Informatikervereinigung fordert Lizenz zum Kopierschutzknacken

Die Gesellschaft für Informatik macht sich für ein wissenschafts- und nutzerfreundliches Urheberrecht stark und pocht auf ein Recht zum Umgehen von Kopierschutzmechanismen für das Erstellen von Privatkopien.

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In den hitzigen Streit um die weitere Reform des Urheberrechts hat sich nun auch die Gesellschaft für Informatik (GI) eingeschaltet. Die Vereinigung appelliert im Rahmen der Veröffentlichung eines 14-seitigen Positionspapiers (PDF-Datei) an die Bundesregierung, mit ihren Plänen zur Neufassung des Urheberrechts die freie Entfaltung der Wissensgesellschaft zu fördern und den ungehinderten elektronischen Zugang zu Wissen und Bildung zu garantieren. Im Interesse der Zukunftsfähigkeit Deutschlands müssten Kopierregeln entwickelt werden, die dem Informationszeitalter und der Wissensgesellschaft gerecht werden.

In der nach intensiven internen Beratungen verabschiedeten Stellungnahme, welche die Überschrift "Originale brauchen Kopien" trägt und sich damit auf eine Informationskampagne des Bundesjustizministeriums unter dem Aufhänger "Kopien brauchen Originale" bezieht, fordern die Informatiker unter anderem eine Möglichkeit zum Brechen momentan gesetzlich geschützter technischer Kopierblockaden. In Anlehnung an eine im Schweizer Entwurf zur Urheberrechtsrevision vorgesehene Regelung müsse auch in die Planungen für die hiesige zweite Reformstufe "eine gesetzliche Bestimmung aufgenommen werden, die dem in wissensbasierten Gesellschaften besonders wichtigen Postulat nach freiem Informationsfluss besser gerecht wird", heißt es in dem Papier. Konkret soll ausdrücklich das Verbot aufgehoben werden, technische Schutzeinrichtungen zur Erstellung von Kopien für den rein privaten Gebrauch und wissenschaftliche Zwecke zu umgehen. In diesen Fällen dürfte ein Knacken der technischen Fesseln weder zivil- noch strafrechtliche Konsequenzen haben.

Generell betrachtet die GI die Entwicklung bei Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) und Trusted Computing (TC) mit Sorge. Obwohl sie diese Techniken bislang für "weitgehend wirkungslos" hält, dürften sie nicht dazu eingesetzt werden, "die private und bibliothekarische Nutzung rechtmäßig erworbener Inhalte zu behindern". Archivierung, Herstellung von Interoperabilität auch mit Open Source-Systemen oder beispielsweise die Anfertigung einer Privatkopie einer Audio-CD zur Nutzung im PKW würden oft den Bruch eines Kopier- oder Abspielschutzes erfordern. Mittels DRM geschützte Inhalte müssten daher per Gesetz analog zu ungeschützten Inhalten zur Nutzung freigegeben werden, "auch wenn dazu gegebenenfalls ein DRM gebrochen werden muss". Andererseits soll es laut GI weiterhin verboten bleiben, urheberrechtlich geschütztes Material über Tauschbörsen zu verbreiten. Diese Klausel soll unabhängig davon gelten, ob für das Filesharing-Angebot eine Schutzmaßnahme umgangen werden musste.

Die GI macht sich ferner im Rahmen der "Open Access"-Bewegung dafür stark, allen Benutzern ein freies, unwiderrufliches und weltweites Zugangsrecht zu Veröffentlichungen zu ermöglichen und das Internet als Medium zur Wissensverbreitung zu nutzen. Die Informatikervereinigung ruft deshalb ihre Mitglieder auf, ihre Arbeiten nach dem Prinzip des offenen Zugangs zu publizieren, zur Qualitätssicherung der "Open Access"-Veröffentlichungen beizutragen und alle Bestrebungen zu unterstützen, das elektronisch verfügbare Wissen für kommende Generationen verfügbar zu halten.

In der Auseinandersetzung um die laufende Novelle stellt sich die GI gleichzeitig gemeinsam mit dem von ihr unterstützten Aktionsbündnis "Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" gegen die Lobbybemühungen von Verlegern unter dem Dach des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. So fordert sie eine sehr weite Regelung zur Einrichtung elektronischer Leseplätze im Wissenschaftsumfeld: der elektronische Zugriff auf veröffentlichte und in Bibliotheken verfügbare Werke muss ihrer Ansicht nach "von jedem Rechner eines Hochschul- oder Wissenschaftsnetzes aus gestattet werden."

Ferner soll der Versand digitaler Kopien durch Bibliotheken unabhängig von Angeboten der Verlage über Lieferdienste wie subito möglich sein, damit Wissenschaftler und Studierende die von ihnen benötigte, vor Ort nicht vorhandene Literatur auch weiterhin schnell und kostengünstig erhalten. Die GI wirbt zudem für eine vollständige Aufhebung der Befristung für die Intranet-Klausel zur Bereithaltung geschützter Werke für Unterrichtszwecke.

Zu den Diskussionen um das geistige Eigentum, zu den juristischen Streitigkeiten um das Urheberrecht und zur Novellierung des deutschen Urheberrechtsgesetzes siehe den Online-Artikel in "c't Hintergrund" (mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln aus der Berichterstattung auf heise online und zu den Gesetzesentwürfen und -texten):

(Stefan Krempl) / (jk)