RoboCup German Open: Fußball im Abseits?

Bei den RoboCup German Open nimmt die Bedeutung des Fußballs ab. Gleichzeitig spielen andere Anwendungsgebiete für Roboter eine größere Rolle, etwa bei Rettungseinsätzen oder im Haushalt.

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  • Hans-Arthur Marsiske

Die diesjährigen RoboCup German Open in Magdeburg sind das erste größere RoboCup-Turnier, bei dem in den Major Leagues keine rollenden Fußballroboter mehr teilnehmen. Nur beim Nachwuchswettbewerb RoboCup Junior, der in einer eigenen Halle stattfindet, wird Fußball noch mit Robotern gespielt, die sich auf Rädern fortbewegen. Die Spieler der Universitätsteams dagegen jagen auf zwei Beinen dem Ball hinterher und die Fußballfelder nehmen nur noch ungefähr so viel Platz ein wie die Arenen für Rettungs- und Haushaltsroboter.

Damit ist in Magdeburg keine der Ligen mehr dabei, mit denen der RoboCup vor 15 Jahren begonnen hat. Das erste Weltmeisterschaftsturnier 1997 in Nagoya bestand aus drei Fußballwettbewerben: Der Simulation League, bei der Softwareagenten auf einem simulierten Spielfeld antraten; der Small Size League mit kleinen, radgetriebenen Robotern, die von Computern am Spielfeldrand per Funk gesteuert wurden; und der Middle Size League mit ebenfalls fahrenden Robotern, die aber die komplette Sensorik und Datenverarbeitung an Bord hatten. Zwar hat die Abwesenheit dieser Ligen in Magdeburg auch damit zu tun, dass die Wettkämpfe in diesem Jahr auf zwei Turniere aufgeteilt sind: Alle Simulationswettbewerbe werden ebenso wie die Middle Size Leage Ende April bei den RoboCup Dutch Open in Eindhoven ausgetragen. Aber auch hier fanden sich für die Small Size League nicht mehr genügend Teams.

Wie nie zuvor werden damit bei den RoboCup German Open Veränderungen sinnlich erfahrbar, die schon seit einigen Jahren stattfinden. Mehr und mehr verschieben sich die Gewichte zu den stärker anwendungsbezogenen Ligen wie RoboCup Rescue für Rettungsroboter und RoboCup@home für Roboter, die im Haushalt helfen sollen. Die ursprüngliche Vision, bis zum Jahr 2050 mit humanoiden Robotern die Fußballweltmeisterschaft gegen Menschen zu gewinnen, droht in den Hintergrund zu treten. Gerade diese langfristige, leicht zu verstehende Zielsetzung hat aber viel zur Attraktivität des RoboCup beigetragen. Den Zuschauern bietet das Fußballspiel einen einfachen, intuitiven Zugang zur Informatik, den Teilnehmern einen direkten Leistungsvergleich für komplexe Technologien der Künstlichen Intelligenz und Robotik.

Eine ähnlich starke Vision ist für die anwendungsorientierten Ligen schwer zu finden. Andererseits dürfte es für Teams, die sich hier engagieren, aber leichter sein, finanzielle Unterstützung zu finden. Unter Wissenschaftlern haben diese Wettbewerbe jedenfalls rasch Anerkennung gefunden. So wird sich der Trend in diese Richtung wohl weiter fortsetzen.

Tijn van der Zant, der den Wettbewerb RoboCup@home mit ins Leben gerufen hat, beklagt auch den geringen Austausch mit den Fußballwettbewerben. "Wenn der Schiedsrichter pfeift, sitzt am Spielfeldrand ein Mensch und übermittelt das Signal per Mausklick an die Roboter", sagt er. "Der Roboter sollte solche akustischen Signale, ebenso wie eine gelbe oder rote Karte direkt verstehen können. Bei RoboCup@home entwickeln wir diese Technologien zur Mensch-Maschine-Interaktion." Zwischen den Anwendungsligen klappt der Austausch besser. So war van der Zant begeistert, als er erfuhr, dass in der Rescue League bei der Suche nach Überlebenden mit einem Wärmesensor gearbeitet wird, der mit einem Preis von 1.000 US-Dollar erschwinglicher war, als er dachte. "Der kann im Haushalt ebenfalls gute Dienste leisten, um Babys oder Haustiere zu erkennen", sagt er.

Nicht der Kopf von Adam Jacoff raucht hier so, sondern ein Feuersimulator, der außer mit Rauch auch mit Infrarot- und Ultraviolettsignalen die Signatur eines Brandherds erzeugt, den Roboter möglichst rasch und genau lokalisieren sollen.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Auch die Idee, in der Rescue League mit Feuersimulatoren zu arbeiten, passt genauso gut zu RoboCup@home. Die Geräte, die Rauch ausstoßen und im Infrarot- und Ultraviolettbereich die typischen Signaturen eines Feuers ausstrahlen, simulieren Brandherde, die von Robotern möglichst genau lokalisiert werden sollen. "Feuerwehrleute haben uns gesagt, dass sie sich so etwas wünschen", sagt Adam Jacoff vom National Institute of Standards and Technology, der die Rescue League maßgeblich mit aufgebaut hat. "Versicherungen sind ebenfalls daran interessiert. Wenn eine Sprinkleranlage ausgelöst wird, ist die gesamte Wohnung hinüber, womöglich auch die darunter liegende, selbst wenn es sich nur um ein kleines Feuer handelt." Ein Roboter, der das Feuer frühzeitig erkennt und gezielt bekämpfen kann, kann den Schaden dagegen deutlich minimieren, zumindest aber für einen unter Umständen lebensrettenden Zeitgewinn sorgen.

Der Quadrokopter der Jacobs University hat in der Rescue Arena ein Opfer gefunden.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Nicht nur mit dem Feuersimulator hebt sich die Rescue League in diesem Jahr visuell hervor: Erstmals kommt im Wettbewerb auch ein fliegender Roboter zum Einsatz. Das Jacobs Robotics Team hat einen Parrot-Quadrokopter mitgebracht, der zwar noch häufig über der Rescue Arena abstürzt, aber doch endlich eine Idee praktisch umsetzt, über die schon lange geredet wurde.

Schraube und Mutter fest miteinander verdrehen -- der Roboter, dem das beim Wettbewerb "RoboCup@work" zuerst gelingt, darf mit starkem Applaus rechnen.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Eine neue anwendungsorientierte Liga ist ebenfalls in Sicht. Unter dem Titel "RoboCup@work" soll ein Wettbewerb für mobile Manipulation etabliert werden. "Wie er genau gestaltet werden soll, ist noch nicht klar", sagt Walter Nowak von der Firma Locomotec. "Wir sind hier, um die Idee vorzustellen und mit den Teams ins Gespräch zu kommen." Grundsätzlich wird es darum gehen, mit einem auf einer mobilen Plattform montierten Roboterarm Manipulationsaufgaben zu erledigen, wie sie in einer Fabrik oder Werkstatt anfallen. Das kann das einfache Aufheben von Gegenständen und ihr Transport an andere Orte sein. Aber auch komplizierte Aufgaben, wie das Zusammenfügen von Schraube und Mutter sind denkbar, womöglich auch als Kooperation zweier Roboter. "Wir könnten auch zwei Roboter parallel die gleiche Aufgabe durchführen lassen, sodass für die Zuschauer unmittelbar zu erkennen ist, welcher von ihnen besser damit zurechtkommt."

Bislang drängeln sich die Zuschauer immer noch vor allem an den Fußballfeldern, wo das Geschehen leicht zu verstehen ist. Bei RoboCup Rescue und RoboCup@home besteht dagegen zusätzlicher Erklärungsbedarf. RoboCup@work könnte hier zu einer weiteren Gewichtsverschiebung in Richtung Anwendungsorientierung beitragen. Die Fußballroboter müssen sich warm anziehen. (ck)