Gerüchte um Offenlegung der ATI-Linux-Treiber bestätigen sich nicht

Die Linux-Grafiktreiber für ATI-Grafikchips bleiben auch nach der Übernahme durch AMD wohl erst einmal Closed-Source. Auch langfristig scheint keine Besserung in Sicht.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Nach der Ankündigung der Übernahme von ATI durch AMD kursierten in den letzten Tagen in der Linux-Szene und auf zahlreichen Internet-Seiten Gerüchte, nach denen der ATI-Grafiktreiber möglicherweise komplett oder in Teilen unter einer Open-Source-Lizenz freigegeben würde. Auf Nachfrage von heise online dementierte ein ATI-Sprecher diese Spekulationen nach Rücksprache mit seinen Kollegen aus Übersee.

So betont ATI in dem englischen Statement zu Anfang das eigene Engagement für Open-Source-Treiber mit den Worten "We've always supported open source, and for relevant markets such as servers, we release open source drivers so that companies such as Red Hat can include them in their distros". In der Vergangenheit hat ATI sich auch wie angegeben an der Entwicklung von Open-Source-Treibern etwa für XFree86 und X.org beteiligt; interessierte Open-Source-Entwickler erhielten auch Dokumentation für die Grafikchips. Bei den Radeon-Karten bis zum 9250 konnten die Programmierer so Treiber entwickeln, die neben Zweischirmbetrieb und Video-Beschleunigung auch die Nutzung der 3D-Hardware-Beschleunigung ermöglichten – der TV-Ausgang ließ sich jedoch nicht ohne weiteres aktivieren. Bei den späteren Chips bis zum Radeon x800 war die Unterstützung durch ATI schon dürftiger. 2D-Treiber gab es bald, die 3D-Beschleunigung lässt sich bei diesen Chips erst seit kurzem nutzen; findige Entwickler hatten den Zugriff auf die 3D-Funktionen des Chips per Reverse-Engineering analysiert und mit diesen Informationen einen passenden Treiber geschrieben.

Für die aktuelle ATI-Grafikchipgeneration hingegen stellt ATI den Open-Source-Entwicklern wohl keine Dokumentation mehr zur Verfügung. Vielmehr blockiert das Unternehmen sogar die Freigabe eines Treibers, den ein bekannter X.org- und Kernel-Entwickler in Eigeninitiative unter Zuhilfenahme von unter NDA (Non-Disclosure Agreement) stehender Dokumentation geschrieben hat. Die meisten aktuellen Linux-Distributionen konfigurieren daher auf aktuellen Radeon-Chips nur einen VESA-Treiber. Mit dem liegen die meisten Fähigkeiten des Grafikkerns brach. Nicht mal eine Bildwiederholrate für die flimmerfreie Darstellung auf Röhrenmonitoren lässt sich einstellen.

Proprietäre und teilweise patentierte Optimierungen will ATI sich für die eigenen Treiber vorbehalten: "However, for other markets, such as workstation and consumer, performance and feature differentiation are key metrics. Proprietary, patented optimizations are part of the value we provide to our customers and we have no plans to release these drivers to open source. " Die proprietären ATI-Treiber sind jedoch umstritten – zahlreiche führende Kernel-Entwickler bezeichnen sie als Illegal. Zudem verstößt es möglicherweise gegen die GPL, die Treiber zusammen mit Linux-Distributionen auszuliefern, weshalb sich die proprietären Treiber von ATI wie auch die von Nvidia zumeist nicht direkt auf den Installationsmedien vieler Linux-Distributionen finden. Zudem hat ATI sich bei den eignen Treibern nicht immer mit Ruhm bekleckert: So ignorierte das Unternehmen lange die x64-Architektur und brauchte nach der Einführung der x1000-Radeonchips sechs Monate bis zur Veröffentlichung eines passenden Linux-Treibers.

Zudem scheint ATI wohl bestimmte Features rund um "content protection" gar nicht in Open-Source-Treibern unterstützen zu können: "In addition, multimedia elements such as content protection must not, by their very nature, be allowed to go open source". Somit scheint zumindest kurzfristig keine Lösung der Linux-Treiberprobleme bei ATI-Grafikkarten in Sicht. Ob sich die Einstellung nach Abschluss der Übernahme durch AMD signifikant ändert, ist unklar. AMD hat auf die Nachfrage von heise online noch kein Statement abgegeben. Bisher allerdings hat sich das Unternehmen Open-Source gegenüber recht aufgeschlossen gezeigt. Der Schutz von "Intellectual Property" in Treibern dürfte jedoch weitgehend Neuland darstellen, mit dem sich AMD erst einmal auseinandersetzen muss.

Intel hatte erst vor einigen Tagen durch weiter verstärktes Engagement für offene Linux-Grafiktreiber auf sich aufmerksam gemacht. Bei den Treibern für die SATA-, IDE- und Audio-Hardware in den Mainboard-Chipsätzen sind indes AMD, ATI und Intel in der Vergangenheit alle als fleißige Open-Source-Entwickler aktiv. Häufig bieten die Unternehmen den Kernel-Entwicklern Treiber für neue Hardware bereits zur Integration an, noch bevor diese vorgestellt wurde.

Weitere Hintergründe zu Linux-Grafiktreibern von ATI, Intel und Nvidia sowie zu den verschiedenen Vor- und Nachteilen der Treiberkonzepte bietet ein vor kurzem erschienener Artikel auf heise open: (thl)