LKW-Maut: Schäuble will Zweckbindung der Mautdaten aufheben

Widerspruch kommt vom Bundesdatenschutzbeauftragten: Peter Schaar weist die Forderungen nach Nutzung von LKW-Mautdaten zur Aufklärung von Straftaten als zu pauschal zurück.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 473 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Detlef Borchers

In die Debatte um die Nutzung der Mautdaten zu Fahndungszwecken hat sich nun auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble eingeschaltet. Gegenüber dpa erklärte Schäuble, dass in seinem Ministerium bereits an einem entsprechenden Gesetzentwurf gearbeitet werde. Dieser soll noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht werden. Mit der Ankündigung von Schäuble hat auch das Bundesverkehrsministerium seine reservierte Haltung aufgegeben und wartet nun auf ein neues Autobahnmautgesetz. "Im Rahmen dessen, was das Gesetz zu leisten in der Lage ist, werden wir unseren Beitrag leisten", erklärte eine Sprecherin des Ministeriums.

Auch die Grünen haben sich inzwischen in die Mautdebatte eingeschaltet. Ihr verkehrspolitischer Sprecher Winfried Hermann ermahnte die Menschen im Rechtsstaat Deutschland zu "erhöhter Wachsamkeit", damit am Ende des Prozesses nicht die "totale Überwachung des Individualverkehrs" Realität werde. Für Hermann sind allerdings Ausnahmen von der Zweckbindung der LKW-Maut denkbar, wenn es um die Bekämpfung schwerster Verbrechen geht.

Eine ähnliche Position bezog Bernhard Witthaut, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Er betonte in einer Stellungnahme, dass der Zugriff auf die Mautdaten eine Ermittlung beschleunigen kann. Normale Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sollten allerdings von der Mautdatenfahndung ausgeschlossen werden, weil "allgemeine Überwachungsraster" den Weg in den Polizeistaat ebneten. Witthaut beklagte in diesem Zusammenhang den Personalabbau bei der Polizei. Maschinen und Software-Systeme könnten beileibe nicht die Polizeiarbeit übernehmen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar widersprach den pauschalen Forderungen nach Freigabe der Mautdaten für die Fahndung. In einem Interview mit Deutschlandradio Kultur (auch als MP3-Datei verfügbar) am heutigen Freitag betonte Schaar, es sei kein realistischer Ansatz, nach der Auswertung von solchen Daten zu rufen, sobald nur ein LKW im Spiel sei. Das sei mit dem Datenschutz nicht vereinbar. Schaar wiederholte aber auch seine früher geäußerte Ansicht, dass Daten aus der Mauterfassung nicht grundsätzlich tabu sein sollten: Solange die Nutzung von LKW-Mautdaten bei einer konkreten Ermittlung auf eng umgrenzte und auch vorhandene Daten beschränkt bleibe, werde er sich einer Gesetzesänderung nicht widersetzen. Die gegenwärtigen Forderungen gingen aber sehr viel weiter: "Man hat die Vorstellung, dass man Toll Collect zu einer Art Fahndungssystem umbaut, wo diese Daten gesammelt werden, nur um dann den möglicherweise geschehenen Straftaten besser auf die Spuren zu kommen. Das halte ich für völlig falsch."

Bislang gilt bei der LKW-Maut eine strikte Zweckbindung: Die vom Mautbetreiber Toll Collect ermittelten Daten dürfen nur zum Zwecke der Mautabrechnung verwendet werden. Ist die Mautgebühr gezahlt, so werden die Daten gelöscht. Toll Collect selbst darf die Daten nur zwei Monate aufbewahren, für den Zoll und das Bundesamt für Güterverkehr als weisungsberechtigte Kontrollbehörde gelten längere Fristen. Die neue Mautdebatte ist durch einen Mordfall ausgelöst worden, bei dem die Polizei nach einem LKW-Fahrer fahndet. Dabei hatte der Polizeichef von Kassel den Eindruck erweckt, dass mit den Mautdaten eine schnelle Verhaftung des Täters möglich sei. Vergleichbare Fälle, in denen Fahrdaten vorliegen und LKW-Fahrer verwickelt sind, zeigen jedoch, dass die Aufklärung eines solchen Verbrechens mehrere Jahre dauern kann.

Zur satellitengestützten LKW-Maut und weiteren Vorhaben zur elektronischen Verkehrskontrolle siehe auch:

(Detlef Borchers) / (jk)