Heftige Schelte für die neue Urheberrechtsnovelle

Verbraucherschützer sowie die Hightech-Branche sind im Gegensatz zu Verlegern unzufrieden mit dem "2. Korb" der Urheberrechtsreform, die Musikindustrie erwägt gar eine Verfassungsklage wegen unzureichendem Schutz geistiger Eigentumsrechte.

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Die Verabschiedung der zweiten Stufe der Urheberrechtsnovelle durch den Bundestag am gestrigen Donnerstag hat zum Teil scharfe Reaktionen ausgelöst. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) etwa beklagt, "dass auch künftig die Verbraucher im Urheberrecht weitgehend ohne Rechte bleiben werden". Leider seien einige Rechteinhaber und Entscheidungsträger in diesem Bereich im 20. Jahrhundert stehen geblieben, bemängelt vzbv-Vizevorstand Patrick von Braunmühl.

Der Verbraucherschützer kritisiert vor allem, dass gelegentliche Privatkopierer auch nach dem neuen Gesetz mit gewerblichen Kopierern in einen Topf geworfen werden und es keine "P2P-Bagatellklausel" fürs rechtswidrige "Naschen" an Tauschbörsen gibt. Vor dem Download einer Datei im Internet müsse der Nutzer in Zukunft stets prüfen, ob diese auch legal angeboten wird. Wie der Laie dabei beurteilen soll, welche Angebote "offensichtlich rechtswidrig" sind, ist ihm schleierhaft. "Illusion" bleibe ferner der Anspruch, "eine eigens gekaufte Musik-CD auf seinen MP3 Player zu übertragen oder eine Sicherungskopie anzufertigen".

Von Braunmühl fordert die "Formulierung klarer Verbraucherrechte für die Nutzung digitaler Dienste", wie sie eine im März vom Bundesministerium für Verbraucherschutz initiierte Charta vorgeschlagen hat. Vor allem müsste den Verbrauchern eine Handhabe gegen Kopierschutztechniken wie Systeme zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) eingeräumt werden. An die Rechteinhaber appellierte er, nicht immer nur mit neuen Techniken und Vorschriften gegen ihre Kunden aufzurüsten. Ähnlich bedauerten Claudia Roth, Bundesvorsitzende der Grünen, und Malte Spitz aus deren Bundesvorstand, dass "die Bundesregierung und ihre Fraktionen sich mit dieser Novelle von knallharten Lobbyinteressen einwickeln lassen haben und den Verbrauchern einen Korb geben". Die Mitglieder der Oppositionspartei enthielten sich größtenteils bei der Abstimmung, einzelne votierten gegen die Reform.

Auch die Neuregelung der Vergütungspauschale fürs weiter eingeschränkte private Kopieren erregt nach wie vor die Gemüter. So warnt neben dem IT-Branchenverband Bitkom nun auch die Vereinigung der Telekom-Konkurrenten, der VATM, dass die gesetzlichen Kopierabgaben auf IT-Geräte nicht stärker ausgeweitet dürften als ursprünglich geplant. Vor allem seien Mobiltelefone, PDAs oder Digitalkameras nicht mit einer Urheberrechtsabgabe zu belegen. "Handys sind zwar auf dem Weg, den althergebrachten Kassettenrekorder abzulösen", räumt VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner ein. "Sie werden aber typischerweise kaum zum Kopieren von urheberrechtlich geschützten Inhalten wie Texten oder Musik verwendet." Wer Mobiltelefone prinzipiell per Gesetz mit Kopierern gleichsetzt, schilt der Lobbyvertreter die Abgeordneten, "verfehlt das Ziel, die Verwerter- und Nutzerrechte an das digitale Zeitalter anzupassen".

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) begrüßten dagegen, dass das Parlament die im Regierungsentwurf vorgesehen Deckelung der Urheberrechtsabgaben bei Kopiergeräten und Speichermedien auf fünf Prozent des Gerätepreises gestrichen hat. Dafür hatte sich ein breites Bündnis von Verbänden der Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlage gegen den massiven Widerstand der Geräteindustrie eingesetzt. Als "echten Fortschritt" bezeichnen die Verleger ferner die Erlaubnis für "unbekannte Nutzungsarten" von Werken, die bei Vertragsschluss noch nicht abzusehen waren. Mit dem neuen Gesetz werde es auch leichter, die Print-Archive von Verlagen zu digitalisieren. Ebenso wichtig sei, dass durch den "2. Korb" der elektronische Dokumentenversand und die Terminal-Nutzung geschützter wissenschaftlicher Werke in Bibliotheken begrenzt werde.

Die Rechte der Verwerter nicht ausreichend geschützt sieht die Musikindustrie. "Das neue Urheberrecht ist ein Rückschritt für die gesamte Kreativwirtschaft und verstößt nach unserer Einschätzung gegen Artikel 14 des Grundgesetzes, der das Eigentum schützt", sagt Michael Haentjes, Vorsitzender der deutschen Phonoverbände. Sein Verband hatte unter anderem die Einschränkung der Privatkopie auf Vervielfältigungen nur vom eigenen Original und ein Verbot der Herstellung von Kopien durch Dritte gefordert. Man prüfe nun eine Verfassungsbeschwerde. Positiv bewertete Haentjes, dass die geplante P2P-Bagatellklausel aus dem Gesetz gestrichen wurde: "Wenn ein Song, ein Film oder ein Hörbuch weniger wert sein soll als eine geklaute Dose Cola, dann würde in unserem Rechtssystem etwas komplett schief laufen."

Laut Bundesjustizministerin Brigitte Zypries kann sich das Gesetz trotz der Kritik von vielen Seiten "sehen lassen". Es stelle einen "wichtigen Beitrag zur Modernisierung Deutschlands in der Informationsgesellschaft" dar, erklärte sie. Zum Streit um Vervielfältigungen zum Eigengebrauch stellte die SPD-Politikerin klar: "Es gibt kein 'Recht auf Privatkopie' zu Lasten des Rechtsinhabers." Ein solcher Anspruch würde sich auch nicht aus den Grundrechten herleiten lassen. Eine Privatkopie schaffe nämlich entgegen der Ansicht von Initiativen wie privatkopie.net keinen Zugang zu neuen Informationen, sondern verdoppele lediglich die bereits bekannten.

Zugleich betonte Zypries, dass mit dem 2. Korb das Verbot privater Kopien "ausdrücklich auch auf unrechtmäßig online zum Download angebotene Vorlagen ausgedehnt wird". In Zukunft gelte also: Wenn für den Nutzer einer P2P-Tauschbörse offensichtlich sei, dass es sich bei dem angebotenen Film oder Musikstück um ein rechtswidriges Angebot im Internet handelt – etwa weil klar ist, dass kein privater Internetnutzer die Rechte zur Offerte eines aktuellen Kinofilms im Netz besitze –, dürfe er keine Kopie davon herstellen und sie damit auch nicht downloaden. Bei Zuwiderhandlungen drohen im schlimmsten Fall Haftstrafen bis zu drei Jahren. Darüber hinaus bleibt es auch bei dem Verbot, einen Kopierschutz zu knacken. Bei privatem Handeln ist hier aber allein eine zivilrechtliche Verfolgung möglich.

Zum verabschiedeten "2. Korb" der Urheberrechtsnovelle siehe:

Zu "Open Access" für wissenschaftliche Veröffentlichungen siehe auch in Technology Review:

Zur Diskussion um das Urheberrecht, das geistige Eigentum, Tauschbörsen und illegale Kopien sowie um die Urheberrechtsnovellierung siehe die Übersicht mit Linkliste zu den wichtigsten Artikeln und zu den Gesetzesentwürfen und -texten:

(Stefan Krempl) / (jk)