Fristlose Kündigung für "Cloud Computing"!

Eine aktuelle Studie im Auftrag von Dell und Intel unter kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bringt es an den Tag: Cloud Computing ist hier noch überhaupt nicht angekommen. Das liegt zum großen Teil am Begriff selbst.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking
inoX-tech-Geschäftsführer Michael Döderlein

inoX-tech-Geschäftsführer Michael Döderlein

(Bild: inoX-tech)

Lieber Michael Döderlein, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters inoX-tech in München,

in der vergangenen Woche hat das IT-Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Experton-Group die Umsatzvorhersage für einzelne Bereich des Cloud Computings gesenkt. Das ist insoweit bemerkenswert, als der Cloud-Hype ja noch immer in vollem Gange ist. Auch die Experton-Goup selbst sagt, dass der gesamte "Cloud-Markt weiterhin sehr stark wächst“, nur eben nicht in allen Bereichen. So nahmen die Analysten aus Kassel die Umsatzprognose für den Bereich Infrastructure-as-a-Service (IaaS) von ursprünglich 168 auf 155 Millionen Euro zurück. Auch die Anbieter von Plattform-as-a-Service-Angeboten (PaaS) werden in diesem Jahr nicht auf ihre Kosten kommen, prognostizieren die Experton-Analysten Dr. Carlo Velten und Steve Janata in ihrem wöchentlichen ICT-Newsletter.

Das passt so gar nicht ins Bild der schönen neuen Cloud-Wachstumswunderwelt, die seit zwei Jahren von Industrie, Marktforschern und Branchenverbänden bejubelt wird. Ich will es mal so sagen: Wenn es sich nicht um IT-Segmente, sondern um Aktien handeln würde, dann hätten wir es hier mit klaren Verkaufsempfehlungen zu tun. Der Aktienkurs und damit der Unternehmenswert der jeweiligen Firmen würde weiter abrutschen.

Ganz ehrlich, lieber Herr Döderlein, mich wundert das nicht. Was mich vielmehr wundert, ist die Tatsache, dass unter dem Titel "Cloud Computing“ überhaupt etwas verkauft wird. Warum? Weil der Begriff genauso nebelig und diffus ist wie die Wolke, für die er steht. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass in jedem Beitrag über "Cloud Computing" immer erst einmal der Begriff geklärt wird? Und dann schreibt der eine Autor so und der andere schreibt so. Gerade die Mittelständler und KMU-Geschäftsführer, die sich nicht tagtäglich mit IT-Themen herumschlagen und nicht die Analysen und Marktbetrachtungen der Experton-Group und anderer Auskenner studieren, tun sich damit schwer. Viele verstehen lediglich "Internet" und bekommen Allergiepickel bei der Vorstellung, dass beim "Cloud Computing“ ihre Daten irgendwo "in einer Wolke" lagern. "Cloud Computing – nein Danke!“, heißt es da nur allzu oft.Verständlich, wenn Sie mich fragen.

Das bestätigt eine aktuelle Studie, welche Dell und Intel gemeinsam in Auftrag gegeben haben. Die Studie hat die Überschrift "Der Umgang mit veränderten IT-Anforderungen. Ein europäischer Bericht über Server und Storage für Kleinunternehmen.“ Interessant ist dabei vor allem das Kapitel "Der nächste Schritt: Die Cloud?“ Kurz zusammengefasst liest man hier Folgendes: Bei den 1.150 befragten Unternehmen, allesamt KMUs mit weniger als 100 Mitarbeitern, spielt Cloud Computing bis dato so gut wie keine Rolle. Wörtlich heißt es in der Studie (S. 4): "Eine Cloud-basierte Infrastruktur ist in Kleinunternehmen noch nicht sehr verbreitet, und nur 17 Prozent der Kleinunternehmen setzen gewisse Aspekte (!) des Cloud Computing ein.“ In Deutschland sieht es noch schlechter aus: Lediglich 15 Prozent der befragten KMUs "nutzen Cloud Computing zumindest teilweise“, schreiben die Verfasser der Studie. Noch einmal zum Mitschreiben: Nur 15 Prozent, und die auch nur teilweise!

Dass Cloud Computing im Mittelstand und bei KMUs noch so gar nicht angekommen ist, liegt nach meiner Überzeugung zum großen Teil am Begriff selbst. Ich wiederhole mich da gerne. Der Begriff "Cloud Computing“ ist nachgerade geschäftsschädigend. Daher sollte ihm fristlos gekündigt werden.

Lieber Herr Döderlein, warum schreibe ich Ihnen das? Ganz einfach: Ihr Unternehmen, die inoX-tech GmbH, ist ja von seinem Ursprung her ein Systemhaus, doch im vergangenen Jahr haben Sie viel Geld und Mühe in den Aufbau eines eigenen Rechenzentrums investiert und fungieren nun auch als "Cloud-Anbieter“. Ihre Dienstleistungen bieten sie einer breiten Zielgruppe an, "vom KMU bis zum multinationalen Großunternehmer".

(Bild: inoX-tech)

Was mir bei Ihrem Internetauftritt aufgefallen ist, lieber Herr Döderlein, ist der nahezu völlige Verzicht auf den Begriff "Cloud Computing". Sie schreiben auf Ihrer Homepage viel anschaulicher: "Speziell für den mittelständischen Bedarf bieten wir ein Service-Outsourcing-Konzept, das die bestehende EDV Ihres Unternehmens sinnvoll ergänzt. In Ihrem Auftrag hosten und betreiben wir Ihre IT rund um die Uhr.“ Herzlichen Glückwunsch, Herr Döderlein! Das ist eine Sprache, die auch der Unternehmer, der sich nicht permanent mit IT-Technologie beschäftigt, versteht.

Wer dem KMU-Geschäftsführer "Cloud Computing" verkaufen will, der sollte den Begriff "Cloud Computing“ tunlichst vermeiden. Wenn man ihm stattdessen zum Beispiel sagt, dass seine Daten in Zukunft nicht mehr auf seinem altersschwachen Server in seinem feuchten Keller, sondern auf einem gespiegelten Server in einem Hochsicherheitsrechenzentrum liegen, am besten in Deutschland, dann hat man gute Chance, dass man verstanden wird und dass auch ein Geschäft zustande kommt. Also klar reden und nicht wolkig, so kommt man im Mittelstand und bei KMUs zum Zuge.

Oder wie sehen Sie das, Herr Döderlein?

Beste Grüße!

Damian Sicking

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