Microsoft: Vista kommt, wenn es fertig ist

Ob der Windows-XP-Nachfolger Vista wie geplant wirklich im November beziehungsweise Januar erscheinen wird, ist auch nach der gestrigen Analystenkonferenz anscheinend immer noch nicht klar.

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Mit seinen Äußerungen auf der gestrigen Analystenkonferenz seines Konzerns hat Kevin Johnson, Microsofts Co-Präsident und Chef der Platforms & Services Division, offenbar die Börsianer nervös gemacht. "Wir werden Windows Vista ausliefern, wenn es fertig ist", sagte er in seiner Rede. Darin bezog er sich zwar ausdrücklich auf die Ankündigungen vom März, das kommende Betriebssystem Vista werde im Januar 2007 erscheinen, im November 2006 werde es eine Geschäftsversion geben. Doch Johnson betonte auch, dass die Qualitätsicherung oberste Priorität habe. Von einer Verschiebung des Starttermins sprach Johnson also eigentlich nicht, doch seine Betonung darauf, Microsoft werde Schritt für Schritt gehen, sorgte dafür, dass der Kurs der Microsoft-Aktie an der New Yorker Börse um 2 Prozent nachließ.

"Wir hatten eine großartige Beta 2, sie wurde zwei Millionen Mal heruntergeladen", sagte Johnson weiter, derzeit würden die Rückmeldungen ausgewertet. Der nächste Schritt sei die Herausgabe des Release Candidate 1.0, der noch für dieses Quartal "erwartet werden sollte". Anscheinend half es den nervösen Börsianern nicht, dass Johnson darauf bestand, es gebe derzeit keine Anzeichen dafür, dass die im März veranschlagten Erscheinungstermine nicht eingehalten würden – zumal Bill Gates höchstpersönlich laut Medienberichten im vergangenen Monat gesagt habe, die Chancen stünden 80 Prozent, dass die Starttermine eingehalten werden könnten.

Microsoft-CEO Steve Ballmer beschäftigte sich in seinen Ansprachen zunächst mit dem Gedanken, demnächst ohne seinen langjährigen Kompagnon Gates auskommen zu müssen. Er hatte im Juni angekündigt, sich im Jahr 2008 aus dem Tagesgeschäft seiner Firma zurückziehen zu wollen und nahm erstmals seit Jahren nicht an der regelmäßigen Analystenkonferenz teil, sondern hält sich derzeit in Afrika auf. Gates' Rückzug und die kommenden Software-Neuerscheinungen Office 2007 sowie Vista markierten eine neue Ära bei Microsoft, meint Ballmer.

Aber auch Ballmer vergaß nicht, die Analysten zu besänftigen, indem er versprach, es würden künftig keine fünf Jahre zwischen zwei wichtigen Erscheinungsterminen liegen wie zwischen Windows XP und Vista. Es werde aber immer Mitarbeiter geben, die mehr als ein paar Jahre an einem Projekt arbeiten. So ließ der Microsoft-Chef dann doch wieder keine konkreten Rückschlüsse darauf zu, wann der Vista-Nachfolger mit Codenamen Vienna das Licht der Welt erblicken könnte.

Doch Microsoft hat über sein angestammtes Softwaregeschäft weitere Kernbereiche, betonte Ballmer: "Das ist wirklich ein Sony, das in uns lebt, auch ein Yahoo oder Google, und es schleicht ein IBM-Mainframe-Softwaregeschäft in uns herum." Ballmer meinte, er habe sein Investment-Portfolio zu 85 bis 90 Prozent in Microsoft stecken, er denke über das Unternehmen wie über etwas, das er besitze. Daher wolle er Microsoft in allen guten, wichtigen und wachstumsträchtigen Branchen der Welt sehen. Bisher habe sich Microsoft aus allen Bereichen, in das es sich im Laufe der Unternehmensgeschichte vorgewagt hat, nicht zurückgezogen.

Ballmer hatte schon im Mai die Investitionserhöhungen seines Unternehmens, die bei Investoren auf Unmut gestoßen waren, verteidigt. Bei dieser Gelegenheit trug er nun nach, sein Unternehmen werde keinen Cent mehr als nötig investieren, aber Microsoft wolle expandieren und innovativ sein. Firmen wie IBM, SAP, EMC, Google und Apple, die sich auf wenige Kernbereiche konzentrierten, seien keine schlechten Unternehmen; ihnen seien andere Unternehmen vorausgegangen, die heute nicht mehr existierten. Zu den Geschäftsfeldern, auf denen Microsoft expandieren will, gehört auch der Markt der tragbaren Musikplayer. "Es gibt keine andere Firma, die in dieser Zeit in diesen Markt einsteigen würde", sagte Ballmer offensichtlich in Richtung der Kritiker des geplanten Microsoft-Players Zune. "Niemand anderer hat den Optimismus und die finanziellen Möglichkeiten." (anw)