Schäubles Anti-Terrorpläne finden wenig Rückhalt in der Bevölkerung

Fast der Hälfte der Bundesbürger gehen die jüngsten Überlegungen des Bundesinnenministers zum Umgang mit "Gefährdern" zu weit, während der Streit um den Ausbau der Überwachung und Online-Razzien kein Ende nimmt

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Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) findet für seine jüngsten Überlegungen zur Terrorbekämpfung und zum Umgang mit "Gefährdern" wenig Unterstützung bei den Bundesbürgern. Lediglich 33 Prozent halten diese laut dem jüngsten ZDF-Politbarometer vom heutigen Freitag für richtig. Für 45 Prozent der Befragten gehen die Vorschläge zu weit, für 6 Prozent allerdings auch noch nicht weit genug. 16 Prozent hatten keine Meinung zu dem Thema. Während Kanzlerin Angela Merkel trotz Rückendeckung für ihren Innenminister und der Forderung nach einer raschen Einführung heimlicher Online-Durchsuchungen auf einer Sympathiewelle schwimmt, erzielte Schäuble bei der Gesamtschau schlechtere Werte als im Juni: Er rutschte von 0,5 auf 0,2 ab. Weiter im Minusbereich sind Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und CSU-Chef Edmund Stoiber.

Die Kritik von Bundespräsident Horst Köhler (CDU) an den bereits recht konkreten Gedankenspielen des Innenministers stießen dagegen offenbar auf Wohlgefallen. So finden es 81 Prozent der Befragten grundsätzlich richtig, dass sich der Bundespräsident auch zu aktuellen politischen Fragen äußert. Nur 15 Prozent sind der Meinung, dass er sich hier zurückhalten sollte. Hart ins Gericht mit Schäuble ging erneut FDP-Fraktionsvizechefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie warf dem Minister in einem Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung vor, er wolle den Rechtsstaat "umbauen". Schäuble kenne "keine roten Linien" und orientiere seine Politik "vollständig am Ausnahmezustand". Es verbiete sich für einen Innenminister, die Tötung mutmaßlicher Terroristen zur Diskussion zu stellen.

Die geplante Ausweitung der Netzbespitzelung lehnte die Ex-Justizministerin entschieden ab, da damit "viele, viele unschuldige Bürger ins Visier staatlichen Handelns rücken" würden. "Auf einer Festplatte finden Sie Geschäftliches und Privates verteilt. Man kann in dieses Gesetz also schreiben, was man will, in der Praxis wird das Private nicht vom Rest zu trennen und somit keine mit der Verfassung vereinbare Lösung hinzubekommen sein." Nicht nachvollziehen kann die FDP-Politikerin daher den Kurs von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD): "Sie hat die Aufgabe, jetzt in der Koalition die unantastbaren Grenzen aufzuzeigen. Wenn sie im Kabinett ihr Veto einlegen würde, könnte ein Gesetz nicht durchkommen." Dazu müsse man aber den Mut haben zu sagen: Nein, mit mir nicht. Zypries melde hingegen gelegentlich Bedenken an, "sammelt sie aber am nächsten Tag auch gleich wieder ein. Als ehemalige Staatssekretärin unter Otto Schily denkt sie vielleicht noch immer mehr wie ein Innenminister".

Der Direktor des Freiburger Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, Ulrich Sieber, sieht dagegen Gründe, die den mit der Durchforstung von Festplatten verknüpften starken Eingriff des Staates in die Privatsphäre rechtfertigen könnten. Entsprechende Online-Überwachungen seien "in eng begrenzten Fällen, unter bestimmten Bedingungen und in gewissen Grenzen erforderlich", sagte er der Zeit. Vorstellen könne er sich diese etwa bei "neuen komplexen Kriminalitätsformen wie Terrorismus, Organisierte Kriminalität, Wirtschaftskriminalität oder Korruption". Dabei gehe es etwa um den Schutz der Bürger, des Staates oder von Kindern vor Missbrauch durch organisierte Straftätergruppen. Unklar ist aber auch dem Juristen, wie die Ermittler selbst bei der Beschränkung der Maßnahme auf diese schweren Straftaten Datenerhebungen im absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung vermeiden könnten. Eine Kooperation zwischen der Sicherheitswirtschaft und dem Staat in diesen Fällen könnte zudem "eine bisher noch nicht da gewesene Überwachungsqualität bedeuten".

Die Humanistische Union Hessen will sich derweil im Einklang mit Bloggern mit Hilfe einer weiteren Unterschriftenaktion für den Erhalt von Freiheit und Demokratie und gegen den Abbau von Bürgerrechten unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung einsetzen. Bis Mittwoch nehmen die Initiatoren noch Meldungen von Erst-Unterzeichnern entgegen. Danach soll eine breite öffentliche Werbung um Unterschriften stattfinden. Im Herbst möchten die Organisatoren die Petition dann in einer öffentlichen Aktion dem Bundesinnenminister zusammen mit acht Exemplaren des Grundgesetzes überreichen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat zudem vor unkoordinierten und zu weit gehenden Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gewarnt. "Erforderlich ist ein überlegtes Handeln, nicht hektische Betriebsamkeit, die nicht zu Effektivität führt und auch nicht das Vertrauen der Bürger stärkt", sagte er der Berliner Zeitung. Konkret lehnte Schaar etwa die Pläne der EU ab, die Daten von Flugpassagieren nach dem Vorbild der USA zu sammeln und auszuwerten. Ein weiteres europäisches Datenübermittlungssystem sei angesichts der gerade vom Bundeskabinett beschlossenen Weitergabe von Flugpassagierdaten an die Bundespolizei und an die Sicherheitsbehörden der übrigen EU-Staaten "überflüssig". Mit der geplanten EU-weiten Vorverlagerung der Kontrollen bei Flügen aus Nicht-EU-Ländern würden die Einreisenden ausreichend überprüft. (Stefan Krempl) / (pmz)