Bundesregierung lobt neues Urheberrecht auch aus Verbrauchersicht

Das Bundesjustizministerium hat in einer Bewertung der Einigung von Schwarz-Rot über die zweite Stufe der Urheberrechtsnovelle versucht, die Vorteile für verschiedene Interessensgruppen herauszustreichen.

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Das Bundesjustizministerium hat in einer Bewertung der Einigung von Schwarz-Rot über die heftig umstrittene zweite Stufe der Urheberrechtsnovelle versucht, die Vorteile für verschiedene Interessensgruppen herauszustreichen. Dabei hat die Behörde auch positive Neuregelungen für die Nutzer im so genannten 2. Korb der Reform entdeckt. "Kopien zum privaten Gebrauch sind möglich", heißt es in der heise online vorliegenden Darstellung des Kompromisses zum Regierungsentwurf der großen Koalition. Es folgt aber die Einschränkung, dass Privatkopien künftig auch nicht mehr "von offensichtlich rechtswidrig zugänglich gemachten Vorlagen" gezogen werden dürfen. Bisher sind sie "nur" bei "offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlagen" verboten. Bei der neuen Formulierung handelt es sich laut dem Justizministerium um eine "notwendige Ergänzung" zur Einschränkung privater Kopien, um besser gegen die Verbreitung geschützter Werke in Tauschbörsen vorgehen zu können.

Andere mehr oder weniger erfreuliche Aspekte, die sich allein auf die Verbraucher beziehen, kann das Justizministerium nicht ausmachen. Wobei es nicht einmal erwähnt, dass die Privatkopie weiterhin an Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) ihre Grenze findet. Eine Erlaubnis zum Umgehen technischer Kopierblockaden zur Durchsetzung der privaten Kopiermöglichkeit, wie sie etwa in der Schweiz geplant ist, soll es hierzulande nicht geben. Keine Rede ist auch mehr vom Wegfall der zunächst von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) vorgeschlagenen Bagatellklausel fürs straffreie Naschen an P2P-Netzwerken.

Dafür hat das Ministerium andere Regelungen, die zugleich für andere Zielgruppen interessant sind, mit in der Übersicht der nutzerfreundlichen Neuerungen aufgelistet. So werde etwa klargestellt, dass der Urheber sein Werk kostenlos zur Verfügung stellen kann, indem er jedermann ein einfaches Nutzungsrecht einräumt. Damit werde eine befürchtete Rechtsunsicherheit für "Open-Source"-Software und Open Content beseitigt. Einer Schriftform bedürfe es dabei nicht, da entsprechende freie Lizenzen etwa für Linux oder Wikipedia öffentlich mit dem jeweiligen Werk verbunden seien.

Auch die Bestimmungen zu elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken, Museen und Archiven bezeichnet das Ministerium mit als Erfolg für die Verbraucher. Es unterstreicht dabei, dass die genannten Einrichtungen die Anzahl der digitalen Werke im Vergleich zum Bestand etwa "bei Belastungsspitzen" vervierfachen könnten. Dies bringe "klar" die wissenschaftliche Arbeit voran und vermittle zugleich "mehr Medienkompetenz für Forschende und Studierende". Die Begrenzungen würden aber auch dem "Schutz der wissenschaftliche Verlage und damit zugleich ihrer Bedeutung für die Wissenslandschaft" dienen.

Als "tragfähigen Kompromiss zwischen den Interessen der Bibliothek, des jeweiligen Nutzers und der Verlage" sehen die Ministerialbeamten ferner die erstmals eingeführte Erlaubnis für Büchereien, Teile von Werken aus ihrem Besitz zu kopieren und zu versenden. Bisher sei die entsprechende elektronische Fernleihe von Diensten wie subito auf rechtlich unsicherem Boden durchgeführt worden. Aber auch hier gelten gravierende Einschränkungen: So ist der Versand nur als grafische Datei per E-Mail möglich und nur für Zwecke des Unterrichts und der Forschung. Ferner gilt die Klausel nur, wenn der jeweilige Verlag nicht ein eigenes Angebot zu in der Regel deutlich höheren Preisen "für jeden offensichtlich, zu jeder Zeit, an jedem Ort und zu angemessenen Bedingungen" bereithält. Wissenschaftler hatten auf einer parlamentarischen Anhörung deutlich darüber hinausgehende Anforderungen an ein Urheberrecht für die Wissensgesellschaft aufgestellt.

Als Schmankerl für die Schulbuchverlage führt die offizielle Bewertungshilfe die Bestimmung an, dass Inhalte aus ihren Werken nur mit ihrer Zustimmung kopiert oder etwa in einem Intranet in Auszügen digital zugänglich gemacht werden dürfen. Dies sei aufgrund des speziellen und eng umgrenzten Absatzmarktes gerechtfertigt. Rein quantitativ nehmen ansonsten die vom Justizministerium ausgemachten Vorteile für Urheber und Künstler den meisten Raum in der Übersicht ein. So stelle etwa die Neufassung der Gerätepauschale für private Kopien eine "erhebliche Verbesserung" für diese Klientel dar. Sie dürfte künftig "mit einer höheren Vergütung und deren zügigeren Ausschüttung" rechnen.

Einen "vernünftigen Ausgleich" zwischen dem Interesse der Verwerter an einer Ausschöpfung der Verwertungskette und den unterschiedlichen Interessen der Urheber sieht das Ministerium auch bei der jetzt getroffenen Formulierung zum Ermöglichen "unbekannter Nutzungsarten". Neu ist jetzt die Vereinbarung entsprechender Verwertungen und gleichzeitig auch die spätere Verweigerungsmöglichkeit durch Widerruf bei Neuverträgen. Der Urheber, der vorher unbekannte Nutzungsarten eingeräumt hat, muss demnach für seine Erreichbarkeit sorgen. Der Verwerter, der in der neuen Art nutzen will, muss zudem den Urheber darüber informieren. Vergleichbare Regelungen gelten bei Altverträgen. Die von Schwarz-Rot abgesprochenen Änderungen an der Regierungsvorlage sollen am Mittwoch im Rechtsausschuss und am Donnerstag im Plenum des Bundestags verabschiedet werden.

Zur Diskussion um das Urheberrecht, das geistige Eigentum, Tauschbörsen und illegale Kopien sowie um die Urheberrechtsnovellierung siehe die Übersicht mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln und zu den Gesetzesentwürfen und -texten:

(Stefan Krempl) / (pmz)