Cebit

Brasilianische Klänge zur CeBIT-Eröffnung

Die Präsidentin des Partnerlandes ist stolz auf Brasiliens Wachstum im ITK-Sektor. Der 195-Millionen-Einwohner-Staat gewinnt nicht nur als Absatzmarkt sondern auch als Exporteur etwa von Software an Bedeutung.

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Von
  • Sven-Olaf Suhl

Die Live-Schaltung zum ISS-Astronauten mit CeBIT-Laptop sollte zeigen: Die CeBIT ist und bleibt die wichtigste Branchenmesse.

(Bild: Martin Fischer)

Mit einer Live-Schalte ins Weltall zur Internationalen Raumstation ISS hat Bundeskanzlerin Merkel am Montagabend die CeBIT 2012 eröffnet. "Wir fliegen gerade über die Erde, es sieht sehr schön aus hier, da ist der Atlantik, Brasilien", schilderte der niederländische Astronaut André Kuipers seine Eindrücke und beantwortete anschließend Fragen ausgewählter Gäste.

Unten auf der Erde hatte sich indes Brasiliens Präsidentin Dilma Vana Rousseff gleich mit fünf Kabinettsmitgliedern zur Eröffnungsfeier nach Niedersachsen begeben. Und ihre Heimat, diesjähriges Partnerland der traditionsreichen Leistungsschau der Informations- und Kommunikationsbranche (ITK), setzte nicht nur musikalische und visuelle Akzente während der künstlerischen Darbietungen zwischen den Reden zur feierlichen Eröffnung. Die Zahlen, die Präsidentin Rousseff in ihrer Rede zur ITK-Wirtschaft ihrer Heimat parat hatte, lassen aufhorchen: 2011 sei das knapp 200 Millionen Einwohner zählende Land der Welt drittgrößter Markt für PCs und fünftgrößter für Mobiltelefone gewesen. 41 Millionen Brasilianer, ein Fünftel der Bevölkerung also, verfügten inzwischen über einen breitbandigen Internet-Zugang.

Die brasilianische Staatspräsidentin Dilma Rousseff unterstrich in ihrer Rede die immense Bedeutung des Wachstumslandes Brasilien für die IT-Industrie.

(Bild: Martin Fischer)

Doch nicht nur als Absatzmarkt sondern auch als Exporteur von ITK-Produkten gewinne das südamerikanische Land an Bedeutung. So sei im vergangenen Jahr Software im Wert von 2,5 Milliarden US-Dollar exportiert worden. Neue Untersee-Glasfaser-Leitungen sollen dem Staatsoberhaupt zufolge den Datenaustausch beschleunigen: Außer einer Ringleitung um Südamerika seien neue Verbindungen nach Nordamerika, Europa und Afrika geplant.

Zugleich hob Rousseff die Bedeutung des Internet für den gesellschaftlichen Wandel hervor: Es sei ein Instrument zur sozialen Integration und Grundlage zur Ausübung von Bürgerrechten – niemand dürfe aus der "digitalen Welt" ausgeschlossen werden.

Der brasilianische Sänger Carlinhos Brown brachte einen Hauch südamerikanisches Flair ins Hannover Congress Centrum.

(Bild: Martin Fischer)

Auch Googles Executive Chairman, Eric Schmidt, hatte zuvor die gesellschaftliche Bedeutung des Internet zu einem Schwerpunkt seiner Rede gemacht. Das Datennetz bestehe nicht nur aus der Verknüpfung von Maschinen, sondern sei ein "Netzwerk der Köpfe", das gleichsam ein "globales Bewusstsein" schaffe. Was die Auswirkungen der globalen Kommunikation für Freiheit und Demokratie angeht, zeichnete Schmidt ein Bild mit Licht und Schatten: Zum einen würden auch wenig Kaufkräftige von den wachsenden und billiger werdenden Zugangsmöglichkeiten zum Internet profitieren: "Die Schwachen werden stärker, die Armen werden wenigstens etwas bekommen." Zugleich werde die Schere zwischen oben und unten in der Informationsgesellschaft größer – die Gefahr eines wachsenden "Knowledge Gap" hatten unter dem Eindruck der Massenmedien, vor allem des Fernsehens, freilich schon US-Wissenschaftler Anfang der 1970er-Jahre diagnostiziert.

Auch in Sachen Internet-Zensur gab Schmidt keine Entwarnung: So sei die Zahl der Regierungen, die den freien Informationsfluss behindern, in den vergangenen Jahren auf nun 40 gewachsen. Andererseits sei der Datenfluss "wie Wasser, das sich seinen Weg sucht" und letztlich nicht zu stoppen ist.

Googles Executive Chairman Eric Schmidt bekräftigte die gesellschaftliche Relevanz des Internet.

(Bild: Martin Fischer)

Zu den im Zusammenhang mit Google derzeit kontrovers diskutierten Themen, darunter die Datenschutz-Novelle des Konzerns oder die Forderung der deutschen Regierungsparteien nach einer Vergütung für die Verbreitung journalistischer Inhalte durch Suchmaschinen, verlor Schmidt hingegen ebenso wenig ein Wort wie die Bundeskanzlerin. Merkel betonte in ihren Worten zum Messeauftakt: "Man muss sicher sein, dass die Daten nicht verschwinden und von anderen benutzt werden. Ich glaube, es ist ein sehr gutes Thema im Blick auf das, was die CeBIT darstellt" und schlug damit eine rhetorische Brücke zum diesjährigen Messemotto "Managing Trust".

Merkel erklärte die sinkende Macht Europas und die derzeitige Eurokrise als Herausforderungen für Wirtschaft und Politik.

(Bild: Martin Fischer)

Anstatt wie ihre Vorrednerin von rasanter Marktentwicklung schwärmen zu können, benannte Merkel den demographischen Wandel, den Fachkräftemangel und die Eurokrise als Herausforderungen für die ITK-Branche auf dem alten Kontinent. Immerhin hatte der Bitkom vor der Veranstaltung seine Prognose veröffentlicht, dass der ITK-Markt in der Bundesrepublik 2012 um voraussichtlich 1,6 Prozent wachsen werde. Die Anwesenheit von Rousseff, Merkel und Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister nutzte Bitkom-Präsident Dieter Kempf als Gelegenheit, den politischen Entscheidungsprozess rund um ACTA zu kritisieren: Ein solches Regelwerk dürfe nicht "jahrelang hinter verschlossenen Türen“ erarbeitet und dann mit einem Mal "aus dem Hut gezaubert" werden. Im Gegenzug müssten die Bürger einmal getroffene, demokratisch legitimierte Entscheidungen auch akzeptieren.

Die CeBIT 2012 ist von Dienstag bis Samstag (10. März) für Besucher geöffnet. Mit 4200 Ausstellern aus 70 Ländern konnte der Branchentreff in diesem Jahr wieder etwas zulegen. Die Veranstalter hoffen, in diesem Jahr rund 340.000 Besucher anzulocken. (mfi) / (ssu)