Harvard-Professoren an RIAA: "Verzieht euch"

Zwei Professoren der Harvard Law School raten den amerikanischen Universitäten zu einer klaren Linie gegen die Aktion der US-Musikindustrie gegen Studenten.

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Von
  • Monika Ermert

Verzieht euch: Diese pointierte Antwort auf ihre Aufforderung, Abmahnungen wegen angeblichen Urheberrechtsverletzungen an Studenten weiterzugeben, erhielt der Verband der US-Musikindustrie (RIAA) von den Harvard-Professoren Charles Nesson und John Palfrey. Nesson, der Gründer und einer der Direktoren des Berkman Center for Internet and Society an der Harvard Law School, und sein Kollege empfahlen den betroffenen US-Universitäten in einem Beitrag für die Juni-Ausgabe des Instituts-Magazins The Filter eine gemeinsame klare Linie gegen die Begehrlichkeiten der RIAA.

Der Präsident der Recording Industry Association of America, Cary Sherman, hatte die Universitätsverwaltung in einem Schreiben aufgefordert, sie solle nicht weiter den passiven Mittelsmann für die Musikdownloads der Studenten spielen. "Wir stimmen zu", antworten die Professoren. "Harvard und die anderen 22 Universitäten, die von der RIIA 'vorgerichtliche Mahnschreiben' erhalten haben, sollten vielmehr gemeinsam deutliche Maßnahmen ergreifen und der RIAA mitteilen, sie soll sich verziehen".

Rund 1200 Abmahnungen habe die RIAA an verschiedene US-Universitäten gesandt, und weitere angekündigt. Nach dem bei der RIAA üblichen Verfahren wird darin jeweils eine IP-Adresse aufgeführt, gegen deren jeweiligen Benutzer die Industrie vorgehen möchte. Von den Unis verlangt die RIAA, die Schreiben an die Studierenden weiterzuleiten, die hinter den IP-Adressen steckten. Damit spart sich der Verband den gesetzlich vorgesehenen – und nicht immer erfolgreichen – Gang vor Gericht. Erst nach einer Klage gegen Unbekannt kann die RIAA versuchen, mit einer gerichtlichen Anordnung die Herausgabe der Nutzerdaten zu erzwingen.

"Die Universitäten haben keine rechtliche Verpflichtung, die Briefe der RIAA weiterzuleiten. Das sollten sie nur dann tun, wenn sie glauben, dass das mit ihrer Aufgabe vereinbar sei." Genau das aber glauben Nesson und Palfrey nicht. Die Universitäten hätten mit diesen Verfahren nichts zu schaffen. Sie dürften nicht den Anschein erwecken, bestimmtem wirtschaftlichen Interessen zu entsprechen. Das widerspräche dem offenen Geist, der auf einem Campus herrsche. Zudem würde die RIAA mit der alten Taktik des Schulhofschlägers gegen Schwächere ins Feld ziehen. Statt des normalen gerichtlichen Verfahrens wolle die Industrie die Universitäten dabei zu ihren Wasserträgern machen, schreiben Nesson und Palfrey. Statt der Drohgebärden fordern sie von der RIAA, über die eigentlichen Probleme zu diskutieren und sich dazu selbst auf dem Campus zu stellen. Am Berkman Center arbeitet eine eigene Arbeitsgruppe an dem Thema.

Nicht alle Universitätsleitungen reagieren aber wie die Harvard-Profs. Die Universität von Washington kündigte kürzlich an, sie werden die Briefe an die ebenso weiterleiten wie die Namen der betroffenen Studenten an den Verband. Die RIAA bietet darin den Studierenden einen Vergleich an, für den die Studierenden allerdings 3000 bis 5000 Dollar hinlegen müssen. Die Rechtslage bleibt dabei unklar. Ein Richter in New Mexico hatte kürzlich entschieden, er werden keine einstweiligen Verfügungen ausstellen, solange die Identität der Studierenden nicht bekannt und sie nicht in der Lage seien, Einsicht in die Verfahren zu nehmen. Gleichzeitig gibt es bereits erste Konter-Klagen gegen die RIAA wegen falscher Beschuldigungen. (Monika Ermert) / (vbr)