münsteraner Informationsrechtler Thomas Hoeren kommt in einer vom Eco in Auftrag gegebenen Studie zum Schluss, dass das Prinzip mit dem Fernmeldegeheimnis nicht vereinbar sei. Die Kompatibilität mit dem EU-Recht stellt die 40-seitige, heise online vorliegende Untersuchung in Frage. Zudem seien die Warnhinweise datenschutzrechtlich "äußerst bedenklich". Der Rechtsprofessor beklagt weiter, dass das umstrittene Modell einseitig die Interessen der Rechteinhaber stärke. Provider würden von ihren Kunden für ein solches Vorgehen moralisch verantwortlich gemacht.

Hoeren hält ferner fest, dass IP-Adressen nicht einwandfrei bestimmten Nutzern zuzuordnen seien. Auch aus praktischer sowie technischer Sicht sei daher der Vorstoß, von dem die eigentlichen geistigen Schöpfer kaum profitierten, abzulehnen. Letztlich fürchtet der Experte, dass aus den zwei "Streichen" rasch drei werden könnten und Verwarnungen doch in Zukunft die von der derzeitigen Bundesregierung abgelehnten Zugangssperren nach sich ziehen könnten. Sinnvoller als eine weitere Verschärfung der aktuellen Rechtslage wäre eine grundsätzliche Anpassung des Urheberrechts an die Ansprüche des digitalen Zeitalters.

Hans-Joachim Otto, Staatssekretär im Wirtschaftsressort, brach trotzdem eine Lanze für "Two Strikes". Dem FDP-Politiker zufolge ist deren Abschreckungswirkung wesentlich höher als bei Abmahnungen, da der Downloader quasi "am Tatort" ertappt werde. Das Prinzip der Datensparsamkeit erfordere es sogar, Hinweise zunächst im Verhältnis zwischen Provider und Kunden zu belassen sowie "nicht gleich beim ersten kleinen Verstoß vor Gericht zu ziehen und Klarnamen abzufragen". Personenbezogene Daten erhalte der Rechteinhaber erst nach den ersten beiden Verstößen. "Der Staat sollte ein politisches Signal setzen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum und geistiges Eigentum nicht immer kostenlos verfügbar ist", machte Otto deutlich. Im Rahmen des nächsten "Wirtschaftsdialogs" Mitte März müssten endlich Wege gegen die inakzeptablen Urheberrechtsverstöße im Netz beschritten werden. (mho)