WSIS: Tunesische Bürgerrechtler beenden Hungerstreik

"Unsere Botschaft an den WSIS war, dass es hier in Tunesien eine Scheindemokratie gibt", sagte der Sekretär der Tunesischen Liga für die Menschenrechte. Der Bürgergipfel konnte aufgrund der Behinderung durch die Behörden aber nicht stattfinden.

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Von
  • Monika Ermert

Sieben Gewinner hat der Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) schon: Wie einen Sieg haben die sieben tunesischen Hungerstreikenden, die mit ihrer verzweifelten Aktion für die Freilassung tunesischer politischer Gefangener und gegen die Einschränkungen der Bürgerrechte protestieren wollten, das Ende ihres Hungerstreiks gefeiert. "Unsere Botschaft an den Weltgipfel der Informationsgesellschaft war, dass es hier in Tunesien eine Scheindemokratie gibt", sagte der Anwalt und Sekretär der Tunesischen Liga für die Menschenrechte, Ayachi Hammami bei einer Pressekonferenz in seiner Wohnung im Zentrum von Tunis.

Am Hungerstreik beteiligt waren neben Hammami der Chef der Partei für den Demokratischen Fortschritt, Nejib Chebby, der Richter Mokhtar Yahyaoui, Abderraouf Ayadi, Mitglied der Parti communiste ouvrier tunesien, Mohamed Nouri, Präsident der internationalen Vereinigung für die Unterstützung politischer Gefangener, Lotfi Hajji, Präsident der tunesischen Journalistenvereinigung und der Anwalt Samir Dilou.

Dilou und seine Mitstreiter kündigten am heutigen Freitag gleichzeitig die Gründung eine Komitees an, dass den Streit für die Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit und zudem eine Grundsatzdebatte über eine "echte Demokratisierung" im Land fortsetzen soll. Das Komitee sei für jedermann offen. Man will das Recht einfordern, Politik mitbestimmen zu können, sagte Dilou. Auch innerhalb der politischen Gremien der tunesischen Diktatur sei dies nicht gewährleistet.

Helene Flautre, Mitlied im Europäischen Parlament (Les Verts) war zur Pressekonferenz geeilt und sagte den Aktivisten weitere Unterstützung zu. Das Parlament habe in seiner Sitzung diese Woche in Straßburg anlässlich der Behinderungen in Tunis bereits reagiert. "Viele Abgeordnete haben einen WSIS-Aufkleber mit dem Label 'Weltgipfel der Desinformation' getragen," sagte Flautre. Das Parlament werde die Einschränkungen und die bekannt gewordenen Behinderungen der Meinungs- und Pressefreiheit während des Gipfels zum Anlass nehmen, das Thema in seiner nächsten Sitzung erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Außerdem forderten einige Abgeordnete eine Sondersitzung des zuständigen Gremiums, um über eine Kündigung des bestehenden Assozierungsabkommens mit Tunesien zu diskutieren.

Flaute sagte allerdings, die Teilnahme am Gipfel habe sich trotz der großen Bedenken als richtig erwiesen, habe sie doch die Situation der Bürger in Tunesien eine Woche in den Mittelpunkt des Weltinteresses gerückt. "Hat der Gipfel uns geholfen? Natürlich", sagte Hammami. Die Leiterin des Unterstützerkomitees der Hungerstreikenden sagte, die Aufmerksamkeit in der vergangenen Woche sei überwältigend gewesen.

Die abschließende Demonstration vor dem Haus von Hammami wurde zwar von Sicherheitskräften in Zivil auf beiden Seiten abgeriegelt und kam so nicht vom Fleck. Es kam aber bislang außer zu einigem Gerangel und Anfeindungen zu keinen Übergriffe wie in der vergangenen Woche. Auch das ist ein gewisser Fortschritt, wenn auch ein winziger. Doch der parallel zum WSIS geplante Bürgergipfel in der Stadt konnte aufgrund der Behinderung durch die Behörden nicht stattfinden. Es gelang den Nichtregierungsorganisationen einfach nicht, einen Raum zu finden.

Zum zweiten UN-Weltgipfel siehe auch:

Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)